Die wissenschaftliche Ordnung des Seins, in welcher der Mensch als geistige, vom göttlichen Prinzip regierte Idee besteht, hat ihre vermeintliche Nachahmung in einer Welt von Sterblichen, die von materiellen Gesetzen und menschlichen Bestimmungen regiert werden. Von der nur unklaren Erkenntnis geleitet, daß der Mensch frei ist, ohne aber das geistige Wesen der Freiheit erkannt zu haben, suchen die irregeführten Sterblichen Befreiung von ihren Banden auf ungeistigen Bahnen, bis sie durch die geistige Erkenntnis Gottes und Seiner Herrschaft über den Menschen die Wiedergeburt erleben — durch die Erkenntnis der Wahrheit, von welcher Jesus sagte, sie werde die Menschen recht freimachen.
Auf dem „Weg vom Sinn zur Seele,“ um mit Mrs. Eddy zu reden (Wissenschaft und Gesundheit, S. 566), ist die fortschrittliche Denkart stets bereit, vorgeschrittene Annahmen als Mittel zum Zweck zu gebrauchen. Sie schlägt stets den praktischen Weg ein, den Weg, der am genauesten in der Richtung des absolut Richtigen führt, sei es auch, daß ein solches Verfahren zuweilen eine Wahl des geringeren Übels bedeutet. Trotz ihrer nur zu offenkundigen Mängel ist die demokratische Form der Regierung gegenwärtig die beste, in politischer wie in religiöser Hinsicht, indem sie ein freies Feld für die Demonstration sittlicher und geistiger Ideale bietet. Deshalb stehen auch die Mächte der Finsternis, die vermeintlichen Kräfte des Bösen den demokratischen Einrichtungen und Verfahrungsarten feindlich gegenüber und machen den vergeblichen Versuch, Geistigkeit zu unterdrücken. Die Eingriffe des Bösen, welche sogar die Existenz des Staatskörpers zu gefährden scheinen, tragen unter einer demokratischen Regierungsform dazu bei, das sittliche Gefühl zu wecken und so das Denken auf den Empfang der geistigen Wahrheit vorzubereiten.
Die Stunde des Schicksals hat geschlagen, die ganze Erde wird durch die sanfte Stimme der Wahrheit geweckt. Zuerst ist sie verwirrt und bestürzt, dann erhebt sie sich in der Macht einer tiefen moralischen Überzeugung und Entschlossenheit zu höheren Idealen.
Was haben nun all diese Dinge zu bedeuten? Nichts anderes als daß der sterbliche Traum des Elends, des Haders, der blutigen Kämpfe, der zertrümmerten Hoffnungen und des fruchtlosen Strebens anfängt, sich in das Bild der auf das göttliche Prinzip gegründeten geistigen Brüderschaft zu verwandeln. Der Völkerbund, das Gemeinwesen der Menschheit, die allgemeine Demokratie — dies alles ist kein utopischer Traum mehr, sondern herannahende Wirklichkeit, indem die schwellenden Knospen höherer geistiger Begriffe die trockenen Blätter herkömmlicher materieller Beschränkung zwingen, loszulassen, worauf sie zur Erde fallen. Die Welt nähert sich einer neuen göttlichen Vorsehung, ohne es zu wissen. Unter der unpersönlichen Leitung des durch die Christliche Wissenschaft geoffenbarten Christus, der Wahrheit, verläßt die Menschheit ihren altgewohnten Ankergrund und segelt auf eine bisher nicht bekannte See hinaus. Die größte Welle des geistigen Erwachens, die die Welt je erreicht hat, tauft die Völker mit neuen Eingebungen, führt mit unerhörter Schnelligkeit Reformen herbei, erstürmt scheinbar uneinnehmbare Verschanzungen des Bösen und unterminiert die Basis, von welcher aus der Irrtum operiert, auf eine Art und Weise, die noch nicht völlig verstanden wird.
Gedankenbilder, welche auf das sterbliche Gemüt wie auf einen kinematographischen Film übertragen sind, werden in der vergrößerten Form internationaler Ereignisse auf die Leinwand der Zeit geworfen. Der Makrokosmos und der Mikrokosmos haben gleiche charakteristische Merkmale, so daß selbst der oberflächliche Beobachter in den elementaren Umwälzungen der gegenwärtigen Zeit die gleichen Neigungen und die gleichen Verfahrungsarten erkennen kann, die in kleinerem Maßstabe auf den engeren Bahnen der persönlichen Erfahrung und der lokalen Kirchenverwaltung zur Disharmonie führen. Durch Falschheit, Verrat, Verschwörung und all die geheimen Mittel der sterblichen Vorstellungswelt sucht das vermeintliche Böse, das in der Rolle der Autokratie einherstolziert, den Fortschritt der Idee zu hemmen. Es trachtet danach, durch die Unterdrückung des Geistes der Demokratie „oben im Himmel,“ „unten auf Erden“ und „im Wasser unter der Erde“ die Herrschaft an sich zu reißen.
Der Drache, von seinem Eigendünkel und seinem Hochmut berauscht, verläßt sich bei der Ausführung seiner Pläne auf die Gleichgültigkeit der Menschenkinder, verfehlt aber seinen Zweck und wird „geworfen auf die Erde“ samt seinen Verbündeten, dem Tier und dem falschen Propheten, die von unserer Führerin in einer ihrer lehrreichen Bibelauslegungen in Wissenschaft und Gesundheit (S. 567) als Wollust und Heuchelei gekennzeichnet werden.
Wie das bis zum Siedepunkt erhitzte Wasser bei der Verwandlung in Dampf eine plötzliche Ausdehnung und eine Verönderung in seinem Wirkungsvermögen durchmacht, so dehnt sich die Gedankentätigkeit unserer Zeit in den Geist der Demokratie aus, räumt mit ungerechten und künstlichen politischen, nationalen, sozialen, volkswirtschaftlichen und geographischen Unterschieden auf und klärt die Luft für den Empfang des menschlichen Ideals der weltumfassenden Brüderschaft. Seit Beginn der vermeintlichen Geschichte der Sterblichen war eine Zeit zu erwarten, wo die Wahrheit dem Irrtum den Vorsprung insoweit abgewinnen würde, daß der verhärtete materielle Daseinsbegriff sich nicht mehr halten kann. Wenn bei einem Stapellauf eine Stütze nach der anderen von dem schwerfälligen Schiffsrumpf entfernt wird, so bewegt sich dieser zuerst fast unbemerkt vorwärts, gleitet aber dann mit immer größerer Geschwindigkeit über die Stapelblöcke ins Wasser. So verhält es sich auch mit dem Alp der falschen Vorstellung. Sind erst seine Stützen, sterbliche Unwissenheit und Trägheit, von der geistigen Erkenntnis bis zu einem gewissen Punkte entfernt worden, so gleitet er zuletzt mit großem Aufsehen abwärts. Der materielle Sinn sieht jenseits des Dampfes der Schlacht nicht viel mehr als eine Zeit besserer politischer und sozialer Zustände, wohingegen der Christliche Wissenschafter sehen kann, wie sich die Flut der auf dem göttlichen Prinzip beruhenden Demokratie in der Richtung der wahren Brüderschaft der Menschen bewegt. Er erkennt trotz der rasch aufeinanderfolgenden erschreckenden Ereignisse, deren die zivilisierte Welt gegenwärtig Zeuge ist, die Tür zu geistigen Möglichkeiten.
In dieser erstaunlichen Chemikalisation wird es jeden Tag klarer, daß es sich in dem gegenwärtigen mörderichen Kampf nicht in erster Linie um physische Kräfte, Armeen und Kriegsausrüstungen handelt, sondern um mentale Faktoren, die Vorstellungen des fleischlichen Sinnes. Da nun die Christlichen Wissenschafter die Oberhoheit des göttlichen Prinzips in gewissem Grade verstehen, so vermögen sie die Tagesfragen nicht nur durch die Erkenntnis zu lösen, daß die Vorstellung von einer außer Gott bestehenden Intelligenz und Macht nichts vermag, sondern auch ganz besonders durch die Einsicht in die heimlichen Verfahrungsarten, durch welche der Irrtum behauptet, die Sterblichen zu täuschen und zu berauben. Sichtbare Formen des Bösen sind stets den Strahlen der öffentlichen Kritik ausgesetzt gewesen, wohingegen gewisse versteckte Arten des Bösen und ihre Anschläge erst jetzt allmählich erkannt werden. Aber gerade durch das Aufdecken und Reinigen dieser geheimen Quellen des Verbrechens und der Verwirrung wird der Sieg der Wahrheit über den Irrtum besiegelt und die ewige Harmonie demonstriert. Das menschliche Gemüt muß von seinem Glauben an die Wirklichkeit und Wirksamkeit okkulter Kräfte befreit werden, Kräfte, die sich in dieser traurigen Zeit gegen irgendwelche demokratische Verfahrungsarten und gegen alle Mittel, die zum geistigen Fortschritt beitragen, zu verschwören scheinen.
Die Stimme der Wahrheit verkündet unserer Zeit eine Auffassung von Freiheit, die mehr bedeutet als bloße persönliche oder politische Unabhängigkeit; ja sie redet durch das Ideal, das unsere Führerin in Wissenschaft und Gesundheit dargelegt hat. Immer mehr lernen die Menschen einsehen, daß Freiheit nur dann das Recht bedeutet, zu handeln wie es einem beliebt, wenn man beliebt, richtig zu handeln. Obgleich nun die Vorstellung von Freiheit, die sich den Menschen unter dem Namen Demokratie darbietet, besser ist als die Vorstellung von politischer Knechtschaft, so ist sie doch noch nicht das Endziel, sondern nur ein Zustand, der die Gelegenheit zur Erlangung geistiger Freiheit bietet. Die Macht, welche für einen menschlichen Kanal zur Aufnahme der göttlichen Wissenschaft sorgte, sorgt auch für Kanäle, die der Menschheit unter freieren moralischen und politischen Verhältnissen diese Offenbarung zuführen.
In unserer Zeit ruft der Geist der Demokratie in der Wüste menschlicher Hoffnungen: „Bereitet den Weg des Herrn und machet seine Steige richtig!“ Elia muß tatsächlich zuerst kommen und durch eine große moralische Erweckung „alles zurechtbringen.“ Die Demokratie ist aber nicht der verheißene Erlöser, der die Menschheit befreien soll; sie ist nur der Vorläufer des Christus, der Wahrheit. Das, was nach menschlicher Auffassung im Kalender zuerst kommt, nimmt in der wissenschaftlichen Ordnung der Dinge die zweite Stelle ein. Johannes der Täufer erkannte den Messias erst, als Jesus, um „alle Gerechtigkeit zu erfüllen,“ sich im Jordan taufen ließ. In gleicher Weise muß die Kirche Christi, der Scientisten, als sichtbarer Vertreter der geistigen Idee mit dem Geiste der Demokratie getauft werden, ehe sie ihr höheres Werk der Erlösung unternehmen kann. Als musterbildlicher Vertreter menschlicher Einrichtungen muß die Bewegung der Christlichen Wissenschaft in ihrem Wachstum verschiedene Entwicklungsstadien durchmachen. Wie alle großen Bewegungen ist sie dem Leben einer inspirierten Person entsprungen, deren Anordnungen entscheidend waren, hat aber nun den Punkt erreicht, wo in den Zweig-Kirchen das demokratische Ideal sich in größerem Maße geltend macht; ja so manche Kirche ist aus der Arbeit eines Praktikers oder eines Lehrers hervorgegangen, dem die Leitung ihrer Tätigkeiten anvertraut wurde, bis die Demonstration des selbstlosen Verlassens auf das Prinzip die persönliche Führeschaft durch mehr wissenschaftliche Methoden ersetzen würde.
Die Kämpfe, welche der politischen Freiheit die Bahn geöffnet haben, prophezeien und versinnbildlichen den geistigen Kampf, der mit noch größerer Entschiedenheit gekämpft werden muß, und zwar unter dem Schutz demokratischer Einrichtungen und mit Waffen, die „nicht fleischlich“ sind, „sondern mächtig vor Gott, zu verstören Befestigungen.“
Wie Kolumbus nach Westen segelte, um einen besseren Weg nach dem Orient zu finden und dadurch eine neue Welt entdeckte, so findet das Ideal, das die Pilgerväter über den Altantischen Ozean führte und sie da die Bollwerke für die politische und religiöse Freiheit der Welt gründen ließ, seine Erfüllung in der Geburt der weltbefreienden Proklamation der Christlichen Wissenschaft, in welcher das Ziel der Demokratie in der geistigen Brüderschaft der Menschen offenbar wird, der Brüderschaft, die Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit so lebendig schildert, wenn sie sagt (S. 340): „Der eine unendliche Gott, das Gute, vereinigt Menschen und Völker; richtet die Brüderschaft der Menschen auf; beendet die Kriege; erfüllt die Schriftstelle: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst‘; vernichtet heidnische und christliche Abgötterei — alles, was in sozialen, bürgerlichen, kriminalen, politischen und religiösen Gesetzen verkehrt ist; stellt die Geschlechter gleich; hebt den Fluch auf, der auf dem Menschen liegt, und läßt nichts übrig, was sündigen, leiden, was bestraft oder zerstört werden könnte.“
