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Friede

Aus der Mai 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Christian Science Monitor


Friede und Materialität sind Gegensätze. Wer da glaubt, Friede in der Materie finden zu können, beweist dadurch, daß er das Wesen der Materie gänzlich verkennt. Friede ist offenbar ein abstrakter mentaler Zustand. Die Materie ist entweder ein subjektiver Zustand des menschlichen Gemüts, oder der Ausdruck einer von diesem Gemüt unabhängigen Kraft oder Energie; ja der rein materialistischen Anschauung zufolge ist Gemüt etwas in der Materie Bestehendes und von ihr Abhängiges. Irgendeiner dieser gegensätzlichen Anschauungen der menschlichen Philosophie gemäß ist der innere Friede des Menschen der Materie preisgegeben. Selbst nach den Lehren des Idealisten hat ein materielles oder sterbliches Gemüt, das die Veränderlichkeit der Materie webt, selber einen Zustand des Kampfes geschaffen, in welchen Friede undenkbar ist.

Wenn also das menschliche Gemüt Frieden haben will, so muß es sich offenbar von sich selber befreien. Mit anderen Worten, der Mensch muß aufhören, fleischlich gesinnet zu sein; er muß in dem Christus-Sinn Zuflucht suchen, in jenem Zustand der geistigen Gesinnung, der das gerade Gegenteil von der fleischlichen Gesinnung ist und den man sich nur in dem Maße aneignet, wie das menschliche oder sterbliche Gemüt mit seinen Bildern der Materie oder Disharmonie der Kundwerdung des ewigen, göttlichen Gemüts Raum gibt, der Kundwerdung, die der vermeintliche materielle Nebel verborgen gehalten hat. Letzterer ist die unvermeidliche Atmosphäre des menschlichen oder sterblichen Gemüts, dessen subjektiver Zustand die Materie ist.

Die Materie, wie bereits erwähnt, ist ein Zustand des Kampfes. Gerade die Behauptung des Naturwissenschafters, auf die er seine Lehre von der Unzerstörbarkeit der Materie gründet, macht solches unvermeidlich. Diese Behauptung lautet ungefähr wie folgt: daß die Materie ein Zustand der Veränderlichkeit ist, der Energie, wenn man so will, in der, oberflächlich betrachtet, alles zu sterben scheint, in Wirklichkeit aber in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Erhaltung auf eine gewisse Dauer in eine andere Form des Daseins übergeht. Diese Anschauung ist durchaus nicht neu. Schon der Chinese Tzu Li, der ein Anhänger des Lao-tse war, veranschaulichte sie, als er mit seinem Freund Tzu Lai über dessen Zukunft sprach. „Wahrlich, Gott ist groß!“ sagte er. „Was wird Er wohl aus dir machen! Glaubst du, Er wird dich in eine Rattenleber oder in eine Schlangenschulter verwandeln?“ Dreiundzwanzig Jahrhunderte später sprach Shakespeare den Gedanken aus, daß Cäsars Zukunft in einem Ziegelstein zu suchen sei. Ob man nun die Theorie Chuang Tzus, Shakespeares oder Thomas Huxleys annimmt, man gelangt auf diesem oder jenem Umweg zu irgendeinem sogenannten Gesetz des Kampfes, das den Menschen früher oder später, gewöhnlich früher als später, unter das Joch der Disharmonie bringt.

Aller Kampf bedeutet Krieg in irgendeiner Gestalt, und Friede ist erst dann möglich, wenn die Erkenntnis herrscht, daß das Gesetz des Kampfes gar kein Gesetz ist sondern nur eine falsche Auffassung von Gesetz. Huxley tut das in seiner berühmten Erörterung der Wunder auf sehr geistreiche Weise dar, indem er sagt, ein Wunder könne nie etwas anderes sein als die Entdeckung eines bisher unbekannten Gesetzes. In dem Maße wie das menschliche Gemüt diese Tatsache erkennt, beginnt es, seine eigene Sterblichkeit zum Ausdruck zu bringen, indem es sich selber ablegt, wie Paulus sagt, mit anderen Worten, indem es in seine natürliche Nichtsheit zergeht. Wenn nun dieses materielle Gemüt verschwindet, offenbart sich das göttliche Gemüt, das in der geistigen und daher auf ewig harmonischen Schöpfung zum Ausdruck kommt; und das Ergebnis ist, daß der einzig unzerstörbare und daher einzig wahre Friede uns zur Erfahrung wird. „Unsre falschen Lebensanschauungen,“ schreibt Mrs. Eddy auf Seite 62 von Wissenschaft und Gesundheit, „halten die ewige Harmonie verborgen und bringen gerade die Übel hervor, über die wir uns beklagen. Weil die Sterblichen an materielle Gesetze glauben und die Wissenschaft des Gemüts verwerfen, wird die Materialität dadurch nicht das erste, und das höhere Gesetz der Seele das letzte.“

Friede, wie die menschlichen Sinne ihn auffassen, ist somit nichts anderes als eine Periode mesmerischer Ruhe, die diese Sinne unter dem Gesetz des Kampfes genießen, es sei denn, der Friede stehe unter der Herrschaft der Wissenschaft des Gemüts. Für den Soldaten z. B. ist die Zeit zwischen den Kriegen eine Zeit des Friedens. Für den Fabrikarbeiter jedoch, der während der Zeit, wo der Soldat im Kriege war, einen hohen Lohn verdiente, mag ein solcher Friede vom ersten Tage an Arbeitslosigkeit, Streik und Aufruhr bedeuten. Der Soldat oder der Fabrikarbeiter ist auf einer Sommerwanderung in der freien Natur über den herrlichen Frieden der Landschaft entzückt. Aber plötzlich sieht er, wie sich ein Habicht auf sein Opfer stürzt, oder er hört, ohne Verdacht zu schöpfen, im Gebüsch das Geräusch des Wiesels, das seiner Beute nachschleicht. Kurz gesagt, Krieg ist die mentale Anerkennung der Wirklichkeit des Gesetzes des Kampfes, und er kann erst dann aufhören, wenn die Unwirklichkeit der Materie und somit des menschlichen oder sterblichen Gemüts demonstriert worden ist. „Unharmonische Annahmen,“ schreibt Mrs. Eddy auf Seite 251 von Wissenschaft und Gesundheit, „die Gemüt berauben, indem sie es Materie nennen, und ihre eignen Anschauungen vergöttern, führen sich selbst in dem gefangen, was sie schaffen. Sie stehen mit der Wissenschaft im Kampf, aber wie unser Meister sagt: ‚Wenn ein Reich mit ihm selbst uneins wird, mag es nicht bestehen‘.“ Dies ist Krieg im Himmel.

Natürliche kann es in einem Zustand vollkommener mentaler Harmonie keinen Krieg geben. In jenem Stadium relativer menschlicher Harmonie jedoch, das der Mensch erreicht, der sich aus der materiellen Nacht zum geistigen Tag hindurchkämpft, bieten sich ihm Zustände dar, zu denen er Stellung nehmen muß. Neutralität gegenüber dem Bösen ist eine wissenschaftliche Unmöglichkeit. In solchem Fall muß der Mensch, der etwas vom Prinzip versteht, sich denen anschließen, deren Verfahren dem Prinzip am nächsten kommt. Diejenigen, die einfach urteilen, wie die Welt urteilt, nehmen natürlich Partie je nachdem sie der Materie anhängen oder von ihr frei sind. Solche Kriege sind unvermeidlich in Anbetracht der niederen geistigen Fortschrittsstufe, auf der die Welt steht. Der radikale Materialist erblickt im Ergreifen der Waffen das einzige Mittel, um sein Ziel zu erreichen. Der Idealist ist gezwungen, ihn mit dem Schwert zu bekämpfen, aus dem einfachen Grunde, weil er kein besseres Mittel kennt, den Triumph des zügellosen Bösen zu verhindern. Wenn jedoch genug Menschen Jesu Lehren verstünden, so würde ihr Versändnis von der Unwirklichkeit der Materie Zwistigkeiten jeder Art unmöglich machen. Aber selbst Jesus behauptete nicht, daß geistiger Friede ohne Kampf — ohne den Kampf mit den Sinnen — erlangt werden könne. „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“

Wie gibt die Welt Frieden? Wer je darüber nachgedacht hat, muß es wissen. Sie gibt ihn durch jene Behaglichkeit in den Sinnen, die die Materie doppelt wirklich macht und auf diese Weise ihrem Opfer die materielle Annahme samt all den ihr innewohnenden Disharmonien immer fester anheftet. Dies war jedoch nicht Jesu Art. Er nahm seine Jünger von ihrem Heim weg. Er machte sie sozusagen zu Fremdlingen unter den Ihrigen. Er machte sie zu Ausgestoßenen, die die Welt verachtete und verfolgte. Zugleich aber zeigte er ihnen, wie sie die Nichtsheit eben dieser Prüfungen beweisen, die Kranken heilen, die Toten auferwecken und Menschenfischer anstatt Fischersleute werden konnten. Dies war der Friede, den ihnen Jesus gab — der Friede des Geistes, den keine Suggestion der Materie beeinflussen kann. Krieg mußte aus ihrem Bewußtsein verschwinden, sogar aus dem des ungestümen Petrus; denn die Materialität, der Vater aller Disharmonie, war vernichtet worden. Und an seiner Stelle herrschte „der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft.“

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