Jesus versprach uns den „Tröster“ zu senden, den „Geist der Wahrheit,“ damit dieser die Menschheit „in alle Wahrheit“ leite; und diesen Tröster definiert Mrs. Eddy deutlich als „die göttliche Wissenschaft“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 55). Hier haben wir einen Hinweis auf die umfangreiche Anwendung der Christlichen Wissenschaft im menschlichen Leben, nicht nur, um die Sterblichen von kranken Gedanken zu befreien und sie in einen physischen Gesundheitszustand zu versetzen, sondern auch, um sie zur Erkenntnis aller Wahrheit zu führen — mit anderen Worten, ihnen den Weg aus jeglichem Irrtum heraus zu zeigen.
Die Christlichen Wissenschafter werden zuweilen beschuldigt, einen engen Gesichtskreis zu haben, was in manchen Fällen begründet sein mag. Es gab eine Zeit, da viele von uns Gefahr liefen, auf einen sehr beschränkten Begriff von der Christlichen Wissenschafter zuzutreiben. Wir erkannten nicht so recht, was das Verhalten der Christlichen Wissenschafter den allgemeinen menschlichen Angelegenheiten gegenüber sein sollte. In der ersten Aufwallung einer neuen Begeisterung hielt sich so mancher Anfänger für geistig, um an weltlichen Angelegenheiten teilzunehmen, fragte sich aber nicht, wie das Licht der offenbarten Wahrheit jede Art der menschlichen Vorstellung durchdringen soll, wenn der Christliche Wissenschafter es nicht leuchten läßt. Diese etwas selbstsüchtige und selbstzufriedene Haltung wurde von Mrs. Eddy höchst wirksam getadelt, als sie vermöge ihres Scharfblicks und klaren Verständnisses die Aufgabe erkannte, die die Christliche Wissenschaft zu erfüllen hat, und demgemäß den Christian Science Monitor gründete.
Man könnte die Frage aufwerfen, was denn die Veröffentlichung einer täglichen Zeitung mit der Verbreitung der Christlichen Wissenschaft zu tun habe. Die Christliche Wissenschaft lehrt unbedingt die gänzliche Unwirklichkeit alles dessen, was die materielle Vorstellung von Menschen und Dingen in sich einschließt. Aber wie verhält es sich dann mit diesen täglichen Mitteilungen von menschlichen Ereignissen? Warum schenkt man der Kunst, der Literatur, den Finanzen, der Politik, dem Reisen, der Mechanik, dem Drama so große Aufmerksamkeit?
Einfach deshalb, weil das Bewirken der menschlichen Erlösung, insofern es in richtiger Weise geschieht, sich auf die ganze Menschheit erstreckt, auf alles, was diese zur jetzigen Zeit für nützlich hält. Daher muß dieses Erlösungswerk zur Aufklärung alles dessen beitragen, was die menschliche Tätigkeit veredelt. Obgleich ohne Zweifel die Christliche Wissenschaft nach menschlichem Ermessen beschränkt ist, weil sie alles, was nicht Gott wiederspiegelt, für unwirklich erklärt, so ist sie doch so umfassend, daß sie alles, was die Menschen nötig haben, in ihre Demonstration einschließt, denn sonst könnte sie nicht Trost und Heilung in alle menschlichen Zustände bringen.
Die Christlichen Wissenschafter dürfen sich nicht in einen Winkel zurückziehen und für sich allein geistig werden wollen. Wir sind die Reisegenossen unserer Nächsten auf dem Wege zu besseren Dingen. Wenn wir eher als andere einen Lichtblick von den Idealen der Wahrheit erlangt haben und auch wohl in gewissem Grade beweisen konnten, daß das Sein geistig ist, so ist es gerade deshalb unsere Pflicht, der übrigen Menschheit zu helfen. Wir sind noch weit davon entfernt, vollkommen zu sein. Das Höchste, was wir bis jetzt erfahren haben, ist zum größten Teil nur eine Verbesserung des Alten, und wir müssen uns in acht nehmen, nicht einen verbesserten Begriff für die geistige Wirklichkeit zu halten, welche erst noch erreicht werden muß.
Wenn daher der Schüler der Christlichen Wissenschaft konsequent sein will, darf er sich nicht von dem Tun und Treiben der Gegenwart fern halten. Die Ausarbeitung des allgemeinen menschlichen Problems liegt ihm ebenso nahe und geht ihn ebensowohl an wie seine mehr materialistisch gesinnte Nächsten, mit dem Unterschied, daß er sein Teil der Arbeit vom geistigen statt vom materiellen Standpunkt aus aufnimmt. Aber er arbeitet nichtsdestoweniger am Wohl der Allgemeinheit.
Die Hauptsache ist, daß das Problem der menschlichen Befreiung von der. Materie hier gelöst werden muß. Man kann es nicht los werden, bis es richtig gelöst ist. Hat nun der Christliche Wissenschafter den echten Gesichtspunkt eingenommen, so sieht er ein, daß alles, was in das sogenannte menschliche Problem mit eingeschlossen ist, nach den Lehren der Christlichen Wissenschaft ausgearbeitet werden muß, d. h. durch das Verständnis und die Demonstration der Christlichen Wissenschaft.
In „Pulpit and Press“ (S. 20) legt Mrs. Eddy die weitreichende und allumfassende Anwendbarkeit der Christlichen Wissenschaft dar. Hier nennt sie die christlich-wissenschaftliche Bewegung „die größte moralische, physische, bürgerliche und religiöse Reform, die die Welt je gesehen hat.“ Der Zweck und die Tätigkeit der Christlichen Wissenschaft ist also nicht nur religiöser Art, gemäß der gewöhnlichen Auffassung dieses Wortes, sondern schließt alles in sich, was zum menschlichen Wohl und zur menschlichen Förderung gehört. Dem Anfang einer geistigen Aufklärung im menschlichen Bewußtsein folgten stets Verbesserungen in materiellen Zuständen, ein höherer Maßstab der Sittlichkeit und eine bessere Regierungsform. Dieses Streben nach dem höchsten Ideal bedeutet demnach nicht Entwicklung, sondern Umwandlung; mit anderen Worten, die Menschheit bessert sich nur in dem Maße, wie sie der Materialität entwächst und Geistigkeit antut.
Wenn ein Mitglied Der Mutter-Kirche oder einer ihrer Zweige dies zugibt, so kann es nicht umhin, stets ein liebevolles Interesse an menschlichen Angelegenheiten zu nehmen, denn es weiß ja, daß diese Angelegenheiten nicht, wie manche glauben, außerhalb der Heiltätigkeit der Christlichen Wissenschaft liegen. Weil diese Wissenschaft die ganze Wahrheit enthüllt, umfaßt sie notwendigerweise die Berichtigung jedes Irrtums; daher muß man die richtige Anwendung ihrer Lehren als das Mittel gegen die verkehrten Zustände in der heutigen Welt erkennen lernen. Die Botschaft des Heilens, welche die Christliche Wissenschaft der Menschheit bringt, beschränkt sich nicht auf deren Schmerzen und Gebrechen, sondern schließt die Berichtigung alles Falschen mit ein.
Finanzielle, gesellschaftliche und bürgerliche Probleme, nationale und internationale Fragen, sittliche und religiöse Verbesserungen — dies alles fordert eine Erkenntnis der Wahrheit über Gott, den Menschen und ihre Beziehung zu einander. Die wahre Idee von Kraft, von Gesetz und von Regierung ist nötig — ja von allem, was sich auf den gegenseitigen Umgang der Menschen bezieht; und diese wahre Idee vom Menschen und von dem, was auf ihn Bezug hat, maß erst erworben werden, ehe Harmonie und Erfolg in irgendeiner menschlichen Beziehung oder Tätigkeit in der rechten Weise verwirklicht werden kann. Die Tatsache, daß diese demonstrierbare Erkenntnis der Wahrheit durch die Christliche Wissenschaft erworben werden muß und daß alle wahren Christlichen Wissenschafter sie in gewissem Grade besitzen, sollte unser gegenwärtiges Verhalten zu den sogenannten weltlichen Angelegenheiten in klarem Lichte erscheinen lassen.
Es ist somit klar, daß die Aufgabe der Christlichen Wissenschaft darin besteht, die allgemeine Anwendbarkeit der Wahrheit den Menschen aller Berufsarten bekannt zu machen. Es liegt ihnen ob, jedes Problem, das sich der Menschheit bietet, nicht auf der Basis der menschlichen Auffassung, sondern dem göttlichen Gesetz gemäß auszuarbeiten. Der Meister gründete das Christentum nicht nur, um einigen wenigen Kranken in Palästina körperliche Heilung zu bringen, sondern um der Menschheit den Weg zu zeigen, auf dem sie dem Irrtum entrinnen kann. Auch heute ist es nicht in erster Linie die Aufgabe der Christlichen Wissenschaft, den Sterblichen körperliche Heilung zu bringen, sondern ihnen durch Aufklärung über das Prinzip aus Schwierigkeiten jeder Art herauszuhelfen. Dieses Verständnis macht die Menschen gesünder und glücklicher und durchdringt all die Einzelheiten ihrer Tätigkeiten.
Mrs. Eddy schreibt in „Miscellaneous Writings“ (S. 235) folgendes über die Christliche Wissenschaft: „Diese Denkbewegung muß die Zeitalter vorandrängen.“ Dieser mentale oder geistige Antrieb, der bereits begonnen hat, muß fortdauern, bis das Bewußtsein der Menschen über das Materielle in die Freiheit und Freude und Unsterblichkeit des geistigen Seins emporgedrängt ist, so daß keine irrige Vorstellung mehr übrig bleibt, die die Menschen blind machen könnte für die Tatsachen des allgegenwärtigen Guten. Weil sich die Christlichen Wissenschafter dieser Dinge bewußt sind, weil sie erkennen, daß nur die Wissenschaft des Christentums die Menschen über die Selbstsucht und Sinnlichkeit des materiellen Daseins emporheben kann, sollten sie die Bedeutung der Abschiedsworte unseres Herrn klar erkennen lernen: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.“