In der Christlichen Wissenschaft ist Geduld eine den Charakter bildende Kraft und nicht ein Zustand der Untätigkeit. Sie ist etwas Höheres als Warten, als Zufriedenheit, als Resignation. Sie verwandelt müßiges Warten in tätiges Warten, teilnahmlose Resignation in nützliche Tätigkeit. Müßiggang und Untätigkeit sind von Geduld ebenso verschieden wie ein Klumpen Erde von einem Bienenstock. Überall wo der Fleiß Früchte getragen hat, hat die Geduld mitgewirkt. Die Lehre, daß Tätigkeit eine Eigenschaft der Geduld ist, ist keineswegs absonderlich; denn fordert nicht Paulus uns auf, zu „laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist“?
Wer oberflächlich urteilt, mag irrtümlicherweise Bewegung für Tätigkeit halten. Wenn dann Stillstand eintritt, wird ein solcher leicht ungeduldig und will etwas in Gang bringen, scheinbar ohne sich darum zu kümmern, ob sich die Dinge in der rechten Richtung bewegen oder nicht. Bloße Bewegung darf man nicht mit Fortschritt verwechseln. Mrs. Eddy sagt treffend: „Eifrig umherrennen ist kein Beweis, daß man viel vollbringt“ (Miscellaneous Writings, S. 230). Noch in jedem Fall, wo etwas von Wert durch Ungeduld zustande gekommen ist, wäre ein besseres Ergebnis durch Geduld erlangt worden. Ein Windstoß mag dem Bauern die Äpfel vom Baum schütteln; aber die Äpfel halten sich länger und sind mehr wert, wenn sie mit der Hand gepflückt werden.
Wir haben Warten so lange mit Geduld verbunden, daß diese beiden Begriffe beinahe gleichbedeutend geworden sind. Dies ist gewiß nachteilig, denn es hat Ungenauigkeit im Denken und im Ausdruck zur Folge. Warten ist keineswegs in höherem Maße ein Element von Geduld als von Ungeduld, denn man kann sowohl geduldig wie ungeduldig warten. Es ist leicht denkbar, daß Gott geduldig ist mit Seinen sündigen Kindern; glaubt man aber, Er halte inne und warte auf die Saumseligen, so bedeutet das, daß man seine Auffassung vom Prinzip auf eine Weise vermenschlicht, die nicht hilfreich und keineswegs berechtigt ist.
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