Der Dienst ist eine göttliche Idee. Er ist eine Idee des Gemüts, welches der einzige Ursprung der Inspiration, der Liebe, der Demut, der Reinheit, der Treue und der Beständigkeit ist — all der Eigenschaften, die den wahren Diener der Menschheit kennzeichnen. Sobald der Begriff Dienst von diesen Eigenschaften getrennt wird, ist er nur noch eine Fälschung des Göttlichen. Da der wahre Dienst eine göttliche Idee ist, so hat er nichts mit Knechtschaft gemein. Er kann niemals widerwillig, mürrisch oder eigennützig, sondern nur selbstlos, freiwillig und freudig geleistet werden. In ihm sind Demut und Macht vereint — Demut im Gehorsam gegen das Gesetz und erhaben in seiner Zuversicht und Ruhe. Wahrer Dienst ist keinem Wandel unterworfen, ist stets verläßlich. Er äußert sich in Mut und Ausdauer, in Unparteilichkeit, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Erbarmen, Liebe, Fülle und Reichtum; er ist allumfassend, unbegrenzt und kennt weder Müdigkeit noch Unterbrechung.
Die wahre Idee des Dienstes, wie die Christliche Wissenschaft sie offenbart, hat schon in so manchen Fällen viel zur Befreiung aus den Banden der Knechtschaft beigetragen. Je deutlicher der einzelne die richtige Idee vom Dienen erkennt, desto freier wird er von der niedrigen, selbstsüchtigen Auffassung desselben. Nach menschlichen Begriffen erlangen wir diese Freiheit nur allmählich; aber durch Beharrlichkeit und Treue gelangen wir zum Ziel. In dem Meister-Christen, Jesus von Nazareth, sehen wir das vollkommene Vorbild eines treuen Dieners. Er kam, um die Menschen von allem, was falsch ist, und somit auch von dem falschen Begriff des Dienstes zu erlösen. Die Selbstsucht rügte er mit den Worten: „Welcher unter euch will der Vornehmste werden, der soll aller Knecht sein.“ Ohne seine Bereitwilligkeit, der Menschheit zu dienen, wäre sein Wirken um nichts besser gewesen als das seiner vorgeblichen Nachfolger, die sich mit Predigen begnügen und offenbar nicht den Wunsch hegen oder nicht die Fähigkeit haben, das, was sie predigen, auch zu üben. Mrs. Eddy bestimmt den Wert seines Vorbildes in bewundernswerter Kürze, wenn sie in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 25) sagt: „Die Göttlichkeit des Christus wurde in der Menschlichkeit Jesu offenbar.“ Gewiß ist die Tatsache, daß sie in ihren Tagen eine so hoch geschätzte Dienerin der Menschheit war, größtenteils darauf zurückzuführen, daß sie den wahren Wert der Laufbahn Jesu erkannte. Die Welt fängt an, ihr Lebenswerk als ein wunderbares Beispiel treuen, selbstlosen, intelligenten, liebevollen Wirkens zum Wohl der Menschheit anzuerkennen. Ihr Dienst war wirkungsvoll und reich an herrlichen Erfolgen, weil er göttlich inspiriert war und selbstlos verrichtet wurde.
Zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, die bereit waren, nicht um des Lohnes willen, sondern aus reiner Nächstenliebe zu dienen. Dem wahren Dienst fehlt es jedoch nicht an der Belohnung. „Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein,“ sagt Jesaja, und es ist klar, daß es keinen wahren Dienst ohne die Inspiration von richtigen Idealen geben kann. Dieses Rechttun und die Belohnung dafür sind daher unzertrennlich. Der wahre Diener arbeitet nicht um der Belohnung willen, erhält sie aber nichtsdestoweniger. Er hat den Frieden, den die Welt weder geben noch nehmen kann. Die Belohnung des wahren Dieners der Menschheit besteht nicht in materiellen Dingen und ist weder von Menschen noch von Umständen abhängig. Wahrer Dienst wird „von dem Vater des Lichts“ belohnt, „bei welchem ist keine Veränderung“ und welchem es weder an Fähigkeit noch an Bereitwilligkeit fehlt, rechte Beweggründe und rechtes Tun zu belohnen. Die Erkenntnis dieser Tatsache seitens des Dieners hat immer zur Folge, daß er eine angemessene Belohnung für die ihm auferlegte Pflicht erhält.
Der besonnene und aufrichtige Diener wird weder sich selbst noch andere mit Worten ohne Taten täuschen. Schöne Worte ohne richtiges Leben sind nutzlos. Ideale haben keinen Wert, wenn sie nicht in der Praxis zum Ausdruck kommen. Eine bloße Theorie ist wertlos, es sei denn, sie werde bewiesen. Ideale geben die Inspiration, die Praxis liefert den Beweis. Jesus wandte seine geistige Erkenntnis praktisch an, indem er in jenen Tagen „allerlei Seuche und Krankheit im Volk“ heilte. Diejenigen, die Mrs. Eddys Schriften studieren, bemühen sich in der Regel, in Demut und Gehorsam dem Beispiel Jesu zu folgen. Sie sehen ein, daß sie nicht behaupten können, Nachfolger des Nazareners zu sein, wenn sie nicht bis zu einem gewissen Grade die Wahrheit seiner Worte beweisen: „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die ich tue.“ Die Diener Christi müssen ihren Gehorsam gegen das Prinzip durch das Überwinden von Krankheit und Sünde in Übereinstimmung mit der Christus-Methode dartun.
Es treten jedoch heutzutage andere Arten des Dienstes in den Vordergrund, die man gewöhnlich nicht als Heilverfahren bezeichnen würde, wiewohl sie im Grunde genommen nichts anderes sind. Tausende, ja Millionen haben augenblicklich Dienste genommen, um für die Freiheit zu kämpfen und zu wirken. Selbst zugegeben, daß es einige gibt, die sich von Furcht oder Zwang, oder aber von der Hoffnung auf Belohnung, Gewinn, Beförderung und Beifall haben beeinflussen lassen, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß die große Mehrheit „an der Front“ und „daheim“ selbstlos einem Ideal dient, dem Ideal der Freiheit. Diese treuen Diener der Menschheit, seien es Zivilpersonen, Soldaten oder Matrosen, finden ihren Lohn in dem Bewußtsein, ihre Pflicht getan zu haben. Die tapferen Männer, die willens waren, zu Land und zu Wasser alles zu opfern, was ihnen auf Erden lieb und teuer war, um die Freiheit zu schützen und die demokratische Regierungsform befestigen zu helfen, sind im wahrsten Sinne Diener der Menschheit. Der Offizier mit seiner Verantwortung und der Gemeine mit seinem willigen Gehorsam — beide sind Diener einer edlen Sache, und nichts kann sie der ihnen gebührenden Anerkennung und Belohnung berauben. Auch diejenigen, die daheim bleiben, ob sie nun einen angesehenen öffentlichen Vertrauensposten bekleiden oder in niedrigen Stellungen arbeiten, „um das Feuer auf dem Herde nicht ausgehen zu lassen“— auch sie sind treue Diener der Menschheit in ihrem gemeinsamen Bestreben, eine wahre und gerechte Sache zu unterstützen.
Ohne im geringsten das Streben derjenigen herabsetzen zu wollen, die auf andere Weise dienen, kann man in Wahrheit sagen, daß keine Art des Dienstes von größerem Wert für die Menschheit ist, als derjenige der stets zunehmenden Schar christlich-wissenschaftlicher Praktiker, die sich „in den Dienst der Verminderung des Bösen, der Krankheit und des Todes gestellt“ haben (Wissenschaft und Gesundheit, S. 450). Durch die Bemühungen dieser Diener der Menschheit wird die Welt beständig von allerhand Formen der Knechtschaft befreit. Der wahre Christliche Wissenschafter begnügt sich niemals mit einem Gefühl der Behaglichkeit in der Materie. Er macht stets kraft seiner geistigen Erkenntnis den Mesmerismus des materiellen Sinnes in dessen verschiedenerlei Phasen zunichte. Das Leben des wahren Christlichen Wissenschafters bedeutet beständige Tätigkeit. Er erkennt, daß er das Feld des ewigen Lebens bestellt, indem er Gott und seinen Mitmenschen dient. So findet auch er seinen Lohn; denn das Gesetz der Belohnung ist ein gerechtes Gesetz und muß ebensowohl in der christlich-wissenschaftlichen Praxis wie in allen anderen Formen nützlichen und notwendigen Dienstes zur Geltung kommen. Die größte Freude des ehrlichen Praktikers der Christlichen Wissenschaft besteht darin, daß er mit Mrs. Eddy übereinstimmt, wenn sie auf Seite 207 von „Miscellaneous Writings“ sagt, es sei ihr geistiger Lebenszweck, „der Menschheit die wahre Erkenntnis von der praktischen, wirkungsvollen Christlichen Wissenschaft tief einzuprägen.“