Ich bin so froh, daß ich heute meine Dankbarkeit gegen Gott für meine Heilung schriftlich zum Ausdruck bringen und hierdurch endlich einen längst gehegten Wunsch verwirklichen kann. Vor sieben Jahren, als ich mich der Christlichen Wissenschaft zuwandte, stand ich am Tor der Wahrheit und wartete darauf, eingelassen zu werden. Nachdem ich drei Jahre lang krank gewesen war und die verschiedensten Medizinen probiert hatte, waren meine Körperkräfte vollständig zerrüttet, und die einzige Hoffnung, die es noch für mich gab, war der Operationstisch. Die Operation wurde vollzogen und verlief nach Aussage der Ärzte günstig; aber sechs Tage darauf, gerade als ich hoffte, ich könnte bald aufstehen, erwachte ich während der Nacht mit heftigen Schmerzen. Das Blut schien sich in dem linken Bein oberhalb der Hüfte gestaut zu haben. Ich konnte weder stehen noch gehen, und nachdem ich einige Wochen, ohne Erleichterung gefunden zu haben, im Bett gelegen hatte, brachte man mich nach Hause zurück. Ich lag ungefähr sechs Monate auf einem Sofa, ohne alle Hoffnung auf Genesung. Während der ganzen sechs Monate konnte ich nichts anderes tun als lesen. Und so beschäftigte ich mich denn mit allerhand Büchern, Romanen und dergl.; aber nach Ablauf dieser Zeit fand ich kein Gefallen mehr an diesen Werken, denn sie schienen alle gleichen Inhalts zu sein.
Eines Tages grübelte ich darüber nach, wodurch ich mir wohl eine solche Strafe zugezogen haben mochte. Ich zählte mir alles auf, was ich Unrechtes getan hatte, und als ich dann der ausgestandenen Leiden gedachte, schien es mir als sei mir wirklich ein volleres Maß der Qual zuerteilt worden als mir zukam. Hiergegen lehnte ich mich auf, und hätte ich in dem Augenblick Gott von Angesicht zu Angesicht sehen können, ich hätte Ihm Vorwürfe gemacht. Es machte sich bei mir eben die alte Anschauung geltend, daß Gott Seine Kinder bestrafe; aber in diesem Augenblick veranlaßte mich der Gedanke an Gott, Ihn zu suchen. Ich ließ mir ein altes Gebetbuch geben, fand aber keinen Trost darin. Ich glaubte an die „Kraft des Gedankens“ (forza del pensiero) und an ein höheres Wesen — das war die einzige Religion, die mir aus meiner Jugendzeit übriggeblieben war. Jetzt aber sehnte ich mich nach etwas Höherem. Ich dachte, es müsse doch gewiß Bücher in der Welt geben, die von geistigen Dingen handelten, und solche zu finden, war mein sehnlicher Wunsch. Tags darauf brachte mir eine Frau eine Bibel, ich sagte ihr aber, ich möchte ein wissenschaftliches Buch haben. Hierauf erwiderte sie, die Bibel sei das beste Buch der Welt, und alle Wissenschaften seien mit Hilfe der Bibel entdeckt worden. Es schien mir jedoch, als würde es zu lange dauern, die Bibel zu durchforschen, und ich hatte es sehr eilig, Gott zu finden.
Ich fing mit dem ersten Buch Mose an, kam aber nicht weiter. Es schien mir, daß, wenn ich Gott nicht in diesem ersten Kapitel finden könnte, Er überhaupt nicht zu finden sei, denn hatte nicht Gott, als Er die Welt und alles was darinnen ist erschuf, auch den Menschen zu Seinem Bilde und Gleichnis erschaffen? Also mußte jenes Kapitel auch von Gott und von mir handeln. Es schien mir, als ob ich diese Worte mein ganzes Leben gekannt hätte, nur vermochte ich keine Beziehung zwischen Gott und mir zu entdecken. Darüber weinte ich, warf die Bibel auf die Erde, hob sie wieder auf, küßte sie, bereute es und wartete dann auf ein Zeichen. Es war mir, als sei ich tief unten in einer Grube, von vier Mauern umgeben. Oben war nur ein kleines Fensterchen, durch das ein Strahl des Sonnenlichts fiel, der die Grube erleuchtete. Und ich blickte nach oben, in der Hoffnung, herausgezogen und in das gesegnete Land der Freiheit geführt zu werden.
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