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Das Wesentliche bei der Bibelauslegung

Aus der Februar 1920-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der Hauptbeweis, daß die Heilige Schrift richtig ausgelegt wird, ist die bewußte Fähigkeit, die Kranken zu heilen. Wie gelehrt und wie aufrichtig man auch sein möge — wenn man keine praktische Kenntnis von dieser heilenden Macht der göttlichen Liebe besitzt, wird man die Heilige Schrift nicht ihrer christlich-wissenschaftlichen Bedeutung gemäß auslegen können. Theologen haben seit Jahrhunderten in der Bibel geforscht, ohne ihre heilende Botschaft zu erfassen. Sie haben in das Buch aller Bücher allerhand menschliche Meinungen hineingelesen, haben die Macht Gottes beschränkt und die menschliche Annahme gerechtfertigt, daß gerade die Dinge, die der große Meister als die „Werke des Teufels“ bezeichnete, wirklich und gesetzmäßig seien. Wäre dies nicht der Fall gewesen, dann würden die erklärten Nachfolger Christi das christliche Heilen niemals außer acht gelassen haben. Es gibt heutzutage unzählige ernste Christen, die wohl glauben, das christliche Heilen gehöre zu der Tätigkeit der Kirche Christi; da sie aber nicht imstande sind, die volle Bedeutung der Lehren des Meisters zu erfassen, geben sie sehr ungern zu, daß Mrs. Eddy diejenige war, die die verlorengegangene Kunst des Heilens entdeckt und der heutigen Welt wiedergegeben hat.

Ohne nun auf das beklagenswerte Versäumnis der heutigen Welt, die Gegenwart der heilenden Christus-Idee anzuerkennen, näher eingehen zu wollen, sei hier in Kürze auf die Grundannahmen hingewiesen, aus denen der Zweifel entspringt, ob Gott wirklich heilen könne und wolle. Erstens glaubt der erklärte Durchschnittschrist fest an die Materie, ja er geht sogar so weit, daß er erklärt, Gott habe die Materie erschaffen. Aber gerade in diesem Glauben an die Rechtmäßigkeit und Wirklichkeit dessen, was der Natur und der Gegenwart des Geistes widerspricht, besteht der Ungehorsam gegen das erhabene erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben,“ und dieses Verhalten schließt notwendigerweise die Erkenntnis der Allmacht des Geistes aus. Für den Christlichen Wissenschafter ist Materie gleichbedeutend mit Fleisch und Blut oder mit Leben in der Materie, und die Bibel lehrt sehr deutlich, daß „Fleisch und Blut,“ die Annahme, daß Leben in der Materie sei, „nicht können das Reich Gottes ererben.“ Von dem, was das Himmelreich des Geistes nicht erben kann, darf man gewiß keine Auslegung der wahren Bedeutung der Heiligen Schrift erwarten.

Mit anderen Worten, wer an der Annahme festhält, daß der Mensch sterblich sei, daß Gott Fleisch und Blut erschaffen habe, ist nicht imstande, die Bibel vom geistigen oder metaphysischen Standpunkte aus zu betrachten und kann daher anderen nicht die volle Bedeutung des Wortes Gottes auslegen. Er wird nur seine eigene beschränkte, menschliche Auffassung vom Wort darlegen. Wer den Namen Christi nennt, muß von der Sünde ablassen, muß sich über die Annahme erheben, daß Leben und Intelligenz in der Materie sei, denn sonst kann er die Bibel nicht mit Verständnis lesen. Er muß wenigstens einigermaßen die Unwirklichkeit des sterblichen Daseins erkennen, denn sonst hält ihn der Vorhang des Fleisches davon ab, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die buchstäbliche Darlegung von Gottes Wort ohne dessen geistige Bedeutung hat das Heilen der Menschheit jahrhundertelang unmöglich gemacht, und für viele Kirchenmitglieder ist dieses Wort nicht einmal mehr anziehend. Der Geist der Heiligen Schrift macht lebendig, die fleischliche Auffassung aber ist nichts nütze.

Im vierten Kapitel des Matthäus-Evangeliums lesen wir, daß der Teufel des persönlichen Sinnes dem Meister Stellen aus der Heiligen Schrift zitierte. Welcher Christ wollte aber behaupten, dieses Begebnis sei gleichwertig mit einer erleuchteten Auslegung der Heiligen Schrift? Wer wollte sich wegen einer Erklärung des Wortes Gottes auf diesen falschen Sinn, auf den Teufel verlassen? Der Christ weiß sehr wohl, daß Scheinheiligkeit, Neid, Haß, Rache, Wollust, Unehrlichkeit und Selbstgerechtigkeit nicht die Früchte des Geistes wiederspiegeln oder ausdrücken, ist aber in vielen Fällen nicht zu der Einsicht gelangt, daß die anerzogene Annahme, als ob Leben und Intelligenz in der Materie zu finden sei, der richtigen Auslegung und Einsicht die Tür verschließt. Unsere Führerin sagt sehr treffend in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 28): „Der feste Vorsatz, Geist im Bann der Materie zu halten, ist der Verfolger von Wahrheit und Liebe.“ Jesus wurde auf Grund dieser Streitfrage verfolgt und gekreuzigt, und nichts empört das fleischliche Gemüt heutzutage so sehr, wie die Demonstrationen des christlich-wissenschaftlichen Heilens, die den positiven Beweis liefern, daß die Materie nicht intelligent ist. Die Bibel lehrt ausdrücklich, daß das sogenannte Leben der Materie aufgegeben werden muß, wenn man das Verständnis von dem ewigen Leben erlangen will. Die Worte des Meisters: „Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden,“ weisen direkt darauf hin, und der Christliche Wissenschafter bemüht sich getreulich, eine falsche materielle Auffassung für den wahren geistigen Begriff vom Leben aufzugeben. Er weiß, daß er sich weder im Denken noch im Leben über die Annahme, daß Leben in der Materie sei, erheben kann, solange er fortfährt, an die Wirklichkeit der Materie oder der sogenannten materiellen Schöpfung zu glauben. Er weiß, daß des Menschen Sohn nicht in seinem Bewußtsein erhöht werden kann, solange er an einem körperlichen Begriff vom Leben festhält — so lange er an die Gesetzmäßigkeit des Menschen glaubt, „der Odem in der Nase hat.“

Die wirkliche Aufgabe des Christlichen Wissenschafters besteht darin, des Menschen Sohn zu erhöhen, in Übereinstimmung mit Jesu Worten: „Wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöht werden.“ Wo findet nun dieses Erhöhen statt und zu welchen Höhen führt es? Es geht in dem Bewußtsein jedes einzelnen vor sich und muß jene mentale Höhe erreichen, wo der Geist als die Vollendung und Substanz des Daseins und die Materie als die scheinbare Abwesenheit des Geistes erkannt wird. Wenn dieses Erhöhen stattgefunden hat, liest der Christliche Wissenschafter die Bibel von dem Standpunkte der Inspiration aus, und man kann ihm im Verhältnis zu der Reinheit seines Denkens die geistige Auslegung des Wortes Gottes anvertrauen. Diese Annäherung an den Standpunkt, von dem aus die Bibel geschrieben wurde, öffnet die Tür zu ihren bisher verborgenen Schätzen und wirkt anziehend auf alle, welche die Bibel von denen lesen hören, die da wissen, daß die Decke der Materie „in Christo aufhört.“

Wer der hungernden Menschheit Gottes Wort darbietet, wenn er die Bibel oder Wissenschaft und Gesundheit liest, muß sich die Frage vorlegen, die vor Alters Philippus dem Kämmerer vorlegte, als er diesen beim Lesen des Propheten Jesaja antraf: „Verstehest du auch, was du liesest?“ Mit anderen Worten, hast du des Menschen Sohn über die Annahme erhöht, daß Intelligenz in der Materie sei? Hast du die mentale Scheidelinie zwischen Gemüt und Materie, dem Wirklichen und dem Unwirklichen, gezogen? Wenn dem so ist, dann bist du bereit, an der wirklichen Taufe des Geistes teilzunehmen, in der du die Körperlichkeit aus dem Auge verlieren und auf die einzig mögliche Weise wissen wirst, „daß Jesus Gottes Sohn ist.“ Mit des Meisters Worten ausgedrückt: „Wenn ihr des Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, daß ich es sei.“ Ein solches Erkennen oder ein solches Verständnis bildet die Demonstration des christlichen Heilens, bei welcher der Herr das Wort „durch mitfolgende Zeichen“ bekräftigt.

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