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Wie wir vergeben

Aus der Mai 1920-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Im elften Kapitel des Markus-Evangeliums finden wir folgende äußerst bedeutungsvolle Worte: „Wenn ihr stehet und betet, so vergebet, wo ihr etwas wider jemand habt, auf daß auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Fehler. Wenn ihr aber nicht vergeben werdet, so wird euch euer Vater, der im Himmel ist, eure Fehler nicht vergeben.“ Hat dir jemand ein großes Unrecht angetan? War sein Benehmen unchristlich? So erscheint es dir, und du fragst dich daher, ob du das nur so ruhig hinnehmen müssest. Solltest du nicht dem Beleidiger seine offenkundigen Fehler vorhalten? Wir dürfen stets die Wahrheit erkennen, die den Irrtum vernichtet, und dem Vorstellungen machen, der uns unserer Meinung nach verletzt hat. Darfst du aber anderen gegenüber Kritik an ihm üben? Nein! Jesus war wohl der beste Kritiker, den die Welt je gekannt hat, und zwar war er es kraft seiner geistigen Erkenntnis. Mrs. Eddy war gleichfalls ein wunderbarer Kritiker, aber ihre Kritik wurde stets zu einem guten Zweck geübt. Es war eine Kritik, die das Gute vom Bösen schied, indem sie erkennen ließ, daß das Gute wirklich, das Böse hingegen unwirklich ist. Tatsächlich gibt es keinen Menschen, der wahrheitsliebend und rechtschaffen ist, ohne gleichzeitig ein guter Kritiker zu sein. Mit anderen Worten, er muß zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können. Dies muß jedoch vor allen Dingen im eigenen Denken geschehen und nicht dadurch, daß man jemand angreift oder über ihn redet. Das Böse ist keine Person, kein Ding. Wiewohl wir nun die Fehler eines anderen nicht vor unseren Nachbarn, Kirchenfreunden oder sonst jemand bloßstellen sollen, so können wir doch, wenn unsere Gedanken mit Liebe erfüllt sind, stets helfen, die Fehler der Welt zu verbessern, sei es durch offen ausgesprochenen Rat oder einfach durch das Erkennen und Denken der Wahrheit.

Jesus lehrte uns beten: „Erlöse uns von dem Übel.“ Er sagte nicht, wir sollten beten, daß wir von gewissen Personen erlöst werden möchten. Groll, Empfindlichkeit — Irrtum irgendwelcher Art ruft Krankheit und Unheil hervor. Jesus ließ niemals die Sünde oder den Teufel, wie die Sünde so oft genannt wurde, als etwas Wirkliches seine Gedanken erfüllen. Sein klares Erkennen der Unwirklichkeit aller Krankheit und Sünde vernichtete Krankheit und Sünde. Er bewirkte ihre Vernichtung auf Grund seiner vollkommenen Macht über sie. Seine Vernichtung der Sünde in den Gedanken bedeutete wahre Verzeihung und Vergebung; denn Sünde und Krankheit waren für ihn nicht wirklich, sondern sie bestanden nur als Annahmen. Sobald er sie vernichtet hatte, war dem Patienten seine Sünde vergeben und er war gesund, denn seine Sünden waren ausgetilgt — einschließlich der Sünde, die die Krankheit verursacht hatte.

Die Vernichtung der Sünde bedeutet wahres Vergeben und wahres Verzeihen. Wenn jemand sagt: „Ich vergebe dir,“ und fährt trotzdem fort, eine Wirklichkeit aus dem Bösen zu machen, so vergibt er nicht. Wer einem anderen das dieser ihm angetan hat, macht sich das Unrecht zur Wirklichkeit und wird früher oder später mehr zu leiden haben als derjenige, der an ihm gesündigt hat. „Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden.“ Offenkundige Sünden kann ein jeder sehen, besonders bei einer anderen Person; aber gerade die geheimen Fehler, die verborgenen Sünden in uns selbst sind nicht so leicht zu entdecken, es sei denn, man lebt sehr nahe dem Herzen der Liebe. Diese geheimen Sünden vergiften oft unser Denken, ehe wir es merken, und wir wundern uns dann, warum unsere Patienten nicht geheilt werden, oder warum wir selbst nicht eine gewisse Krankheit los werden können. Die Sünde, nicht so zu vergeben, wie wir wünschen, daß uns vergeben werde, ist sehr heimtückisch. Es mag uns harmlos vorkommen, wenn wir unseren Nächsten verdammen; und doch ist es eine gefährliche Sünde, eine Sünde, der alle Menschen mehr oder weniger zum Opfer gefallen sind; und wenn wir sie nicht meiden, geraten wir in die Brandung und erleiden Schiffbruch.

Falls die Versuchung an uns herantritt, über einen anderen abzuurteilen, wollen wir uns fragen: „Hätte ich es gern, wenn jemand so über mich dächte oder so etwas über mich aussagte?“ und wollen daran denken, daß wir vielleicht selber einer Sünde, möglicherweise vielen Sünden frönen, die ebenso schlimm sind wie die des Mitbruders, den wir verdammen. Und dann wollen wir schweigen und der Worte des Apostels Paulus gedenken: „Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der da richtet. Denn worin du einen andern richtest, verdammst du dich selbst; sintemal du ebendasselbe tust, was du richtest.“ Das Verdammen anderer führt nicht nur dazu, daß einem der Irrtum zur Wirklichkeit wird, sondern es bindet auch dem Mitbruder die Last immer fester auf, auch trägt es dazu bei, daß die bösen Annahmen in der Welt in Wirksamkeit bleiben. Der Ausdruck eines lieblosen Gedankens mag Verdammung bedeuten und möglicherweise die Folge einer falschen Anschauung sein, während unser Mitbruder vielleicht ganz unschuldig ist.

Jesus sagte einstmals: „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Mit anderen Worten, solchen, denen ihr vergebt, indem ihr erkennt, daß ihre Sünden unwirklich sind, wodurch ihr ihnen helft, von ihren Lasten frei zu werden — solchen sind die Sünden vergeben, d.h. sie sind vernichtet; und dies geschieht in dem Maße unserer Erkenntnis der Wahrheit und Liebe. Wenn wir solches tun, steigen wir geistig höher und helfen die Welt befreien. Wir können keine Sekunde unserer kostbaren Zeit dadurch vergeuden, daß wir vom Irrtum reden, es sei denn in der Absicht, ihn zu vernichten. Wenn man die Zeit, die man darauf verwendet, über die Fehler eines Freundes oder Nachbars zu reden, damit zubrächte, dessen gute Eigenschaften anzuerkennen, würde die Welt glücklicher und gesünder sein. Täten wir nicht wohl daran, uns aufs äußerste zu bemühen, uns von unserem Vater führen zu lassen und zu vergeben, wie wir wünschen, daß man uns vergebe?

In dem Maße, wie wir in diesen Dingen treu sind, d. h. wie wir jede böse Suggestion sofort verneinen und die Nichtsheit des Bösen jeglicher Art erkennen, befreien wir sowohl uns wie die ganze Welt von Sünde, Krankheit und Tod; in dem Maße können wir wahrlich beten: „Vergib uns unsere Schulden, wie wir unseren Schuldigern vergeben;“ in dem Maße werden uns unsere Sünden und Krankheiten von Gott vergeben, d. h. sie werden vernichtet. Möchten wir doch oft an Mrs. Eddys Worte in „Miscellaneous Writings“ (S. 107) denken: „Der Menschheit tut vor allem mehr Liebe not. Eine reine, konzentrische und selbstvergessene Zuneigung, die das Unrecht vergibt und ihm vorbeugt, sollte die Harfentöne menschlicher Liebe anschwellen.“

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