Als Christus Jesus, wie im Evangelium des Markus erzählt wird, zu den elf Jüngern, die am Tische saßen, die Worte sprach: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur,“ hatte er ohne Zweifel die Erlösung der ganzen Menschheit, ohne Unterschied der Rasse und der Nationalität im Sinne, denn die Worte „aller Kreatur“ können kaum dahin ausgelegt werden, daß irgendeine Rasse oder irgendein Volk abgesondert oder ausgeschieden werden soll. Und es ist offenbar, daß mit dem Evangelium, das gepredigt werden sollte, die Botschaft der Wahrheit, der Erlöser der Menschheit, gemeint ist.
In seinem Briefe an die Bewohner der Stadt Kolossä tut Paulus ebenfalls die Universalität des Christus dar, indem er klar hervortreten läßt, daß das vollkommene Ideal Gottes die ganze Menschheit, ohne Unterschied der Rasse oder Nationalität, erlösen wird. Er ermahnte sie daher nach dem Ebenbilde Gottes zu streben, in welchem „ist [weder] Grieche, Jude, Beschnittener, Unbeschnittener, Ungrieche, Szythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus.“ Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 467) tut Mrs. Eddy in dieser Frage einen wichtigen Schritt vorwärts und drückt sich darüber mit folgenden, nicht weniger bedeutungsvollen Worten aus: „Man sollte es von Grund aus verstehen, daß alle Menschen ein Gemüt, einen Gott und Vater, ein Leben, eine Wahrheit und eine Liebe haben. Die Menschheit wird in dem Maße vollkommen werden, wie diese Tatsache sichtbar wird, der Krieg wird aufhören, und die wahre Brüderschaft der Menschen wird begründet werden.“ Dieser Ausspruch weist auf die Brüderschaft der Menschen nicht nur als eine feste Tatsache hin, sondern er läßt auch klar hervortreten, was eine richtige Auffassung von Gott und dem Menschen zur Folge haben wird.
Mit der sich erweiternden geistigen Einsicht wird es dem Christlichen Wissenschaft klar, daß die wahre Brüderschaft der Menschen sich auf die Tatsache der Einigkeit der Kinder Gottes in Seiner Liebe aufbauen muß,— auf die Erkenntnis, daß in Ihm alle vollkommen sind. Dieses Verständnis wird die Schranken, die einzelne Menschen und Völker trennen möchten, niederbrechen. Das Gefühl der Uneinigkeit, das seine Ursache im Rassenunterschied, in der Verschiedenheit der Gebräuche, Sprachen, Erziehungsmethoden und Gewerbe hat, verschwindet mit der Offenbarung der Wahrheit des Seins, in welcher die wahre Natur des Menschen in seiner rechtmäßigen Beziehung zum Vater und zu seinem Nächsten erkannt wird. Wenn die geistigen Tatsachen sich geltend machen, treten selbst die mit Hindernissen zur Einigkeit strotzenden Landesgrenzen in den Hintergrund. Tolstoi hatte recht mit seinem Hinweis, als er sagte, daß der Patriotismus in seiner gewöhnlichen Auffassung viel zu beschränkt sei. In seiner wahren Bedeutung ist Patriotismus weit mehr als Gesinnungstreue gegen die Ideale eines einzelnen Landes,— wie vortrefflich dieselben auch sein mögen,— wenn diese nicht die schließliche Aufrichtung der Brüderschaft der Menschen zum Endzweck haben. Im richtigen Lichte betrachtet, ist Patriotismus nichts Geringeres als Gesinnungstreue gegen das unendliche Prinzip, die göttliche Liebe, und gegen die vollkommenen Ideen, die die weltumfassende Brüderschaft der Menschen in sich schließen.
Zivilisierte Völker setzen große Hoffnungen auf die kürzlich gemachten edlen Bestrebungen, auf dem Wege freundlichen Einvernehmens und Übereinkommens unter den Völkern, die Möglichkeit des Krieges durch die Verminderung der Mittel dazu zu beschränken, denn sie sehnen sich im großen und ganzen alle nach besseren Beziehungen untereinander, damit der Krieg mit seiner grausamen Ernte unmöglich gemacht werde. Die Aussichten auf gute Resultate als Folge solcher Einigkeitsbestrebungen sind vielversprechender denn je, und der Glaube verbreitet sich immer mehr, daß solche Bestrebungen, insofern sie sich auf das richtige Verständnis der Brüderschaft der Menschen gründen, erfolgreich sein müssen, das heißt, in dem Maße wie die Tatsachen des Seins durch das Verständnis Gottes und Seines vollkommenen Universums, einschließlich des Menschen, in die Erscheinung treten, wie die Christliche Wissenschaft lehrt. Mrs. Eddy legt die Sache auf Seite 470 von „Wissenschaft und Gesundheit“ mit folgenden Worten völlig klar: „Mit einem Vater, d.h. Gott, würde die ganze Familie der Menschen Brüder werden; und mit einem Gemüt, und zwar Gott oder dem Guten, würde die Brüderschaft der Menschen aus Liebe und Wahrheit bestehen und Einheit des Prinzips und geistige Macht besitzen, welche die göttliche Wissenschaft ausmachen.“
Um den Krieg völlig unmöglich zu machen, müssen dessen Ursachen,— Haß, Neid und Herrschsucht,— zerstört werden. Das bloße Vermindern des Kriegsmechanismus ist ungenügend, um den Frieden zu sichern; nichtsdestoweniger deuten die Bestrebungen neuester Zeit zweifelsohne auf ein regeres Verlangen nach gegenseitigem Verständnis und Wohlwollen und zweckmäßigerem Zusammenarbeiten unter den Völkern hin; und obwohl es wahr ist, daß Reform im Grunde nur durch die Hebung des einzelnen gefördert werden kann, so muß doch auch zugegeben werden, daß die Wahrheit durch den Nationalgedanken Ausdruck findet, der bereit ist, ihn aufzunehmen. Der Prophet Jesaja erschaute das Kommen des Reiches Christi in einer Vision des Friedens und der Glückseligkeit, die die Hoffnung derer, die ihre geistige Bedeutung zu erfassen vermochten, durch alle Zeitalter hindurch hochhielt. Er sah die frohe Zeit voraus, wenn die Völker dem allumfassenden Christus folgend, ihre Kriegsmaschinen beseitigen und „ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen“ werden. Alsdann wird der Krieg durch die Künste des Friedens ersetzt sein und die Brüderschaft der Menschen und die Vaterschaft Gottes in die Erscheinung treten. Dieser Friede, den der Prophet erschaute, hat Dichter zu dem Ausdruck ihrer höchsten Ideale angeregt. Mit Lied und Wort ist deren Segen besungen worden, und selbst das unbiegsame Metall und der harte Marmor haben sich unter der inspirierten Hand des Künstlers zu einem lebendigen Lobe ihrer Schönheiten gestaltet.
Wenn der Sauerteig des heilenden Christus seinen Weg in das Denken der Menschen findet, werden sich deren nationale Ideale nach und nach verbessern, und es wird sich zeigen, daß der Fortschritt der Zivilisation nicht durch gegenseitiges Bekämpfen, Selbstsucht oder Streit gefördert wird, sondern durch den Gehorsam gegen den Willen des gütigen Vaters, der in Christo alle vereinigt. Wenn auch etwas verspätet, wird es doch immer klarer, daß die Goldene Regel und die Bergpredigt sowohl auf die Angelegenheiten ganzer Völker als einzelner Menschen Anwendung haben, und darum können sich Völker ebensowenig wie einzelne Menschen der christlichen Verantwortlichkeit entziehen. Unsere verehrte Führerin, indem sie das Millennium als einen beständig fortschreitenden Gemütszustand bezeichnet, sagt auf Seite 239 von Miscellany: „Das Millennium ist ein Zustand und eine Stufe des mentalen Fortschritts, wie er von Anbeginn der Zeit vor sich geht. Sein Antrieb, durch das Erscheinen der Christlichen Wissenschaft erhöht, ist unverkennbar und wird sich steigern, bis alle Menschen, klein und groß, Ihn (die göttliche Liebe) kennen lernen und ein Gott und die Brüderschaft der Menschen in der ganzen Welt erkannt und anerkannt wird.“