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Völlige Zufriedenheit

Aus der Mai 1922-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Dass die Menschheit sich beständig aber vergeblich bemüht, eine volle Zufriedenheit zu erlangen, kann selbst dem oberflächlichsten Beobachter nicht verborgen bleiben. Ein vorübergehendes Glück genügt den Anforderungen nicht, denn volle Zufriedenheit ist notwendigerweise ein Zustand der Vollständigkeit, worin alle Wünsche erfüllt sind. Die Unfähigkeit, dieses Ziel zu erreichen, ist für den Menschen eine Quelle der beständigen Enttäuschung. Die Unruhe und fieberhafte Aufregung der Welt, die immerwährende Sucht nach Zerstreuung, das mühsame Arbeiten,— der ganze Kampf ums irdische Dasein,— gleichen einem endlosen Wirrwarr, das keinen Stillstand kennt. Von den Gesichtern Vorübergehender können wir sie ablesen, die Spuren des Leidens und der Enttäuschung, ja der Sünde, deren Joch in manchen Fällen die Augenscheinlichkeit des wahren Menschentums beinahe verwischt hat.

In diesen Strudel der Unzufriedenheit tritt nun die Christliche Wissenschaft und bietet mit ausgestreckter Hand und freudestrahlendem Angesicht allen, die sie annehmen wollen, ihre Hilfe an. Daß ihr kein besseres Willkommen zuteil wird, liegt hauptsächlich daran, daß das, was die Christliche Wissenschaft zu bieten hat, falsch beutrteilt wird. Außerdem ist es auch oft der Fall, daß Beobachter aus den Bemerkungen und Handlungen der Anhänger dieser Religion, von welchen manche das Studium erst begonnen oder nur oberflächlich betrieben haben, übereilte Schlüsse ziehen. Zum Beispiel sagte kürzlich jemand: „Mein Haupteinwand gegen die Christlichen Wissenschafter ist deren selbstzufriedener Gesichtsausdruck.“ Diese Kritik war unzutreffend, denn sie war eine Mißdeutung der „lebendigen Hoffnung,“ von welcher Petrus spricht.

Die Lehren der Christlichen Wissenschaft berechtigen in keiner Weise zu Arroganz, Hochmut, Eigendünkel oder Selbstgerechtigkeit, denn diese Eigenschaften hindern das Erlangen des Verständnisses von Gott, der allein in sich selbst vollständig ist. Ehe Vollkommenheit erreicht ist, hat niemand das Recht, sich ganz zufrieden zu fühlen. Aber es ist nicht unmöglich, die Zufriedenheit, die wir als Erben eines vollkommenen Vaters besitzen sollten, wenigstens in einem gewissen Grade zu genießen. Als Gott den Menschen Ihm zum Bilde schuf, muß es gewesen sein, wie Mrs. Eddy auf Seite 519 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt: „Die Gottheit war zufrieden mit ihrem Werk. Wie könnte sie auch anders als zufrieden sein, da ihr Erzeugnis, die geistige Schöpfung, der Ausfluß ihres unendlichen Selbstgenüges und ihrer unsterblichen Weisheit war?“

Da die göttliche Idee allein völlige Zufriedenheit verbürgt, kann ein Schüler der Christlichen Wissenschaft nicht aufrichtigerweise den Eindruck erwecken wollen, daß er völlige Zufriedenheit sein eigen nennt, bis die letzte Demonstration gemacht und der letzte Feind überwunden sein wird. Nichtsdestoweniger ist es ein großes Vorrecht, das Glück und den Einfluß der heilenden Macht zu erfahren, die als Resultat des Bemühens, Gott als gegenwärtig zu erkennen, dem Menschen zuteil werden; und alle wahren Christliche Wissenschafter drücken dieses Glück in ihrem Wesen aus. Sie kennen die Aufgabe, der sie gegenüberstehen, sehr wohl, und in dem Maße, wie sie deren ungeheure Tragweite erfassen, bemühen sie sich täglich, in Übereinstimmung mit den Glaubenssätzen der Christlichen Wissenschaft „barmherzig, gerecht und rein zu sein“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 497). Niemand, der nach diesen Eigenschaften strebt, kann mit sich selbst völlig zufrieden sein, aber die Ausübung derselben muß sich unfehlbar in den Gesichtern und dem Benehmen der Nachfolger Christi wiederspiegeln.

Sobald wir in Selbstgefälligkeit verfallen, können wir sicher sein, daß wir unser wahres Lebensziel aus den Augen verlieren und des göttlichen Ursprungs des Menschen nicht eingedenk sind. Eine vollkommenere Zufriedenheit kann uns nur durch eine vollkommenere Wiederspiegelung der göttlichen Weisheit zuteil werden. Wer nach dem göttlichen Heilen strebt, kann sich daher nicht zufrieden geben, bis eine jede Demonstration gemacht ist. Es ist aber trotzdem Pflicht aller Christlichen Wissenschafter, freudig nach dem Ziel der Vollkommenheit zu streben. Sicherlich können wir uns alle bemühen, das, was die Bekundung von Gottes geistiger Schöpfung verhüllen möchte, aus unserem Wesen auszuscheiden.

Das Gefühl geistiger Vollkommenheit kommt allmählich, und wir geraten zuweilen in Versuchung, uns allzuleicht zufriedenzugeben. Zum Beispiel brüsten sich manchmal Patienten, die nur teilweise geheilt sind, mit einer völligen Heilung, in dem Glauben, daß es sich so verhält. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß eben dieser Mangel an richtiger Einschätzung dessen, was physische und moralische Vollkommenheit darstellt, zum großen Teil für die Kritik gegen die Christlichen Wissenschafter verantwortlich ist, die gerechterweise hervorgerufen wird. Auch unterlassen wir es bei der Zeugnisabgabe oft, klar hervortreten zu lassen, daß wir uns, um Gott völlig wiederspiegeln zu können — welche Wiederspiegelung der vollkommene geistige Mensch in vollkommener Gesundheit, Weisheit und Güte sein muß— der Notwendigkeit eines höheren Strebens bewußt sind, was zur Folge hat, daß manche Beobachter sich von der Christlichen Wissenschaft abwenden. Ein dankbares Anerkennen der bereits erhaltenen Segnungen ist allerdings für den geistigen Fortschritt unerläßlich, und es dient denen, die an Krankheit und Sünde leiden, zur Verheißung und Ermutigung. Die Christlichen Wissenschafter sind somit in der Lage, der Menschheit zu helfen, den besseren Weg zu finden, besonders wenn sie dabei freudig und demütig vorgehen.

Das selbstsüchtige Verlangen, das einen Christlichen Wissenschafter dazu verleiten möchte, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, um da das Glück geistigen Schauens allein zu genießen, ohne sich zu bemühen, es anderen zugänglich zu machen, kann ihm keine Befriedigung bringen, sollte es vorübergehend auch den Anschein haben. Ein zeitweiliges Sichzurückziehen, um sich für höhere Arbeit vorzubereiten, ist wohl oftmals nötig, aber ein Sichzufriedengeben mit einem Gefühl der Ekstase, einem träumerischen Außerachtlassen der Irrtümer des täglichen Lebens, ohne denselben entgegenzutreten und sie zu überwinden, ist nicht viel weniger als krasse Selbstsucht und selbstgefälliges Pharisäertum.

Viele von den Nachfolgen der Christlichen Wissenschaft haben sich derselben aus einem der zwei nachfolgenden Gründe zugewandt: entweder weil sie mit ihrem eigenen religiösen Leben unzufrieden waren oder weil ihr Gesundheitszustand zu wünschen übrig ließ. Für beide Zustände hat sich das Studium der Christlichen Wissenschaft als höchst zufriedenstellend erwiesen.

Durch alle Zeitalter hindurch sind Spuren da, daß die Menschen sich stets bemüht haben, etwas anzubeten, und je mehr die Erkenntnis der Menschheit zunahm, desto unzufriedener wurde sie mit einer unbeweisbaren Religion. Die Theologie, das Dogma und der Ritualismus befriedigten sie nicht. Ein Sehnen, unseren Vater, Gott, kennen zu lernen, machte sich geltend. Theoretische Glaubenssätze und Dogmen genügten nicht länger. Als dann die Christliche Wissenschaft zu lehren begann, daß die göttliche Gegenwart heute ebenso sicher bewiesen werden kann, wie in jenen Tagen als Christus Jesus die Kranken heilte, hörte der müde Theologe auf, nach der dogmatischen Versöhnung zu suchen und fand in dem Kapitel „Versöhnung und Abendmahl“ in „Wissenschaft und Gesundheit“ die Möglichkeit seiner gegenwärtigen beweisbaren Versöhnung mit Gott. Zu denen, die jedes den Ärzten bekannte Mittel versucht hatten und als hoffnungslos verloren betrachtet wurden, kam die Christliche Wissenschaft mit Heilung unter ihren Flügeln. Ist es erstaunlich, wenn der Sucher nach Wahrheit einen Gesichtsausdruck des Friedens hat? Und ist es erstaunlich, wenn der hilflose Kranke, der sich gesund von seinem Lager erheben konnte, vor Freude jauchzt?

Kürzliche Ausgrabungen in den Katakomben Roms sollen die erstaunliche Tatsache ans Licht gebracht haben, daß nirgends in diesen Gewölben der Christen, Inschriften über Leid und Tod zu finden sind. Das Evangelium ihres Meisters war Freude und Friede, und es fehlt nicht an Bildern, wo ihre Gesichter leuchteten wie dasjenige des heiligen Stephan in seinem Märtyrertum. Der Ausdruck des Glücks, der das Resultat des geistigen Verständnisses und der sich daraus ergebenden Fähigkeit der Demonstration der heilenden Macht der Wahrheit ist, hat volle Berechtigung. Nichtsdestoweniger ist sich jeder wirkliche Christliche Wissenschafter der Notwendigkeit bewußt, das Selbst, jetzt und für alle Zeiten, dem Prinzip zu opfern. Indem er jeder Versuchung der Selbstverherrlichung Herr zu werden sucht und in Demut und Liebe die Dankbarkeit der Geheilten entgegennimmt, bestrebt sich der Christliche Wissenschafter dem Beispiel des Psalmisten zu folgen: „Ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit; ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde.“


Wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig. Darum wachet; denn ihr wisset nicht, welche Stunde euer Herr kommen wird.— Matth. 24:13, 42.

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