Manchmal hört man fragen, warum es nötig sei, sowohl einer Zweig-Kirche als auch Der Mutter-Kirche beizutreten; warum die Mitgliedschaft entweder in der einen oder in der andern nicht als genügende Anteilnahme an der christlich-wissenschaftlichen Bewegung gelte. Wer so fragt, hat die richtige Beziehung zwischen den Zweig-Kirchen und Der Mutter-Kirche noch nicht erfaßt. Die Mutter-Kirche ist mit der Mutter-Rebe zu vergleichen, die Zweig-Kirchen sind ihre Zweige. Diese können in keiner Weise an die Stelle Der Mutter-Kirche treten; sie können auch nicht von ihr getrennt werden. Die eine ist zur Vollständigkeit der andern unentbehrlich.
Die Christliche Wissenschaft ist das zweite Kommen Christi; sie ist der Tröster, dessen Wiederkommen Jesus verhieß, als er sagte: „Aber der Tröster, der heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe”. Wenn die Christlichen Wissenschafter dies einsehen, ist es ihr sehnlichster Wunsch, alles, was sie gelehrt wurden, mit anderen zu teilen. Dann schließen sie sich in Kirchengemeinschaften zusammen. Mrs. Eddy sagt uns im Kirchenhandbuch (S. 17), daß es der Zweck der christlich-wissenschaftlichen Kirche sei, „das ursprüngliche Christentum und sein verloren gegangenes Element des Heilens wieder einzuführen”. Wenn Die Mutter-Kirche die ganze Erde bedecken könnte, wären Zweig-Kirchen nicht nötig; da dies aber räumlich unmöglich ist, muß dem Bedürfnis des Feldes durch das Gründen von Zweig-Kirchen abgeholfen werden, die sich natürlicherweise unter bestimmten, den örtlichen Verhältnissen angepaßten Formen, aber immer in vollkommener Übereinstimmung mit dem Handbuch Der Mutter-Kirche, selbst verwalten müssen.
Der Mutter-Kirche als Mitglied beitreten, heißt also, mit der größten in der Welt heute tätigen sittlichen Kraft sich verbinden. Doch die Mitgliedschaft dieser Kirche bedeutet weit mehr als in der Mitgliederliste stehen und den Kirchenbeitrag pünktlich bezahlen. Wenn man in ein Heer eintritt, gehört man nicht nur zum Heer als Ganzes sondern auch zu einer Kompagnie dieses Heeres, wo man in ihm einen Einheitsdienst leistet. Ebenso sollte der, der sich Der Mutter-Kirche anschließt, seine Bereitwilligkeit zeigen, zur rechten Zeit ein Mitglied „im Geist und in der Wahrheit” zu werden, indem er einer Zweig-Kirche beitritt. Dies gilt auch für den umgekehrten Weg. Wenn man die Ausarbeitung der Kirchenmitgliedschaft damit beginnt, daß man zuerst einer Zweig-Kirche beitritt, wie es üblich und wenn möglich auch vorzuziehen ist, so würde die Kirchenmitgliedschaft nicht eher vollständig sein, als bis man sich Der Mutter-Kirche angeschlossen hat. Hätte es einen besseren Weg gegeben, um der Welt die Wahrheit über das zweite Kommen Christi mitzuteilen, als durch die von Mrs. Eddy gegründete Kirche, so hätte sie ihn uns sicher gezeigt, denn sie arbeitete unter göttlicher Führung.
In der Christlichen Wissenschaft finden wir, daß unsere Stärke unser Verständnis von des Menschen Einssein mit Gott ist, und in Gemeinschaft mit unseren Brüdern bemühen wir uns, dieses Einssein zu demonstrieren. Die christlich-wissenschaftliche Kirche, die im Gehorsam gegen ihr göttlich eingegebenes Handbuch arbeitet, bietet uns die Mittel, womit wir des Menschen Einssein oder Einheit mit Gott besser demonstrieren können, als es heutzutage irgend eine andere Form der Betätigung auf der Erde kann. In dieser Kirche lernen wir mit anderen zusammenarbeiten und die Rauheiten der Selbstsucht abschleifen; und wenn wir dies so weit vollbracht haben, daß wir die Wahrheit alle mit einander ausrufen können, dann werden die Mauern Jerichos einstürzen.
Zuweilen wird die listige und irrige Ansicht vorgebracht, daß vielleicht jetzt die Zeit gekommen sei, wo keine Kirchen mehr nötig seien. Fast in allen Fällen zeigt es sich immer, daß derjenige, der sie vorbringt, entweder in seinem Denken zu träge ist, um sich zu entschließen, der Menschheit dadurch zu helfen, daß er sich einer Kirche anschließt, oder es noch nicht fertig gebracht hat, das eigene Selbst genügend zu überwinden, um mit seinen Mitmenschen harmonisch zusammenarbeiten zu können. Diese Behauptung ist nichts mehr und nichts weniger als die Einflüsterung der Schlange, des sterblichen Gemüts, das keinen höheren Wunsch hat, als die Bewegung der Christlichen Wissenschaft scheitern zu sehen.
Der wachsam auf der Hut bleibende Christliche Wissenschafter weiß, daß die materiellen Bauwerke, die wir Kirchen nennen, für ihn erst verschwinden, wenn er sich so weit erhoben hat, daß er nur geistig anstatt materiell sieht. Der materielle Bau ist nur ein Sinnbild der wirklichen Kirche, wie der sogenannte materielle Körper ein falscher Begriff des Menschen ist. Beide werden in dem Maße, wie die Menschheit im geistigen Verständnis fortschreitet, abgelegt. Das Überwinden aller materiellen Annahmen geschieht nur durch das angestrengte Bemühen, jeden Gedanken mit „dem Bilde, das dir auf dem Berge gezeigt ist”, in Einklang zu bringen. Während es auch wahr ist, daß wir, um von dem Standpunkt des Prinzips aus zu arbeiten, die geistigen Tatsachen hier und jetzt behaupten müssen, so können wir doch nicht die vollständige Ernte dieser Tatsachen beanspruchen, solange wir nicht die nötigen dazwischenliegenden Schritte getan haben. Darum ist die Behauptung, daß die Zeit gekommen sei, wo wir Kirchen entbehren können, ein Versuch, dem ordnungsmäßigen Verlauf der geistigen Entfaltung voraus zu eilen. Gegenwärtig können wir die Ausbreitung unserer großen Bewegung nur durch die richtig organisierten und berechtigten Kanäle Der Mutter-Kirche ordnungsmäßig und erfolgreich fördern. Mrs. Eddy sagt uns in unserem Lehrbuch, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 457): „Man kann sein Feuer nicht verstreuen und zur selben Zeit das Ziel treffen”.
Vielleicht wird eingewendet, Wachstum bedeute Entfaltung, und dies sei durch Forschen in der Bibel und im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft zu erlangen, selbst wenn man einer Kirche nicht angehört oder ihre Gottesdienste nicht besucht. Ja, damit hat man bis zu einer gewissen Grenze recht. Aber die Zeit kommt, wo es, nachdem man immer empfangen hat, nötig wird, daß man auch gibt. Was würden wir von einem hochbegabten Musikkünstler denken, der seine schönen Harmonien nicht auch anderen zukommen lassen würde, oder von einem großen Dichter, der die Gabe hat, Tausende von Menschen mit seinen bezaubernden Botschaften emporzuheben, wenn er nur für seinen eigenen Genuß schreiben würde? Was hätte es genützt, wenn unser Meister sein Friedensevangelium seinen Jüngern und der Volksmenge an den Ufern des galiläischen Meeres nie hätte zuteil werden lassen? Durch seine tiefe Erkenntnis der Allheit Gottes und der Nichtsheit der Materie hätte er sich der Kreuzigung entziehen können; aber er tat es nicht! Er zog es lieber vor, die christliche Wahrheit sowohl für seine Zeitgenossen als auch für die kommenden Geschlechter zu demonstrieren. Er zog es vor, sein geistiges Erschauen des Christus mit anderen zu teilen, anstatt es selbstisch für sich zu behalten. Dies müssen auch wir tun, die wir in dieser Zeit weit mehr gesegnet worden sind, als wir bis jetzt erfaßt haben. Wir müssen unser geistiges Innewerden des Christus, der Wahrheit, mit unserem hilfsbedürftigen Bruder teilen. Dies können wir am besten durch eine vollständige Ausarbeitung unserer Kirchenmitgliedschaft und durch heilige Hingebung zu dem tun, was diese Mitgliedschaft bedeutet.
Auf Seite 177 von Miscellaneous Writings sagt Mrs. Eddy: „Nie ist eine so feierliche und gebieterische Aufforderung zu einer inbrünstigen Gottesverehrung und unbedingten Hingabe an die größte und heiligste Sache ergangen, wie sie Gott heute an uns alle richtet. Die Stunde ist gekommen. Wir stehen vor der Schlacht von Harmagedon”. Und sie sagt weiter: „Was gedenkt ihr in der Sache zu tun? Wollt ihr euch ebenso ernstlich für die Wahrheit einsetzen? Wollt ihr euer oberflächliches Eifern aufgeben und wirkliche und ganz ergebene Streiter Gottes werden? Wollt ihr euch gänzlich und unwiderruflich dem großen Werk der Aufrichtung der Wahrheit, des Evangeliums und der Wissenschaft widmen, die zur Erlösung der Welt vom Irrtum, von Sünde, Krankheit und Tod nötig sind? Antwortet sofort und verständlich, und antwortet richtig!”
 
    
