Geistiger Scharfsinn ist etwas sehr Wünschenswertes; denn alle, die von dieser Fähigkeit Gebrauch gemacht haben, haben viel Gutes tun können. Unter der Führung Gottes, des göttlichen Gemüts, ist ihr Leben mit Seiner Absicht in Übereinstimmung gekommen. Die Bibel bezeugt die Errungenschaften vieler Hebräer, die in hervorragendem Maße geistigen Scharfsinn bekundeten. Die Propheten und auch andere, die nicht als Propheten angesehen werden, waren von dem Geiste der göttlichen Liebe und von geistigem Scharfsinn durchdrungen. Weil sie von dieser geistigen Gabe Gebrauch machten, sind ihre Äußerungen und Taten in den biblischen Berichten erhalten geblieben.
Geistiger Scharfsinn ist sehr verschieden von dem, was manchmal als Scharfblick angesehen wird. Christus Jesus nahm auf wahren Scharfblick Bezug, als er sagte: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein”. Mit diesen wenigen Worten wies er nicht nur auf das Wesen wahren Scharfblicks hin, sondern er zeigte auch klar, was nötig ist, um ihn zu genießen. Das sogenannte Erkenntnisvermögen des fleischlichen Gemüts, das Finsternis ist, ahmt die Intelligenz des göttlichen Gemüts nach. Geistiger Scharfblick sieht nur das Gute als wirklich und stellt dadurch das Böse als unwirklich und machtlos bloß. Durch zweckdienliches Aufdecken und Berichtigen von Irrtümern und Fehlern mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft beweist man sein Verständnis der Wahrheit des Seins.
Im ersten Kapitel des Buchs Nehemia in der Bibel ist berichtet, daß der in Gefangenschaft lebende große jüdische Vaterlandsfreund Nehemia von der Not seiner in Jerusalem und der Umgebung der Stadt wohnenden jüdischen Brüder erfuhr. Als er später, wie in diesem anregenden Buche berichtet ist, den Bau der Mauer um Jerusalem fast vollendet hatte, führten ihn seine Feinde Tobia und Saneballat durch ihre Vertreter mit Vorspiegelungen in Versuchung. Nehemia entdeckte die Heimtücke dieser List, wie aus seinen eigenen Worten hervorgeht: „Denn ich merkte, daß ihn Gott nicht gesandt hatte. Denn er sagte wohl Weissagung auf mich; aber Tobia und Saneballat hatten ihm Geld gegeben”. So setzte geistiger Scharfblick Nehemia in den Stand, sich durch Gebet Gottes Schutz zunutze zu machen und sein nützliches Werk zu Ende zu führen.
Die babylonischen Erorberer, die Jerusalem belagert hatten, führten listigerweise einige der Tüchtigsten und Vornehmsten des Volkes in Gefangenschaft. Doch selbst in der Gefangenschaft äußerten sich die Propheten klar und unerschrocken und bewiesen damit, daß geistiger Scharfsinn durch vorübergehende Erscheinungsformen menschlicher Erfahrung nicht getrübt werden kann, wenn man sich ihnen nicht unterwirft und sie nicht für wirklich hält. Der bleibende Wert der Geistigkeit ist darin zu sehen, daß diese prophetischen Äußerungen der Menschheit heute noch helfen, weil geistige Wahrheit immer neu und in jedem Zeitalter lebenskräftig ist.
Unsere verehrte Führerin Mary Baker Eddy besaß geistigen Scharfsinn in außergewöhnlichem Maße. Durch ihr inständiges Beten und fleißiges Sichvertiefen in die Bibel fand sie die „köstliche Perle”. In einer in der Hawthornehalle in Boston gehaltenen Predigt, von der Auszüge in „Miscellaneous Writings” enthalten sind, betonte sie die Notwendigkeit, die Bibel zu verstehen; denn wir lesen (S. 169): „Die darin gelehrten Wahrheiten müssen geistig erkannt werden, ehe wir ihre Botschaft völlig in Herz und Gemüt aufnehmen können”.
Die Christliche Wissenschaft segnet die Menschheit heute in reichem Maße. Um aber zu verstehen, was sie vollbringt, müssen wir unsere Anschauungen beständig erweitern. Die Wahrheit wirkt im einzelnen menschlichen Bewußtsein erneuernd, heilend und segnend. Sie stellt das heimtückische Treiben des fleischlichen Sinnes bloß, der durch seine irrigen Gebräuche und Verfahren seine selbstsüchtigen Ziele zu erreichen sucht. Die Christliche Wissenschaft belebt die köstliche Fähigkeit, das Gute zu erkennen und auszudrücken, und befähigt gleichzeitig das erweckte Denken, den Irrtum, der sich dem Guten anscheinend zu widersetzen sucht, aufzudecken und zu vernichten. Die verschiedenen Gebiete der christlich-wissenschaftlichen Bewegung, das Heilen, das Lehren und ihre vielen Wirkungskreise fördern diese Fähigkeit, weil sie die Verfügbarkeit ihrer göttlichen Quelle, der allgegenwärtigen Liebe, hervorheben. Diese Arbeit ist möglich und trägt Frucht, weil sie von Gott ist.
Im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt unsere Führerin (S. 505): „Geistiger Sinn ist das Erkennen des geistig Guten”. Hier gibt sie das grundlegende Heilmittel für die Leiden der Menschheit. Dieses Erkennen ist bei aller Heilarbeit der Christlichen Wissenschaft wesentlich. Es deckt den Irrtum auf, der der Annahme nach Krankheit verursacht. Es bringt die ursprüngliche Harmonie des Seins, die der Mensch in Gottes Ebenbild ausdrückt, ans Licht. Die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft befähigt ihre Schüler, die Zeichen der Zeit heute recht zu lesen. Sie gibt allen, dem Geschäftsmann und der Geschäftsfrau, dem Gelehrten, dem Staatsmann, dem Lehrer, der Hausfrau, den geistigen Scharfsinn, den sie zum rechten Leben nötig haben. Wenn wir Gottes Gegenwart und Macht völliger erkennen, werden wir diese unschätzbare Fähigkeit gewohnheitsmäßig anwenden. Wir nehmen in dem Maße an Scharfsinn zu, wie wir willens und bereit sind, darum zu beten und dafür zu arbeiten.
