Viele Menschen glauben nur an ein materielles Dasein. Auch der Durchschnittsgläubige hält den Menschen für körperlich und ist der Auffassung, daß er aus Gehirn, Blut, Knochen usw. besteht. Er beruft sich hierbei auf die Bibelstelle (1. Mose 2:7): „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.“ Auch ist der Durchschnittsgläubige der Auffassung, daß der Mensch Geburt, Wachstum, Reife und Verfall durchmachen muß. Und dann glauben viele, daß beim Tode die Seele den Körper verläßt, und nun, falls sündlos, Aufnahme im Himmel findet, oder, falls nicht sündlos, für ewig in der Hölle verbleiben muß.
Den materiellen Sinnen gemäß scheint der Mensch körperlich zu sein. Doch im letzten Vers des zweiten Kapitels von Jesaja werden wir gemahnt: „So lasset nun ab von dem Menschen, der Odem in der Nase hat; denn für was ist er zu achten?“ In der Tat ist dies zweifellos ein Geheiß, den sterblichen Begriff des Menschen nicht anzuerkennen.
Um das zu verstehen, müssen wir von der geistigen Grundlage der Heiligen Schrift ausgehen; denn alles, was uns die Bibel in geistiger Hinsicht offenbart, ist Wahrheit und daher wahrhaftig. Beginnen wir mit der Heiligen Schrift, so stellen wir sofort fest, daß Gott allein der Schöpfer ist. Die Erschaffung des Himmels und der Erde ist einzig und allein Sein Werk gewesen. Diese Urtat Gottes schuf auch den Menschen zu seinem Ebenbilde.
Wie sind nun Himmel und Erde erschaffen worden, materiell oder geistig? Die Heilige Schrift gibt uns hierauf eine ganz klare und eindeutige Antwort. Sie sagt nämlich: „Gott ist Geist“ (Joh. 4:24). Die Tatsache aber, daß Gott Geist ist, bringt die logische Folgerung mit sich, daß alles, was Gott schuf, nur geistig sein kann; denn Gleiches erzeugt nie Ungleiches. Woher sollte Gott Materie genommen haben, um daraus einen Menschen zu formen, wenn Er Geist, Alles-in-allem, daher unendlich ist, und also keine Materie in sich schließt? In der Tat: In der göttlichen Unendlichkeit des Geistes ist und bleibt die Materie unbekannt; sie hat keine Wohnstätte darin.
In der Bibel lesen wir weiter: „Und Gott sprach ... Und es geschah also. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.“ Gott hat also der ganzen Welt das Dasein gegeben, denn die Sprache ist doch eine Gedankenäußerung; und da Gott Geist ist, kann Seine Sprache, können Seine Gedanken nur geistig sein. Demzufolge kann der Mensch, Gottes Ebenbild, nur Gottes geistiges Gedankenbild sein.
Laßt uns daher die absurde Annahme aufgeben, daß der Mensch aus Erde geformt wurde. Der Mensch kann nur das empfangen, was Gottes ist. Und was er von Gott ununterbrochen empfängt, sind in der Tat nur die geistigen Gedanken Gottes. Der Sonnenstrahl kann ja auch nur das empfangen, was die Sonne besitzt; nämlich Licht und Wärme. Und wie Sonne und Lichtstrahl eins im Wesen sind, so sind auch Gott und der Mensch eins im Wesen. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, macht uns das in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 361) mit folgenden Worten so sehr klar: „Wie ein Wassertropfen eins ist mit dem Ozean, wie ein Lichtstrahl eins ist mit der Sonne, so sind Gott und der Mensch, Vater und Sohn, eins im Wesen. In der Heiligen Schrift lesen wir:, Denn in ihm leben, weben und sind wir.‘ “
Obige Worte sind so klar verständlich, daß wir gut tun, so schnell wie möglich von dem Menschen abzulassen, der „Odem in der Nase hat“. Dieser körperliche Mensch mit all seinen häßlichen Nebenerscheinungen — Sünde, Krankheit und Tod — ist in der Tat weiter nichts als eine Fata Morgana, eine Nebelerscheinung, eine Traumgestalt. Auch die Fata Morgana läßt irgendwo z.B. Landschaften erscheinen; und doch sind sie in Wirklichkeit nicht vorhanden. Auch der Morgennebel möchte wirklich erscheinen; er vermag wohl eine Zeitlang Sonne, Berge usw. einzuhüllen; und doch muß er sich schließlich auflösen, eben darum, weil er nichts weiter als wolkenähnlicher Dunst ist. So werden Sonne und Landschaft wieder sichtbar.
Auch der körperliche Mensch mag wirklich erscheinen. Sein Dasein gleicht aber einem Traum. Die körperlichen Sinne träumen, daß er in einer materiellen Welt weilt, und daß er in diesem Traumzustand Sünde, Krankheit und Tod durchmacht. Der Traum ist also nichts weiter als eine Tätigkeit dieser falschen körperlichen Sinne. Der Körper weiß dagegen nichts von dem, was der Träumer im Traum erlebt. Die Vorstellungen, Gebilde und Einbildungen, die der Träumer im Traume hat, sind daher genau so unwirklich, wie die Fata Morgana. Beim Erwachen stellt der Träumer dies fest.
Erwachen ist daher notwendig, um von dem Menschen, der Odem in der Nase hat, freizuwerden. Erwachen bedeutet aber: Wirksam werden; tätig sein! Wir sind wirksam, wir sind tätig, wenn wir gegen die körperlichen Sinne angehen, sie zum Schweigen bringen, sie endgültig aufgeben und geistigen Sinn erlangen. Das erreichen wir, wenn wir in unser Bewußtsein nur das hereinlassen, was Gottes ist.
Es mag nicht so leicht erscheinen, von dem Traumzustand der Körperlichkeit befreit zu werden. Aber Gott hilft uns hierbei. Jesus ist vor uns den Weg gegangen und hat bewiesen, daß die Wahrheit „die Auferstehung und das Leben“ ist (Joh. 11:25). In „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 593) definiert Mrs. Eddy „Auferstehung“ als „Vergeistigung des Gedankens; eine neue und höhere Idee von der Unsterblichkeit oder dem geistigen Dasein; die materielle Annahme, die dem geistigen Verständnis weicht.“
Laßt uns daher die materielle Annahme aufgeben, daß der Mensch im Körper lebt und darin eine Seele beherbergt. Gott ist die Seele des Menschen, und die Seele allein ist das belebende göttliche Prinzip des Menschen. Diese Seele ist aber nicht von einem materiellen Körper umschlossen, denn Gott ist nicht im Menschen, sondern der Mensch spiegelt Gott, Seele, wider. Und da Gott ohne Anfang und ohne Ende, also ewiges Leben ist, spiegelt auch der Mensch, Gottes Ebenbild, dieses ewige Leben wider, jetzt und immerdar. Gott braucht den Menschen — Seine Idee — um sich durch ihn auszudrücken. Wir wissen ja: Ohne Sonne, keine Lichtstrahlen; so auch ohne Gott, keinen Menschen; und umgekehrt ist es genau so. Eins ist ohne das andere undenkbar.
Mary Baker Eddy sagt vollkommen zutreffend in ihrem Werk „Anfangsgründe der göttlichen Wissenschaft“ (S. 7): „In der Wissenschaft ist der Mensch die offenbare Widerspiegelung Gottes, des vollkommenen und unsterblichen Gemüts. Er ist das Gleichnis Gottes. Sein Gleichnis ginge verloren, wenn es umgekehrt oder verkehrt würde. Nach der Augenscheinlichkeit der sogenannten körperlichen Sinne ist der Mensch körperlich, gefallen, krank, verderbt, sterblich. Die Wissenschaft und der geistige Sinn widersprechen dem und bieten die einzig wahre Augenscheinlichkeit vom Wesen Gottes und des Menschen, da die körperliche Augenscheinlichkeit ganz und gar falsch ist.“
