Viele Stellen der Bibel bringen in Bild und Gleichnis herrliche Berichte der Fülle Gottes und Seiner reichen Versorgung für Seine geliebten Kinder. Eine solche Stelle finden wir im 55. Kapitel des Propheten Jesaja: „Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahinkommt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und wachsend, daß sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen: also soll das Wort, so aus meinem Munde geht, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, was mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich's sende.“
Für Menschen, die in dem trockenen, staubigen Lande wohnten, das Jesaja kannte, schien Regen und Schnee in der Tat eine Himmelsgabe zu sein, eine wohltätige, belebende Kraft, die dürre Stoppeln in reiche Ernte verwandelte. Und so erschaute der Prophet die höchste Entfaltung des Wortes Gottes: sie konnte nicht öde und unfruchtbar sein, sondern brachte Wohlstand und Fülle. Auch andere Propheten erhaschten Schimmer der mit einem völliegeren Verständnis der Gottheit verbundenen Herrlichkeit; aber keiner konnte in dem Maße wie Christus Jesus diese Fülle demonstrieren.
Mary Baker Eddy schreibt über Christi Jesu Werk (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 54): „Durch die Größe seines menschlichen Lebens demonstrierte er das göttliche Leben. Aus der Fülle seiner reinen Neigungen heraus definierte er Liebe. Mit dem Reichtum der Wahrheit besiegte er den Irrtum.“
Jesus sah, daß der allgemeinen menschlichen Annahme gemäß alles begrenzt ist; aber er wußte, daß dies nur eine Verkörperung begrenzten Denkens war. Er wußte, daß in Wirklichkeit nichts begrenzt ist. Alles ist unendlich, unermeßlich gut. Wir können in allen seinen Werken dieses Bewußtsein der Fülle wahrnehmen. Die Kranken wurden nicht nur teilweise geheilt, ihr Zustand nicht nur ein wenig gebessert; sie wurden gesund. Zu den von Johannes dem Täufer gesandten Boten sagte Jesus unter anderem (Luk. 7:22): „Gehet hin und verkündiget Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: die Blinden sehen.“ Er gab den Blinden keine materiellen Hilfsmittel, um ihren Mut zu stärken; sie wurden befähigt, klar zu sehen. Schon am Anfang, als Jesus Wasser zu Wein machte, war nachher nicht ein wenig mehr, sondern reichlich Wein da. Es war auch nicht eine geringere Sorte, sondern, wie der Speisemeister bestätigte, der beste Wein!
Als Christus Jesus ein anderes Mal die Fünftausend speiste, waren nicht nur alle reichlich satt, sondern es blieben noch zwölf Körbe voll Brocken übrig. Als der Meister ferner fand, daß die Schwiegermutter des Petrus am Fieber erkrankt war, erkannte er sofort, daß die beschränkte Kraft und Gesundheit nur eine Trugvorstellung war, und er vergegenwärtigte sich, wie reich sie tatsächlich ausgestattet war. Sie war augenblicklich frei, stand auf und diente ihnen. Jesu Erkenntnis der göttlichen Fülle hatte die Fieberannahme geheilt und es war keine Genesung nötig.
Bei einer andern Gelegenheit heilte Jesus einen Mondsüchtigen, nachdem seine Jünger es nicht vermocht hatten. Auf ihre Frage erklärte er ihnen, daß Mangel an Glauben an ihrem Versagen schuld war, und er fügte hinzu, wenn sie Glauben hätten wie ein Senfkorn, würde ihnen nichts unmöglich sein. Was für ein glaubensfroher Gedanke dies ist — nichts unmöglich! Diese Erklärung stimmt jedoch vollkommen überein mit dem ersten Kapitel des 1. Buches Mose, das Gott verherrlicht als die einzige Gegenwart und die einzige Macht, das einzige Gemüt und das einzige Wirken, und den Menschen schildert als Gottes Bild und Gleichnis, geradezu als den Gipfel der Schöpfung.
Angesichts solcher Größe und Fülle sollte sich das begrenzte menschliche Denken ganz natürlich der Wahrheit in angemessener Weise fügen. Der Christliche Wissenschafter nimmt diese Lehre von der Fülle Gottes an und setzt sie in seinem täglichen Leben in die Tat um. Tritt die Einwendung begrenzter Fähigkeit oder Kraft an ihn heran, so weiß er, jede Begrenzung ist eine Täuschung und Fülle ist das Maß der Fähigkeit des Menschen. Er kann sich ins Gedächtnis rufen, daß Fähigkeit eine Eigenschaft des unendlichen Gemüts, eine Entfaltung der göttlichen Intelligenz ist, daher unermeßlich, immer gegenwärtig, immer verfügbar ist, nie materiellen sogenannten Gesetzen unterworfen ist und unberührt bleibt von Geburt, Reife und verfall.
Als die Widerspiegelung des Gemüts glaubt der Mensch nicht, sondern er weiß. In der göttlichen Widerspiegelung gehört die ganze Erhabenheit des unendlichen Gemüts jetzt dem Menschen als der Widerspiegelung dieses Gemüts. Das Gemüt weiß alles, und der Mensch spiegelt dieses Wissen unmittelbar wider. Wenn die Arbeit des Wissenschafters in dieser Hinsicht nicht sofort zu Ergebnissen führt, weiß er, daß er weiterdringen muß, bis er den wahren Begriff, die Christus-Idee, klarer erfaßt. Dann vergeht die falsche Annahme. Der wahre Begriff kann nie schwanken oder verschwinden. Er hat immer bestanden und wird immer bestehen, und gehört, weil jeder Mensch Gott widerspiegelt, zu jeder Offenbarwerdung des Menschen.
Ebenso wie Fülle das Maß der Fähigkeit des Menschen ist, ist sie auch das Maß seiner Gelegenheiten. Die herrliche Gelegenheit, die sich dem Menschen immerwährend bietet, läßt keine Annahme begrenzter Gelegenheit aufkommen, sondern kann sie vernichten. Angenommen, Beförderung im Geschäft scheine schon zu lang auf sich warten zu lassen. Der Christliche Wissenschafter gibt sich diesem Gefühl des Mangels nicht hin. Er wendet sein Denken Gottes reicher Versorgung zu. Er kann sich daran erinnern, daß sein wahres Geschäft darin besteht, das Bild und Gleichnis Gottes zu sein, und daß dieses Geschäft unabhängig ist von Wetter, äußeren Umständen, Politik oder Jahreszeit, von Unter- oder Überangebot. Menschliche Gesetze von Angebot und Nachfrage sind keine Bedingung für dieses wahre Geschäft; es untersteht auch keinem Stillstand und keinem Rückgang. Das herrliche Geschäft, zu verstehen, daß unser wahres Selbst das Ebenbild des Gemüts ist, bringt Weisheit und Voraussicht, Wahrnehmung und Urteilskraft. Das Geschäft, zu beweisen, daß Gottes Kind die unerschöpfliche Liebe ausdrückt, wird in Reichtum und Freigebigkeit, in Unbegrenztheit und Mildtätigkeit augenscheinlich. Das Geschäft, zu verstehen, daß der Mensch der Beweis des Lebens ist, drückt unumgänglich Entfaltung und Entwicklung, Erweiterung und Fortschritt aus.
Ein Mann, der etwas von der Christlichen Wissenschaft wußte, sah sich auf allen Seiten von Einwendungen des Mangels umgeben: Mangel an Geld, an Arbeit, an Kleidung. Er ging zu einem Ausüber der Christlichen Wissenschaft und erhielt eine Behandlung. Sein Denken wurde aus der Öde materieller Annahmen zur Erkenntnis der Fülle geistiger Ideen emporgehoben. Sofort begann sich sein menschliches Leben zu ändern. Es wurde ihm Arbeit in einer fernen Stadt angeboten und für seine Fahrt dorthin gesorgt. Als er daran dachte, wieviel er brauchte, kamen ihm plötzlich die Worte aus dem Gleichnis in den Sinn (Luk. 15:31): „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein.“ Sein Bewußtsein war vom Strahlenglanz der Liebe erfüllt, und er empfand eine tiefe Befriedigung.
Dreißig Jahre später stellte er fest, daß es ihm seit jener Zeit nie mehr an Versorgung gemangelt hatte. Sein Geschäft war gewachsen und hatte sich zu immer größerer Nützlichkeit entfaltet. Er hatte Gelegenheit gehabt, Mitglied einer Zweigkirche zu werden und an der Kirchenarbeit teilzunehmen. Er hatte in seinem Leben ein gewisses Verständnis der göttlichen Fülle bewiesen.
Inwieweit der einzelne die göttliche Fülle erlebt, hängt von seinem Denken ab. Er erlebt das Gute genau in dem Maße, wie er das Gute denkt. Sogar der Himmel ist für jeden durchaus beweisbar ungeachtet dessen, was andere tun. Diese Tatsache ermutigt den Christlichen Wissenschafter bei der Betrachtung der Probleme, die die Regierung der Welt heute darbietet. Niemand braucht auf andere zu warten, um die Art Regierung zu haben, die nötig ist. Gute Regierung kann nur für den nicht vorhanden scheinen, der die Annahme gelten läßt, sie sei nicht vorhanden. Wenn man die Annahme zurückweist, daß eine gute Regierung fehle, und sich dafür die Fülle unter Gottes wohltätiger Herrschaft vergegenwärtigt, so erlebt man im gleichen Verhältnis eine harmonischere Regierung.
Unsere Führerin sagt uns (Wissenschaft und Gesundheit, S. 140): „In dem Verhältnis, wie wir das göttliche Wesen erfassen und Gott verständnisvoll lieben, werden wir Ihm gehorchen und Ihn anbeten, indem wir nicht mehr über die Körperlichkeit streiten, sondern uns der Überfülle unsres Gottes erfreuen.“
