„Täuschung, Sünde, Krankheit und Tod entstehen aus dem falschen Zeugnis des materiellen Sinnes, der von einem vermeintlichen Standpunkt außerhalb der Brennweite des unendlichen Geistes aus ein umgekehrtes Bild des Gemüts und der Substanz darstellt, in welchem das unterste zu oberst gekehrt ist.“ So schreibt Mary Baker Eddy im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 301). Unsere Führerin erklärt also damit, daß die materiellen Sinne die Tatsachen des Seins umkehren, so daß sie Materialität statt Geistigkeit, Unvollkommenheit statt Vollkommenheit, Vielheit statt Einheit und Disharmonie statt Harmonie wahrnehmen.
Die göttlich eingegebene Lehre der Christlichen Wissenschaft zeigt den Weg der Befreiung von allen Übeln des sterblichen Daseins. Sie offenbart die Wahrheit über Gott und den zu Seinem Bilde geschaffenen Menschen und führt den Sucher zu der Erkenntnis seiner Wesenseinheit mit diesem Idealmenschen, wodurch er Harmonie, Vollkommenheit und Herrschaft gewinnt. Um dieses Ziel zu erreichen und damit unser wahres geistiges Selbst zu erlangen, müssen wir die sterblichen Begriffe vom Menschen und vom Weltall umkehren und die wahre Schöpfung verstehen lernen, die auf die Einheit und Allheit des Geistes gegründet ist. Die Christliche Wissenschaft gibt uns hierzu hilfreiche Unterweisung, so daß wir den falschen Gesichtspunkt „außerhalb der Brennweite des unendlichen Geistes“ verlassen und jenen erlösenden Standpunkt auf Seiten Gottes, des Geistes, zurückgewinnen können.
Gottes Sein, da es unendlich, vollkommen, geistig und ewig ist, kann keinerlei Berührungspunkte mit dem endlichen, räumlichen und zeitlichen Dasein haben. Das Reich Gottes ist also keine Stätte für körperliche Wesen. Da der Mensch Idee, und zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist, spiegelt er das göttliche Wesen — Liebe, Reinheit, Heiligkeit — wider. Darum findet man sein wahres Selbst nicht, solange man ungöttliche Eigenschaften zum Ausdruck bringt und ein Leben in sinnlichen Genüssen führt. Um das falsche Selbst überwinden zu können, ist neben dem rechten Tun im Einklang mit der goldenen Regel eine beständige Vergegenwärtigung der geistigen Tatsachen des Seins und ein beharrliches Verweilen in der lichten, lauteren Wirklichkeit von Gottes Sein, das heilig, erhaben, fleckenlos rein ist, vonnöten. Dieser geistige Standpunkt, wenn er errungen ist und in den Tätigkeiten des täglichen Lebens festgehalten wird, berichtigt die verzerrte Vorstellung vom Menschen, löscht das Böse im Bewußtsein aus und bringt Harmonie, Gesundheit und Vollkommenheit in die Erfahrungen des täglichen Lebens.
Diesen Weg vom Sinn zur Seele führt uns liebevoll die göttliche Wissenschaft. Sie überzeugt uns durch die Folgerichtigkeit ihrer Beweisführung, daß wir im Irrtum sind, wenn wir glauben, besondere Persönlichkeiten außerhalb des Reiches Gottes zu sein, deren Wichtigkeit über andere erhaben ist. Da Gott, der allgegenwärtige und unendliche ICH BIN, Alles-in-allem ist, kann es nur ein Ich geben; und da der Mensch die Widerspiegelung dieses göttlichen Ichs ist, muß das sogenannte sterbliche Ich, die falsche illusorische Wesenheit des Traumstandpunktes, ein absolutes Nichts sein. Paulus sagt: „So aber sich jemand läßt dünken, er sei etwas, so er doch nichts, ist, der betrüget sich selbst“ (Gal. 6:3).
Was ist aber der andere, mein Nächster, seinem wahren Wesen nach? In Erkenntnis der göttlichen Tatsachen erklärt der Apostel Paulus: „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? ... der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr“ (1. Kor. 3:16, 17). Unsere verehrte Führerin schreibt auf Seite 60 in „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften): „Jede materielle Annahme deutet auf das Vorhandensein einer geistigen Wirklichkeit hin; und wenn die Sterblichen in geistigen Dingen unterwiesen werden, wird erkannt, daß die materielle Annahme in all ihren Offenbarwerdungen, wenn wir sie umkehren, das Sinnbild oder der Vertreter von unschätzbaren, ewigen und stets vorhandenen Wahrheiten ist.“
Wenn die Umkehrung sterblicher Begriffe für die Erkenntnis der Wahrheit so notwendig ist, beginnen wir doch unverzüglich mit dem nächstliegenden, dem eingen Ich! Der menschliche Begriff vom Selbst, der sich für eine von Gott getrennte und auf sich selbst gestellte Persönlichkeit hält, muß in Anbetracht der Allheit Gottes eine Täuschung sein, und deshalb müssen wir ihm jede Wirklichkeit absprechen. In dem Maße wie man sich von allem loslöst, was das sogenannte materielle Selbst ausmacht und ihm keine Wirklichkeit zuerkennt, dagegen aber sich seiner geistigen Wesenseinheit mit der Idee Gottes bewußt wird, zieht Gottes Liebe — Sein Leben und Sein Friede — im Herzen ein, so daß das Böse, Sünde, Krankheit und Tod, aus dem Bewußtsein verschwindet. Jesus sagte: „Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden“ (Matth. 10:39). So wird man sich, nicht durch den Tod, sondern durch Selbstverleugnung und Aufgabe des Eigenwillens seiner Gotteskindschaft bewußt. In Wirklichkeit haben wir das Paradies, das Reich Gottes, nie verlassen, und Gott hat uns nie einen Augenblick aus den Augen verloren.
Das Denken und die Anschauung müssen von einer sinnlichen zu einer geistigen Grundlage gebracht werden. Die geistige Idee wird dann erfaßt und ihre Nachahmung, die sich als ein sündiger, kranker Sterblicher kundtat, in ihrer Unwirklichkeit durchschaut. Indem die wahre Idee des Menschen beharrlich und mit Erkenntnis ihrer gottgegebenen Kraft festgehalten wird, wird die Materie-Annahme aus dem Bewußtsein ausgeschieden, was sich in verbesserter Gesundheit, in mehr Harmonie und vollkommeneren äußeren Lebensumständen ausdrückt.
Ehe wir zur Christlichen Wissenschaft kamen, mag das göttliche Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mark. 12:31), uns übertrieben erschienen sein und unmöglich zu erfüllen. Doch mit dem Verständnis des Menschen als geistig und vollkommen, das diese Wissenschaft uns bringt, können wir es erfüllen. Wenn wir an der wahren Idee sowohl unser selbst als auch unseres Nächsten festhalten, alle Selbstsucht, allen Haß und Neid, aus dem Denken entfernen und dagegen selbstlose Liebe ausdrücken, wird das alte materielle Selbst ausgezogen und die neue geistige Selbstheit, das Ebenbild der Liebe, ans Licht gebracht. So erlangen wir den rechten Standpunkt „im Brennpunkt der Ideen“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 504), und auch unser göttliches Erbe, das Harmonie, Glück, Gesundheit und die Fülle alles Guten umfaßt, sowie Herrschaft über das Böse.
Manchmal müssen wir mit Menschen umgehen, die krank sind, oder die schlechte Gewohnheiten und bösartige Charakterzüge zur Schau tragen — was uns oftmals in Furcht und Schrecken versetzt. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß es nicht nötig ist, uns vor solchen Menschen zu fürchten oder vor ihnen zu fliehen. Die Übel, die den einzelnen anzuhaften scheinen, bestehen ja nur als falsche Vorstellungen; sie haben also nicht die geringste Wirklichkeit. Sie kommen als Illusionen aus dem Nebel des Nichts und suchen sich Anerkennung zu verschaffen. Diejenigen, die Christliche Wissenschaft nicht kennen, mögen diesen falschen Vorstellungen einen zeitweiligen Sinn von Leben und Dasein zuerkennen und dadurch diese Trugbilder als wahr und wirklich annehmen. Aber die Christlichen Wissenschafter leugnen ihre Wirklichkeit, denn sie haben gelernt, den falschen Augenschein zu durchschauen; statt dessen erkennen sie den Menschen als gesund, aufrichtig und rein. Diese Erkenntnis der wahren Natur des Menschen zerreißt den Schleier der Materialität, und das wahre Menschentum als das göttliche Ebenbild kommt ans Licht. Haß, Zorn und Abneigung weichen der geistigen Zuneigung, dem Wohlwollen und der Liebe; und im Verhältnis wie das Böse aus unserem Bewußtsein verschwindet, schwindet es auch aus der Umgebung.
Wir müssen also beständig wachen, arbeiten und beten, um immer größeres geistiges Verständnis von den Tatsachen des Seins zu erlangen. Dadurch werden wir befähigt, allen Makel, alle Sünden, Mängel und Krankheiten von uns selber und unseren Mitmenschen zu entfernen, und unsere wahre Wesenheit und die der anderen als vollkommene Ideen Gottes zu sehen. Wie sehr sollten wir also darauf bedacht sein, jederzeit den rechten Standpunkt einzunehmen!