Auf einem von der Natur gezogenen Pfade liegt entwurzelt ein alter Baumriese. Eine daran befestigte Tafel erzählt seine Geschichte. Die Inschrift lautet: „Er fiel, weil seine Wurzeln nicht tief genug in den Boden eingedrungen waren.“ Offentsichtlich hatte er ein leichtes Los gehabt. In der Fülle guten, reichen Bodens brauchte er für seine schnelle, üppige Entfaltung nur Wurzeln an der Oberfläche. Überdies genoß er gegen Wind und Wetter den klösterlichen Schutz des tiefen Waldes.
Nicht weit davon entfernt erhebt ein anderer ehrwürdiger Baum seine mächtige Krone. Man ist erstaunt, daß dieser alte Riese alles überleben konnte. Seine Lebensgeschichte ist verschieden von der seines gefallenen Bruders. Mit tiefgehenden Wurzeln, die sich fest wie Eisen anklammern, hat sich dieser Baum ein Jahrhundert lang oder noch länger an der nackten Felswand einer windrissigen, sturmgepeitschten Bergschlucht festgehalten. Obwohl ganz schutzlos, steht er im majestätischen Triumph eines Siegers. Im Kampf mit den Elementen, konnte er den Sturm überstehen, dem sein scheinbar begünstigterer Bruder zum Opfer fiel.
Die Geschichte dieses gefallenen Baumes gemahnt uns an des Meisters Worte an seine Jünger, als er den reichen Jüngling traurig davongehen sah: „Liebe Kinder, wie schwer ist's, daß die, so ihr Vertrauen auf Reichtum setzen, ins Reich Gottes kommen!“
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