„Weil wir solches wissen, nämlich die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf“, mahnt Paulus in seinem Brief an die Römer (13:11) und fügt hinzu: „(sintemal. .. die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen): so lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes.“
Mit diesem Aufruf mahnte Paulus offenbar die Menschen, geistig aufzuwachen, und die undurchdringliche Rüstung Gottes anzuziehen, die ein sicherer Schutz gegen das Böse ist. Er gebot ihnen nicht, mit dem Irrtum zu kämpfen, obwohl wir, wie die Christliche Wissenschaft lehrt, standhaft in der Verneinung desselben sein müssen, um ihn auszutreiben. Doch sein Rat war vielmehr, eine engere Verbundenheit mit Gott zu entwickeln.
Wie das Licht des Tages mühelos die Dunkelheit der Nacht verscheucht, so vernichtet die Erleuchtung des Gedankens durch die geistigen Wahrheiten des Seins die Lüge, die irrigerweise behauptet, das sterbliche Dasein habe Wirklichkeit.
Wahres Erwachen, wie die Christliche Wissenschaft es uns offenbart, ist die Entfaltung der Allheit, der Unendlichkeit, der Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit Gottes in unserem Bewußtsein. Dieses Erwachen bedeutet ebenfalls das Verstehen der vollkommenen, geistigen Natur der Gottesschöpfung, des Menschen und des Universums. Solch ein Aufwachen aus dem Schlaf erfordert ein Sichabwenden von dem materiellen Traum des Lebens und der Empfindung in der Materie.
Mary Baker Eddy erklärt in ihrem Werk „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 331): „In dem Maße, wie die Sterblichen aus ihrem Traum materieller Empfindung erwachen, verstehen sie diesen anbetungswürdigen, allumfassenden Gott und alle irdischen Hieroglyphen der Liebe; und sie erkennen, daß das unendliche Gemüt die Sterne anzündet, die Welten kreisen läßt, allen Raum und alles Leben zum Ausdruck bringt — aber niemals Leben in der Materie.“
Wer wirklich erwacht ist, ist wachsam, aufmerksam und bewußt. Seine geistigen Sinne sind lebhaft und scharf. Er sieht den Menschen und das Universum daher nicht in der Materie, sondern so, wie Gott ihn erschaffen hat — vollkommen, vollständig, rein und gut. Die unsterbliche Existenz wird von ihm als das einzig wirkliche Dasein erkannt, als die göttliche Offenbarwerdung des Geistes. Der Christliche Wissenschafter wird sich des Menschen als des Ausdrucks des ewigen Lebens bewußt, und daher als der Kundwerdung solcher Eigenschaften wie unendlicher Fortdauer, vollkommenen Seins, harmonischer Tätigkeit, geistiger Macht und Kraft.
Das Erwecken des Bewußtseins von der materiellen zur geistigen Grundlage des Seins offenbart, daß der Mensch, Gottes Ebenbild, immerdar in seinem wirklichen und einzigen Heim, dem Himmel, weilt, wo unsterbliche Vollkommenheit und Güte die einzigen Gesetze sind. Dieses Erwachen des Denkens zum Verstehen des geistigen Seins bedeutet das Kommen des Christus, das Wirken des göttlichen Lebens, der göttlichen Wahrheit und der göttlichen Liebe im Bewußtsein. In dem Verhältnis, wie man den Christus, die Wahrheit, in seinem Denken hegt, wie man diesen göttlichen Einfluß als Gesetz anerkennt, werden Gott und Seine Majestät verherrlicht, und man verliert das Bewußtsein des Bösen, der Sünde, der Krankheit und der Sterblichkeit. Dann verschwinden diese Irrtümer der Annahme.
Heilung und Erlösung beruhen, wie die Christliche Wissenschaft täglich beweist, auf dem geistigen Verstehen der Wahrheit, daß Gott der Geist ist, das Alles-in-allem, daß Er niemals schlummert noch schläft, daß Er immergegenwärtig und stets verfügbar ist, und daß der Mensch sein vollkommenes, unsterbliches Ebenbild, kein sterblicher Träumer ist. Der Mensch ist geistig und kann nicht träumen. Das individuelle Bewußtsein, der Mensch, ist ewig wach in Gott, dem Gemüt.
In ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1902 erklärt Mrs. Eddy (S. 17): „Viele schlafen, die sich selbst wachhalten und die Welt wecken sollten.“ Hier bezieht sie sich nicht auf den unsterblichen Menschen, der immer bewußt ist, sondern auf den menschlichen Daseinsbegriff, der schließlich der Erkenntnis weichen muß, daß der Mensch in Wirklichkeit geistig ist. Im Maße wie dieses Erwachen zum wahren Sein stattfindet, müssen wir die Verantwortung auf uns nehmen, (immer bereite) „Minutenmänner und -frauen“ für dieses Zeitalter zu werden. Im Verhältnis wie ein immer volleres Verständnis des himmlischen Seins sich in unserm Bewußtsein entfaltet, werden wir besser bereit sein, mitzuwirken beim Erwecken der Welt aus dem Angsttraum, der das materielle Dasein als eine Wirklichkeit betrachtet.
Sowohl die individuelle wie die universale Erlösung beruhen auf dem Erwachen zu der grundlegenden Wahrheit, daß alles Gemüt und die Idee des Gemüts ist. Mrs. Eddy sagt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 95): „Von betäubenden Illusionen eingelullt, schläft die Welt in der Wiege der Kindheit und verträumt die Stunden.“ Als Diener Gottes müssen wir zu diesem Werk des Erweckens durch eigenes Vorbild und geistiges Verständnis beitragen.
Am Abend vor seiner Kreuzigung bat Jesus Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus, mit ihm zu wachen, während er betete. Diese Männer, die zweifellos tief bekümmert waren wegen der bevorstehenden Prüfung ihres geliebten Meisters, schliefen fest ein. Als Jesus sah, daß sie schliefen, verwies er sie liebevoll mit der Frage (Matth. 26:40): „Könnet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?“ Gewißlich hätten diese treuen Nachfolger ihm standhaft mit ihrem Verständnis von Gottes Macht, Majestät und Herrlichkeit und der Unzerstörbarkeit des Menschen, beistehen sollen. Doch sie hatten damals noch nicht die dazu notwendigen Lektionen gelernt und versagten deshalb in ihrer Pflichterfüllung.
Wenn heutzutage eine Annahme von Krankheit oder Sünde aufkommt, wird der treue, wachsame Christliche Wissenschafter solchen Suggestionen nicht erlauben, ihn in Zustimmung zum Irrtum oder in Schlaf einzulullen. Er wird mental die Annahme des Bösen oder der Krankheit zurückweisen. Und, was noch wichtiger ist, er wird die wissenschaftliche Tatsache des vollkommenen, geistigen Seins feststellen und an dieser Wahrheit festhalten. Ja, er wird standhaft an dem Bewußtsein der Tatsache festhalten, daß der Geist alles geschaffen hat und alles in sich schließt, und daß alles, was der Geist geschaffen hat, nur gut ist. Dieses Bewußtsein von der Gegenwart und Macht Gottes ist das Wirken des Christus, das unmittelbar zu Gesundheit und Heiligkeit führt.
Der Psalmist sagte (Ps. 121:3): „Der dich behütet schläft nicht.“ Da Gott, unser Hüter, nicht schlummert — nicht die Annahme teilt, daß die Materie, die Sünde, die Krankheit und der Tod wirklich sind — so kann Seine Widerspiegelung, der Mensch, sich ebensowenig dieser Irrtümer bewußt sein. Es ist die höchste Zeit, aus dem Schlaf zu erwachen — zu dem Verständnis, daß das geistige Sein die einzige Wirklichkeit ist.
