„Wer hätte je den Wind gesehen?
Nicht ich, noch du, noch irgendwer.
Doch wo die Blätter zitternd hängen,
Dort braust der Wind durch sie daher.“
So sang der Dichter. Der Wind wurde von jeher unter den Völkern als ein Symbol vieler Dinge angesehen. Gewöhnlich wird er entweder angebetet oder gefürchtet. Daher ist es erfreulich, daß man ihn durch die Christliche Wissenschaft in der rechten Weise deuten kann, indem man die materielle Auffassung gegen die geistige eintauscht. Diese Deutung gibt Mary Baker Eddy in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“, wo sie schreibt (S. 597): „Wind. Das, was die Macht der Allmacht andeutet, sowie die Bewegungen in Gottes geistiger Regierung, die alle Dinge umfaßt. Zerstörung; Zorn; sterbliche Leidenschaften.“
Die Allmacht und das Allwirken Gottes sind eine unsichtbare Macht und Gegenwart, die auf Grund geistiger Wahrnehmung und nicht durch die körperlichen Sinne erkannt werden. Diese unsichtbare Macht ist der Immanuel, die Allgegenwart, die Wirklichkeit des Geistes; und wenn sie bereitwillig angenommen und in der rechten Weise angewendet wird, so wandelt sie die menschlichen Gedanken und Situationen. Die immer vorhandene Macht des geistigen Gesetzes tritt in Erscheinung und wird zur praktisch anwendbaren Hilfe in Krankheiten und anderen menschlichen Nöten, wenn ihre Möglichkeiten wirklich erkannt und ihre Gegenwart behauptet wird. Dann beginnt diese Macht, sich durch ihre eigenen unsterblichen Mittel und Wege zu bekunden.
Diese allgegenwärtige Macht ist uns näher als der Wind, und ihre Wirkungen sind sichtbarer und durchgreifender. Ein leiser Lufthauch bewegt das Blatt und wiegt die Blüte; doch noch sanfter tritt die Kraft Gottes in jede Einzelheit des menschlichen Lebens ein, um es zu berichtigen, harmonisch zu regieren und das Böse zu entfernen, das die Absicht Gottes, des Guten, in diesem Leben durchkreuzen und entstellen möchte. Allumfassend umschließt die göttliche Liebe den Menschen.
Hier mag man fragen: „Wie ist diese Macht beschaffen?“ Sie ist unendlich, ohne Beschränkung und ohne Grenzen. Sie ist der ewige göttliche Antrieb, die ewige göttliche Gegenwart und das ewige göttliche Gesetz, die von allen denen geistig verstanden werden, die die Gegenwart dieser Macht in ihrem Innern fühlen. In welcher Weise hilft diese göttliche Macht den Sterblichen? Jesus bewies sich und andern durch seine Demonstrationen, daß es der Christus, die Gotteskraft, war, die Krüppel und Kranke aus der Knechtschaft eines materiellen Körpers befreite und auch die Sünder von ihren Leiden erlöste, die ihr eigenes Sündigen ihnen auferlegt. Indem er auf dem Meere wandelte und den Sturm stillte, bewies er, daß das einzige Gesetz oder die einzige Gegenwart, die es geben konnte, das Wirken der göttliche Liebe war. Viele, die die eine einzige Schöpfung der Liebe, wie die Christliche Wissenschaft sie offenbart, zu ergründen suchen und sie verstehen lernen, sind von Furcht vor Gewittern und Stürmen geheilt worden. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß das unendliche Gute keine zerstörende Elektrizität erschafft, und das Verständnis dieser Tatsache macht sie ungefährlich.
Laßt uns hoffen, daß die Christlichen Wissenschafter, die von Stürmen und Überschwemmungen in der Welt hören, sich die Zeit nehmen, die materiellen Berichte durch die richtigen geistigen Ideen zu ersetzen, die die Lage bessern und jenen Unglücklichen, die mit den materiellen Elementen ringen, helfen werden. Eine Christliche Wissenschafterin, deren Einkommen von ihren Ernsten abhing, berichtete einem christlich-wissenschaftlichen Ausüber telefonisch, daß ein schwerer Sturm bei ihr wüte, und eine Flut von Regen und Hagel sich über die Tomatenpflanzen am Hügelabhang ergieße und sie völlig zu vernichten drohe. Der Ausüber versicherte sie der uneingeschränkten Herrschaft, die Gott über Sein Universum ausübt, denn „der Herr hat über der Sintflut gethront, und so thront der Herr als König in Ewigkeit“ (MengeBibel, Ps. 29:10), und Er „faßt den Wind in seine Hände“ (Spr. 30:4). Später teilte die Frau telefonisch mit, daß das Wasser sich gerade oberhalb dieser stelle geteilt habe und um die Pflanzung herum geflossen sei, ohne eine einzige Pflanze zu beschädigen. Es ist kein übernatürliches Wunder, wenn die Menschen durch ihr eigenes geistiges Denken Harmonie in die materiellen Bereiche bringen können. Sie befolgen Christi Jesu lehren, wie die Christliche Wissenschaft sie offenbart, und ernten die Früchte, die nach seiner Voraussage das Ergebnis sein würden.
Die Wissenschaft der göttlichen Macht anzuwenden, bedeutet, diese Macht zu beweisen. Ermahnt uns unsere Führerin nicht in „Pulpit and Press“, von dieser Macht Besitz zu ergreifen und sie nutzbar zu machen? Sie sagt (S. 3): „Wisset also, daß ihr unumschränkte Macht habt, in der rechten Weise zu denken und zu handeln, und daß nichts euch dieses Erbteils berauben und gegen die Liebe verstoßen kann. Wer oder was könnte euch zum Sündigen oder Leiden veranlassen, wenn ihr auf diesem Standpunkt verharret? Unsere Sicherheit beruht auf unserem Vertrauen, daß wir in der Tat in Wahrheit und Liebe weilen, der ewigen Heimat des Menschen.“
Das Böse behauptet, unsichtbar zu wirken und die Sterblichen zum Glauben an seine Wirklichkeit zu verleiten. Das ist die Art, in der es sich im menschlichen Leben bekundet. Im letzten Teil ihrer Definition von „Wind“ als „Zerstörung; Zorn; sterbliche Leidenschaften“ zeigt Mrs. Eddy, daß das sterbliche Gemüt behauptet, wirken zu können. Um sich selbst davor zu bewahren, diesem hypnotischen Bann, dieser falschen Vorstellung zu erliegen oder unter einen Einfluß zu geraten, der nur der Annahme nach wirklich sein und nur die Macht haben kann, die ihm zugebilligt wird, muß man sich der Macht Gottes bewußt sein. Auch nur ein Schimmer dieses Verständnisses ist mächtig und anwendbar. Auf Grund der Allheit Gottes kann verstanden werden, daß genau da, wo das Böse gegenwärtig, wirksam und tätig zu sein scheint, die göttliche Allgegenwart herrscht, die durch ihre erhabene Macht und Nähe jedes scheinbare Lügenargument des Bösen umstößt, zerstört und ersetzt.
Die folgende Erfahrung veranschaulicht die unsichtbare, stets vorhandene Gegenwart des Guten, „die Macht der Allmacht ..., sowie die Bewegungen in Gottes geistiger Regierung, die alle Dinge umfaßt.“ Eines Tages im Spätherbst wurde ich auf dem Heimweg von einem Landausflag von einem vorzeitigen Schneesturm überrascht. Die großen Flocken fielen so schnell, daß in ganz kurzer Zeit die Windschutzscheibe so mit Schnee bedeckt war, daß die Scheibenwischer nicht mehr arbeiten konnten. Die Scheinwerfer der herankommenden Wagen waren kaum noch zu erkennen. Es schien unklug, zurückzufahren, da der Schneesturm aus dieser Richtung kam, und ich ungefähr halbwegs zu Hause war. Die Fahrstraßen waren sofort mit einer Eisschicht bedeckt und fast unpassierbar. Einige Autos waren auf die Felder geschleudert worden. Infolge des hohen Schnees und des heftigen Windes war ich nicht imstande, an die Seite der Autobahn zu fahren, um dort ungestört meine geistige Arbeit zu tun.
Plötzlich sah ich klar, daß ich erwachen mußte aus dem Mesmerismus, in den die Sinne mich verstricken wollten. Ich mußte erkennen, daß dieser Zustand nicht wirklich war, nicht dem entsprach, was ich in der Christlichen Wissenschaft gelernt hatte. Dann fiel mir die Erfahrung des Elias ein, in der Gott ihm zeigte, daß weder Macht, Wirklichkeit noch Gott selbst im Erdbeben, Feuer oder Wind waren (1. Kön. 19:11, 12). Nun verstand ich, daß ich in Wirklichkeit, als Gottes geistige Idee, im Gemüt und nicht in der Materie lebte; daß ich nicht der Spielball materieller Elemente war. Immer wieder dankte ich Gott für das Verständnis, daß ich mich im Gemüt, im Geist, fortbewegte. Ich sah klar, daß der geistige Mensch niemals in eine schwierige Lage oder in unmittelbare Gefahr kommen konnte, sondern daß er immerdar in der Gegenwart Gottes weilt.
Als ich langsam weiterfuhr bot sich mir zu beiden Seiten der Straße ein Bild der Verwüstung. Riesige Lastkraftwagen waren umgestürzt und lagen da wie große, hilflose Seeungeheuer. Ich klammerte mich im Denken an die Wahrheit und hielt an, Gott für Seinen Schutz „unter dem Schirm des Höchsten“ und für die Sicherheit all Seiner Ideen zu danken. Ein Gefühl der Freude überkam mich, Freude über mein Verständnis, daß das ganze Geschehen — Schnee und Wind — machtlos war, und daß Gott von all dem nichts wußte. Als ich den Rand eines Dorfes erreichte, entdeckte ich, daß man über einen langgestreckten Hügel fahren mußte, um das Dorf hinter sich zu lassen. Eine lange Reihe von Lastautos und Privatwagen warteten hier, einige davon waren umgestürzt.
In diesen Augenblicken wirkte das Sinnenzeugnis sehr stark und drängte mich, in dem Städtchen über Nacht zu bleiben, denn es begann schon zu dunkeln. Doch auch eine Menge von Engelgedanken durchfluteten mein Bewußtsein, bis ich mich über alles erhoben hatte. Dann fiel mir ein, daß es auf der anderen Seite des Dorfes noch einen Weg gab, der halbwegs auf den Hügel hinauf und dann um ihn herum führte. Ich war imstande, ihn zu finden. Er war ohne jeden Verkehr und obwohl er außerordentlich glatt war, erreichte ich doch bald den höchsten Punkt, womit ich außerhalb der Gefahrenzone war. Hier gab es keine Anzeichen von Verwüstung und Unglücksfällen. Der Himmel war blau und lächelnd lag ein See vor meinen Augen; die Felder waren frei von Schnee, und die Straße war vollständig trocken. Der Bann war gebrochen. Ich warf einen Blick über meine Schulter zurück und sah die dunkeln Wolken schnell verschwinden; in Sicherheit setzte ich meinen Heimweg fort. Als ich die soeben durchlebte Stunde überdachte, erkannte ich, daß Gott mich nicht mehr als andere liebte und daß Er für mich nicht mehr als für andere tat, denn Er liebt alle. Doch nun verstand ich Gott und wußte, daß Seine Liebe und Fürsorge dementsprechend zum Ausdruck gekommen waren. Ich wußte, daß Er mich umgab, und daß ich mich unter Seiner geistigen Führung fortbewegte und ich freute mich auf dem ganzen übrigen Heimweg über mein Verständnis von der Christlichen Wissenschaft.
Wenn die Stürme der mesmerischen, sterblichen Suggestionen, wenn Symptome und Gefühle versuchen, uns zu erschüttern, dann ist der Augenblick gekommen, uns der unsichtbaren Gegenwart des Guten zuzuwenden, die immerdar und gerade da, wo wir sind, vorhanden ist. Welche Segnungen werden uns zuteil, wenn wir uns auf die göttliche Macht und das göttliche Sein verlassen, denn dann werden wir geistig über das sterbliche Sinnenzeugnis erhoben, bleiben unberührt von den Einflüssen der falschen Vorstellungen und werden nicht zerstört durch die Stürme der sterblichen Leidenschaften. Wo immer wir auch sein mögen, was immer die materielle Lage zu sein scheint, ob wir in der Luft sind, auf oder unter der Erde, auf oder unter dem Meere — es gibt keine gefahrvollen oder hoffnungslosen Zustände für denjenigen, der an den einen Gott, das eine Gemüt, die eine Macht und Substanz, das eine Gesetz glaubt und daran festhält. Auf diese geistigen Wahrheiten stets vertrauen, heißt, menschlichen Schutz, Kraft und Halt beweisen. „Mehr als könglich ist die Majestät der Demut des Christusprinzips; seine Macht besteht in den ewig fließenden Strömen der Wahrheit, die das Universum durchfluten, es erschaffen und regieren; und seine strahlenden Güter an Erkenntnis sind die Wunder des unerschöpflichen Seins. Suchet danach bis ihr euch ihre Schätze zu eigen macht“ (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany von Mrs. Eddy, S. 149).
Unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichbar ist, das ist ewig. — 2. Korinther 4:17, 18.