Der Ausdruck „friedliches Zusammenbestehen“ wird heute in Verbindung mit internationalen Angelegenheiten gebraucht. Für den Christlichen Wissenschafter ist die Demonstration des Zusammenbestehens des Menschen mit Gott das Mittel, Frieden in seiner menschlichen Erfahrung zu erleben.
Der scheinbare Zwiespalt zwischen den geistigen Kräften Gottes, des Guten, und den sogenannten Kräften des persönlichen Sinnes muß im individuellen Bewußtsein gelöst werden. Der durch den einzelnen gewonnene Sieg wird die gesamte soziale Struktur durchdringen. Falsche Voraussetzungen könnten den Unbedachten zu der Annahme verleiten, daß es ein Zusammenbestehen von Gut und Böse, Leben und Tod, Krankheit und Gesundheit, Heiligkeit und Gottlosigkeit gibt. Dann würde sich das Argument einschleichen, wir müßten lernen, mit dem Bösen zu leben, weil Gott es geschaffen hat, es kennt und uns die Beschränkungen des Bösen auferlegt. Diese Annahme ist die Grundlage vieler menschlicher Feindschaften, zwischen einzelnen sowohl als auch zwischen Gruppen und Völkern.
Die Wissenschaft enthüllt die Wahrheit, daß das Zusammenbestehen zwischen Gott und dem Menschen eine geistige Tatsache ist, während das Zusammenbestehen von Gegenteilen, wie zum Beispiel Gut und Böse, eine wissenschaftliche Unmöglichkeit darstellt. In „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften) sagt Mary Baker Eddy (S. 47): „Die Wissenschaft kehrt den Augenschein der materiellen Sinne mit der geistigen Erkenntnis um, daß Gott, Geist, die einzige Substanz ist, und daß der Mensch, Sein Bild und Gleichnis, geistig ist, nicht materiell. Diese große Wahrheit zerstört nicht, sondern verwirklicht die Identität des Menschen, wie auch seine Unsterblichkeit und Präexistenz oder sein geistiges Zugleichbestehen mit seinem Schöpfer.“
Friedliches Zusammenbestehen in menschlichen Angelegenheiten ist möglich auf Grund dieses Zusammenbestehens des Menschen und des Universums mit Gott, dem göttlichen Prinzip, und nicht auf Grund irgendwelcher menschlichen Pläne oder Systeme. Tatsächlich können solche Pläne nur in dem Maße nützlich sein, wie sie den göttlichen Plan widerspiegeln.
Friedliches Zusammenbestehen im menschlichen Bereich bedeutet natürlich nicht, daß sich jemand dem aggressiven Falschen gegenüber in Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit einlullen lassen oder den Fehler machen sollte, Unrecht Recht zu heißen. Das wäre weit davon entfernt, Frieden zu bedeuten. Wirklicher Friede kann nur innerhalb dessen aufgerichtet werden, was mit dem göttlichen Prinzip, Gott, übereinstimmt. Außerhalb dieses Prinzips kann es keinen Frieden geben. Das göttliche Prinzip wird nicht zum Ausdruck gebracht, wenn irgend ein Stadium des Bösen für gut gehalten wird. Weder die Bibel noch die Christliche Wissenschaft machen diesen Fehler. Jesaja äußert sich dazu wie folgt (5:20): „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse heißen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!“ Gut und Böse müssen genau bestimmt werden, um den einzelnen wie die gesamte menschliche Gesellschaft vor den arglistigen Annahmen des Bösen zu schützen, die als gut herumstolzieren.
Die Tatsache, daß Gott absolut sündlos ist, ohne den geringsten Makel des Bösen oder der Materie, bedeutet, daß Seine Widerspiegelung, der Mensch, ebenfalls sündlos sein muß. Diese Wahrheit kann in jeder Situation zur Grundlage für die Unterscheidung zwischen dem Geistigen und dem Materiellen, dem Wirklichen und dem Unwirklichen und dem Rechten und Falschen gemacht werden. Selbst bei scheinbarem Widerstreit kann sich ein Christlicher Wissenschafter bis zu einem gewissen Grade Frieden erhalten, wenn er die geistige Tatsache in allem wahrnimmt. Hierdurch versäumt er weder, böse Annahmen zurückzuweisen, noch übersieht er sie einfach. Statt dessen ersetzt er jede Einflüsterung von der Wirklichkeit des Bösen mit der Wahrheit von der Natur Gottes, des göttlichen Prinzips, und des Menschen.
Die Wahrheit besteht nicht zusammen mit dem Irrtum und kann nicht mit ihm zusammenbestehen; noch kann die Menschheit in Frieden leben, wenn sie an Unwahrheiten glaubt. Die Menschen mögen mit andern in Frieden leben, aber sie können nicht wissenschaftlich dulden oder annehmen, was unwahr ist. In der Wissenschaft ist der Widerstreit nicht so sehr zwischen einzelnen, wie zwischen Wahrheit und Irrtum. Dieser Zwiespalt kann im individuellen Bewußtsein gelöst werden durch das Unterscheiden, was geistig wahr ist und was es nicht ist. Wiederum sollte klar zwischen dem einzelnen und den Fehlern, die er vielleicht macht oder ausdrückt, unterschieden werden. Unter solchen Umständen trennt der wissenschaftliche Christ seine Vorstellung von Irrtum von seiner Vorstellung vom Menschen. Geistiges Verständnis lenkt sein Denken ab von der Neigung zu glauben, daß Irrtum persönlich oder wirklich sein könnte, und hin zu der Wahrnehmung der Tatsachen über den Menschen als Gottes Bild und Gleichnis.
In „Miscellaneous Writings“ sagt Mrs. Eddy (S. 61): „Die Sterblichen scheinen sehr materiell zu sein, der Mensch als Gleichnis des Geistes, ist geistig.“ Und in dem folgenden Absatz erklärt sie: „Der Mensch wird nur in dem wahren Gleichnis seines Schöpfers erblickt. Der Glaube an eine Lüge verschleiert die Wahrheit für unseren Blick. Gerade so ist es in der Mathematik: Beim Zusammenzählen positiver und negativer Größen hebt die negative Größe eine gleich große positive auf, und um diesen Betrag wird die positive oder wirkliche Größe weniger vorhanden sein.“ Die wichtigsten Wahrheiten in der Wissenschaft betreffen Gott und Seine Idee. Die größten Falschheiten sind irrige Erklärungen dieser Wahrheiten. Es besteht daher für den Menschen die beständige Notwendigkeit, die Wahrheit des Seins zu erkennen und zu glauben, und die Lügen darüber emsig zurückzuweisen. Das Verständnis, daß Gott unendlicher Geist und der Mensch Seine geistige Widerspiegelung ist, wird jedem einzelnen, der dieses Verständnis pflegt, einen richtigen Begriff von friedlichem Zusammenbestehen entfalten. Jesus zeigte seine Wahrnehmung dieser Wahrheit des Seins, als er in der Gegenwart seiner Jünger betete (Joh. 17:20, 21): „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden, auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; daß auch sie in uns eins seien, auf daß die Welt glaube, du habest mich gesandt.“
Der Christliche Wissenschafter kann ein friedlicher und liebevoller Nachbar für jene sein, die an scholastiche Theologie oder materielle Medizin glauben, ohne diese Lehren selbst anzunehmen. Weil es keine erfolgreiche Vermischung des Falschen mit dem Wahren in Religion oder Medizin geben kann — weder in Theorie noch in Praxis — so hütet sich der gehorsame Christliche Wissenschafter vor dem Fehler, mit der einen oder anderen einen Kompromiß zu schließen. Wenn sich daher ein Patient entschließt, sich wegen seiner Heilung an einen Arzt oder Chirurgen zu wenden, so gibt der Ausüber den Fall in aller Freundschaft auf. Die Anweisung unserer Führerin in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ läßt keinen Zweifel über diesen Punkt zu. Sie lautet (S. 443): „Wenn die Patienten die heilende Kraft der Christlichen Wissenschaft nicht an sich erfahren, und wenn sie glauben, daß sie durch gewisse, allgemein gebräuchliche physische Methoden medizinischer Behandlung Nutzen empfangen können, dann sollte der Gemüts-Arzt solche Fälle aufgeben und es den Kranken freistellen, ihre Zuflucht zu irgendeinem System zu nehmen, von dem sie meinen, daß es ihnen Erleichterung gewähren werde.“
Die Versuchung, Anstoß an aggressivem Unrecht zu nehmen, das sich der einzelne im Familienkreis, in der Kirche, im Geschäft, örtlich wie auch national oder international zu Schulden kommen läßt, muß wissenschaftlich gehandhabt werden. Nichts Falsches braucht beschönigt oder verziehen zu werden, es braucht jedoch auch nicht gefürchtet oder übelgenommen zu werden. Man muß lernen, Vertrauen in die Fähigkeit Gottes, der göttlichen Wahrheit, und Seines Christus zu haben, die dunkelsten Schlupfwinkel des menschlichen Denkens mit Läuterung, Wiedergeburt und Berichtigung zu erreichen. Zuversichtliches Vertrauen erhebt den Gedanken über den Augenschein der körperlichen Sinne empor zu jenem Bewußtsein, welches seinen Erlöser kennt, und welches außerdem weiß, daß die Gerechtigkeit schließlich in den Angelegenheiten der Menschheit obsiegen wird. Wer sein Denken auf diese korrekte Grundlage gründet, kann nicht versucht werden, die Lüge oder den Lügner, den sündigen Angriff noch dessen Verüber anzubeten oder zu fürchten. Er kann nicht so hintergangen werden, daß er dem falschen Augenschein erlaubt, seine Aufmerksamkeit bis zum Ausschluß der geistigen Tatsachen, welche den Fall regieren, in Anspruch zu nehmen.
Der Christliche Wissenschafter weiß, daß die geistige Tatsache durch die Umkehrung des materiellen Augenscheins entdeckt wird, nicht durch Übereinstimmung damit. Paulus weist auf den Weg des Christus hin, wenn er sagt (2. Cor. 10:3–5): „Denn ob wir wohl im Fleisch wandeln, so streiten wir doch nicht fleischlicherweise. Denn die Waffen unsrer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu zerstören Befestigungen; wir zerstören damit die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Vernunft unter den Gehorsam Christi.“
Die Frage könnte gestellt werden: „Sollte denn menschlich nichts unternommen werden, um aggressive Unbill innerhalb des sozialen Gefüges zu berichtigen?“ Gewiß sollte etwas getan werden! Doch es sollte wohl bemerkt werden, daß, was auch immer unternommen wird, um ein Unrecht zu berichtigen oder einem Angriff Einhalt zu tun, schneller durch jene vollbracht wird, deren klare geistige Wahrnehmung sie befähigt, das Menschliche dem Geistigen in ihrem Denken zu unterwerfen. Der Ruf nach Taten in der Auseinandersetzung mit dem sterblichen Irrtum schließt auch die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung einer gelassenen, klaren Vorstellung der geistigen Tatsachen ein, die den Fall regieren. Dies sind die Möglichkeiten, durch die jeder entdecken kann, daß friedliches Zusammenbestehen eine gegenwärtige Möglichkeit ist und daß das geistige Verständnis den Schlüssel dazu bildet.
