Mary Baker Eddy schreibt im Handbuch Der Mutterkirche (Art. XXIII, Abschn. 10): „In der Christlichen Wissenschaft soll die Verwaltung jeder Zweigkirche ausgesprochen demokratisch sein, und keine Person und keine Kirche darf sich in ihre Angelegenheiten einmischen.“ Diese Regel bietet den Mitgliedern der Zweigkirchen besondere und wertvolle Gelegenheiten sowie Verantwortlichkeiten. Sie sichert allen Mitgliedern gleiches Stimmrecht zu, sowie das Recht, in Betracht gezogene Maßnahmen freimütig zu erörtern, das Recht, Mängel zu beanstanden, und sie gewährt den Minoritäten vollen Schutz.
Ein wahrhaft demokratischer Geist bei der Leitung einer christlich-wissenschaftlichen Zweigkirche zeugt von geistigem Wachstum auf Seiten der Mitglieder. Das Erlangen dieses guten Geistes bedeutet, daß die Mitglieder in großem Maße eigensinnigen menschlichen Willen aufgegeben haben, und demütig bereit sind, Gottes Willen geschehen zu lassen. Doch Gottes Wille wird in den menschlichen Angelegenheiten nicht etwa durch Apathie oder Fatalismus zur Auswirkung gebracht, noch durch geduldiges Hoffen auf das Beste, noch durch passives Denken, das dem Irrtum erlaubt, gedanklich die Oberhand zu gewinnen.
Gottes Wille ist eine positive Kraft — wie die Christliche Wissenschaft offenbart — ein unerbittliches göttliches Gesetz, das unter allen Umständen das höchste Gute hervorbringt. Wenn der rechte Geist der Demokratie in einer Zweigkirche herrscht, so streben die Mitglieder eifrig danach, die Intelligenz zum Ausdruck zu bringen, die Gottes Willen kundtut und die Gegenwart Seines von der Weisheit regierten Reiches beweist. Jeder einzelne Mensch muß über seinem eigenen Bewußtsein wachen, und er sollte in Verbindung mit dem göttlichen Prinzip verbleiben, im Bestreben, der Leitung des Vaters zu folgen, nicht aber die persönlichen Meinungen anderer zu beeinflussen. Doch ein freier Austausch von Ideen ist unerläßlich für eine demokratische Regierung.
Wenn herabsetzende Kritik an den ordnungsgemäß gewählten Kirchenbeamten ein Kirchenmitglied zu versuchen scheint, so sollte dieses sein Denken prüfen, um festzustellen, in welchem Maße es zu dem demokratischen Geist beiträgt. Und es täte wohl daran, sich der Tatsache bewußt zu bleiben, daß Gott — wie die Wissenschaft erklärt — uns alle regiert, und daß Er alles beherrscht, dessen sich der Mensch bewußt ist.
Je höher wir uns in der Demonstration der individuellen Widerspiegelung des göttlichen Gemüts, die wir doch in der Wissenschaft darstellen, erheben, desto klarer werden wir die Gegenwart des göttlichen Prinzips erkennen, das uneingeschränkte Herrschaft über seine Ideen ausübt. Mrs. Eddy sagt in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 276): „Der Mensch und sein Schöpfer stehen in der göttlichen Wissenschaft in Wechselbeziehung zu einander; das wirkliche Bewußtsein weiß nur um die Dinge Gottes.“
Hieraus ergibt sich, daß man, wenn man sich gewisser Dinge und Handlungen bewußt zu werden scheint, die nicht von Gott kommen können, selber aus dem Traum der Sterblichkeit und der bösen Einflüsse erwachen muß. Die beste Art, unser Denken beschäftigt zu halten, besteht darin, selbst nach dem Erlangen des wahren Bewußtseins zu streben. Dann wird man nicht auf dem persönlichen Daseinsbegriff verweilen, der nur zu unnötiger Kritik anderer führt. Christus Jesus sagte (Matth. 10:36): „Des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.“ Die sterblichen Annahmen, die wir hegen, verdunkeln das Himmelreich vor unserem eigenen Bewußtsein; und nichts anderes könnte das tun.
Wenn der demokratische Geist das Kirchenmitglied charakterisiert, so nimmt es sich in acht, die Beschlüsse der Kirchenbeamten weder mental noch persönlich zu beeinflussen, sofern diese Beschlüsse in das Bereich jener Beamten fallen. Den Beamten einer Zweigkirche, die bei einer Abstimmung der Mitgliederversammlung durch Mehrheitsbeschluß gewählt worden sind, sollte es überlassen bleiben, bei der Leitung der Kirchenangelegenheiten ihre eigene Demonstration von Weisheit zu machen. Viel Disharmonie kann vermieden werden, wenn die Kirchenbeamten mit dem nötigen Respekt behandelt werden, und es ihnen gestattet wird, gemäß ihrem höchsten Begriff vom Prinzip zu handeln. Die Statuten der Zweigkirchen lassen immer eine rechtmäßige Berichtigung irgendeiner von dem Vorstand getroffenen Entscheidung zu, wenn die Kirchenmitglieder der Ansicht sind, daß die Entscheidung unweise war oder daß sie dem Sinn der Kirchengesetze widerspricht. Doch die Berichtigung solch einer Entscheidung kann immer mit gutem Humor und in wahrhaft demokratischem Geist vorgenommen werden.
Für jedes Kirchenmitglied sollte es eine Sache der Ehre und des Gewissens sein, die von der Mitgliederschaft angenommenen Kirchengesetze zu befolgen. Mrs. Eddy kannte die Gefahr der Gesetzlosigkeit und schrieb in ihrem Buch „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 203): „Kirchengesetze, die ohne Auflehnung befolgt werden, sind Gottes Gesetze.“
Die Gesetze, die menschliche Wesen formulieren, können gewöhnlich noch verbessert werden. Doch ein gesetzloses Vorgehen, bei dem Versuch sie zu verbessern, ist kein Zeichen des Fortschritts und kann auch nicht den demokratischen Geist der entsprechenden Kirche fördern. Ein behutsames Vorgehen beim Abändern von Kirchengesetzen hat die Wirkung, unweisem Verfahren Einhalt zu tun und der Weisheit den Sieg zu verschaffen. Denn solche Methoden bieten den Mitgliedern Gelegenheit, sorgfältig nachzudenken und in ihren Entscheidungen über notwendige Änderungen Klugheit zum Ausdruck zu bringen.
Die Minorität einer Kirche fühlt sich zuweilen vernachlässigt oder sogar verachtet. Wenn jedoch der christliche Geist der Liebe in einer Kirche waltet, so wird auch die Minorität stets geachtet. Zahlen sind nicht immer ein Beweis höherer Weisheit; doch in dem Maße wie jeder einzelne danach strebt, in seinem Denken und Handeln die Herrschaft der Liebe zu demonstrieren, wird die wahre Idee von Kirche in Erscheinung treten. Die Zweigkirche wird sinnbildlich den herrlichen Bau Gottes darstellen, und wir werden wahrnehmen, wie die Menschheit fortschreitet — aus dem sterblichen Daseinsbegriff in die harmonische Gegenwart des von der Liebe regierten Reiches Gottes.