Eine alte Erzählung berichtet von zwei Eimern, mit denen Wasser aus einem Brunnen geholt wurde. Der eine Eimer sagte: „Immer, wenn ich voll vom Brunnen weggehe, so kehre ich leer zurück.“
Der andere Eimer bemerkte: „Wie oft ich auch leer zum Brunnen komme, immer gehe ich voll von ihm weg.“
Obwohl dies gegensätzliche Behauptungen sind, so hatte doch jeder der beiden Eimer von seinem individuellen Gesichtspunkt aus recht: der eine nahm einen, düsteren und verneinenden Standpunkt ein, der andere aber einen freudigen und bejahenden.
Im Umgang mit Menschen, ja bei jedem Problem, ist es notwendig, den richtigen Gesichtspunkt zu gewinnen, denjenigen, der geistig, bejahend und wahr ist. Alle Christen nehmen sich Christus Jesus zum Vorbild für ihr tägliches Leben. Der Meister-Christ, der wissenschaftlichste Mensch, der je auf diesem Planeten wandelte, nahm allem gegenüber ohne Zögern oder Zaudern den geistigen Standpunkt ein. Dies befähigte ihn, mächtige Werke zu vollbringen, die Kranken zu heilen, den Blinden das Gesicht, den Tauben das Gehör und den Lahmen den Gebrauch der Füße wiederzuerstatten, die Aussätzigen zu reinigen und die Toten zu erwecken.
In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft (S. 476): „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“
Jeder von uns kann sich diese Fragen stellen: „Was ist mein Gesichtspunkt? Welchen Standpunkt nehme ich ein? Sehe ich den Menschen als haßerfüllt, krank, sündig und sterblich? Blicke ich hinaus auf eine materielle Welt der Disharmonie, des Krieges und der Zerstörung?" Wenn wir diese Fragen mit „ja“ beantworten müssen, dann laßt uns Jesu Beispiel folgen, indem wir die falschen Annahmen umkehren und auf diese Weise den richtigen Gesichtspunkt gewinnen.
Die Christliche Wissenschaft, die mit der Bibel übereinstimmt, lehrt, daß das Universum der Gottes-Schöpfung, in dem der Mensch lebt, geistig und mit göttlichen Ideen bevölkert ist. An dieser Wohnstätte könnte es unmöglich falsche Annahmen wie Disharmonie, Hungersnot und Katastrophen geben. Der Mensch, das Bild und Gleichnis Gottes, des göttlichen Gemüts, ist sich einzig dieser himmlischen Wohnstätte bewußt, an der die ganze Schöpfung sicher, beschützt, harmonisch, voll brüderlicher Liebe und in Frieden ist.
Der Apostel Paulus erklärte diesen klaren Standpunkt als er in seinem zweiten Brief an die Korinther schrieb (4:18): „Wir sehen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ Ebenso sicher wie die Dunkelheit verschwindet, wenn ein Licht eingeschaltet wird, und ein Rechenfehler verschwindet, wenn man die Wahrheit von den Zahlen kennt und anwendet, so verschwinden falsche Annahmen in ihr natürliches Nichts, wenn der wahre und geistige Standpunkt demonstriert wird.
Eine Anfängerin im Studium und der Anwendung der Christlichen Wissenschaft lernte einmal eine wertvolle Lektion, an die sie sich noch lange erinnerte. Beim Schwimmen erlitt sie eine leichte Verletzung am Fuß, und die Wunde wurde infiziert. Sie arbeitete mehrere Tage an diesem Problem, aber der Zustand wurde beunruhigend schlimmer. Dann wurde sie gewahr, daß sie die Regeln der Christlichen Wissenschaft nicht richtig angewandt hatte. Nachdem sie ernstlich um mehr Verständnis und Führung gebetet hatte, wurde es der Wissenschafterin klar, daß sie versucht hatte, die Materie zu verändern, wo doch in Wirklichkeit, Gott, der Geist, Alles-in-allem ist. Sie erkannte, daß das Gift nicht in ihrem Fuß sondern in ihrem materialistischen Denken war.
Sie sah auch ganz klar ein, daß sie eine falsche Vorstellung über einen anderen Menschen gehegt hatte. Eine Verwandte hatte ihr ein Unrecht zugefügt, und sie hatte Annahmen von Groll, Ungerechtigkeit und Selbstbedauern festgehalten. Dies war der Boden, in dem das Gift sich entwickelt hatte.
Die Schülerin dachte darüber nach, daß, wenn die Verwandte eine Maske aufhätte, mit der sie wie ein Affe oder wie eine Karikatur von jemandem oder von etwas aussehen würde, sie dies als eine Verkleidung erkennen würde. Dann bemühte sie sich, die häßliche Maske einer sterblichen Auffassung abzureißen und den wirklichen Menschen, Gottes vollkommenes, geliebtes Kind, zu sehen. Sobald das mentale Bild ausgelöscht war, öffnete und entleerte sich die körperliche Wunde. Am folgenden Tage war die Heilung so vollständig, daß sie nicht mehr wußte, welcher Fuß infiziert gewesen war.
Mrs. Eddy faßt diese geistige Methode des Heilens durch Erlangung des richtigen Gesichtspunktes in folgenden Worten zusammen (Wissenschaft und Gesundheit, S. 428): „Den Gedanken falscher Stützen und des materiellen Augenscheins zu entkleiden, damit die geistigen Tatsachen des Seins erscheinen können — das ist die große Errungenschaft, durch die wir das Falsche wegfegen und dem Wahren Raum geben werden.“
Die geistigen Tatsachen des Seins sind immer gegenwärtig, um erkannt zu werden. Laßt uns den richtigen Gesichtspunkt gewinnen und beständig an ihm festhalten, um uns so eines glücklicheren, harmonischeren und reicheren Erlebens zu erfreuen.