Im allgemeinen hat man Erlösung aufgefaßt als einen Zustand der Freiheit von Sünde und Zerstörung, der in der gegenwärtigen Welt unerreichbar ist, der aber — so hofft man — eintreten wird in einem unbestimmten Reich, das gemeinhin als das Jenseits bezeichnet wird. Die falschen Auffassungen über die wahre Bedeutung der Erlösung, die der biblischen Verheißung, die Erlösung sei eine gegenwärtige Möglichkeit, widersprechen, haben zu innerem Unglück und einer Abkehr von Gott geführt.
Es ist daher erfreulich, daß die Annahmen von einer Bestrafung oder einer nur bedingten Erlösung, die uns in einer zukünftigen Welt erwarten, in dem Licht erleuchteten Denkens vergehen.
Mrs. Eddy, die nach ihrer eigenen körperlichen Heilung durch das Anerkennen der Macht Gottes das Verlangen hatte, die ganze Menschheit zu segnen, sagt in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 194): „Nur jene Männer und Frauen erringen Größe, die sich selbst in vollkommener Selbstüberwindung finden.“
Christus Jesus benutzte sein geistliches Amt voll und ganz, um das Leben der Menschen allein durch die Macht Gottes, der Wahrheit, zu erretten; und er tat dies nicht nur für die, mit denen er in Berührung kam, sondern für die ganze Menschheit. Er speiste die Hungrigen, kehrte die Annahme von Mangel um durch die Anerkennung der immerwährenden und unbegrenzten Versorgung durch den Geist, heilte die Leidtragenden und erweckte die Toten. Von diesen Werken sagte er (Joh. 5:30): „Ich kann nichts von mir selber tun.... Ich suche nicht meinen Willen, sondern des Vaters Willen, der mich gesandt hat.“ War dies nicht eine bestimmte Verneinung persönlicher Macht oder Fähigkeit? Jesus wies jede Vorstellung von einem materiellen Selbst zurück durch die demütige, vollständige Anerkennung Gottes, der göttlichen Liebe, die unser aller Schöpfer ist. Seine unbeirrbare geistige Erkenntnis von Gott als dem einen und einzigen Vater befähigte ihn, alle Menschen in ihrer wahren Selbstheit als Brüder zu sehen, und diese reine Liebe und bewußte Vergegenwärtigung von der Vollkommenheit des wirklichen, geistigen Menschen wurde in körperlichen Heilungen bewiesen.
Unsere Führerin erklärt den wissenschaftlichen Gesichtspunkt des Meisters in dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit“, wo sie schreibt (S. 314): „Unser Meister gelangte zur Lösung des Seins und demonstrierte das Vorhandensein von nur einem Gemüt, ohne ein Zweites oder Gleiches.“
Jahrelang litt die Verfasserin unter einem sogenannten Minderwertigkeitsgefühl. Nach längerem, ernstem Studium der Bibel und des Buches „Wissenschaft und Gesundheit“ — und besonders nachdem sie ein aktives Mitglied einer christlich-wissenschaftlichen Zweigkirche geworden war — erkannte sie, daß sie in ihrem Denken Selbstgerechtigkeit und Selbstrechtgertigung beherbergte. Sie fuhr fort zu beten, damit weitere Erscheinungsformen eines falschen Selbstbewußtseins zerstört werden möchten.
Besteht unser Kerker nicht tatsächlich in einem Bewußtsein, das angefüllt ist von Egoismus und vergittert durch die hemmenden Beschränkungen persönlicher Unterschätzung oder ihrem Gegenteil, persönlicher Überheblichkeit? Albert Einstein, dessen tiefgehende Forschungen zu der wissenschaftlichen Gleichung führten, die die Nutzanwendung der Atomenergie ermöglicht, äußerte die folgende Ansicht über die entsprechende menschliche Gleichung: „Der wahre Wert eines Menschen wird in erster Linie dadurch bestimmt, bis zu welchem Grade und mit welchem Verständnis er sich vom eigenen Ich frei gemacht hat.“
Erlösung beginnt mit dem individuellen Anerkennen der geistigen Wirklichkeit; dann folgt das beharrliche Bestreben, den Ansprüchen der materiellen Selbstheit, die auf den Glauben an eine von Gott getrennte Wesenheit oder Macht gegründet ist, entgegenzuwirken. Ein Beweggrund mit dem Ziel, andere zu segnen, entspringt der Liebe; er ist eine Widerspiegelung der göttlichen Liebe. Mag ein einzelnes Bemühen auch dürftig erscheinen, eine weltweite Erlösung muß doch stets von den einzelnen Menschen ausgehen, bis das vielfache Einstimmen von Millionen das Universum in Liebe und Frieden umfängt.
Mrs. Eddy betont die Notwendigkeit und die vereinende Wirkung einer solchen Zielstrebigkeit mit folgenden Worten (ebd., S. 291): „Allgemeine Erlösung beruht auf Fortschritt und Prüfung und ist ohne diese unerreichbar. Der Himmel ist keine Örtlichkeit, sondern ein göttlicher Zustand des Gemüts, in dem alle Offenbarwerdungen des Gemüts harmonisch und unsterblich sind, denn es gibt dort keine Sünde, und es erweist sich, daß der Mensch keine eigene Gerechtigkeit hat, sondern daß er, des Herrn Sinn‘ besitzt, wie die Bibel sagt.“