Als eine Anhängerin der Christlichen Wissenschaft eines Abends ihr Zimmer betrat, erkannte sie eine schöne Rose in einer Vase schon an dem lieblichen Duft, den sie ausströmte, noch ehe sie das Licht eingeschaltet hatte. Sie kam zu der Überlegung, wie doch eine künstliche Rose in derselben Vase uns einen Augenblick lang täuschen könnte, bis sich herausstellen würde, daß es sich nur um eine künstliche Blume handelte, weil kein Duft von ihr ausgeht. Sie zog daraus die Schlußfolgerung, daß ein falscher Begriff vom Menschen als einem Sterblichen, der an Krankheit oder Sünde leidet, uns ebenso täuschen kann, bis wir zu dem Verständnis von der wissenschaftlichen und geistigen Identität des Menschen als des Kindes Gottes erwachen.
In der Christlichen Wissenschaft lernen wir verstehen, daß Gott das göttliche Prinzip, die Liebe, ist, und der Mensch Seine Widerspiegelung. Daher ist der Mensch der Ausdruck der göttlichen Liebe, der Strahlenglanz des göttlichen Lebens, die Kundwerdung des göttlichen Gemüts. Wahrlich, der Mensch als das Bild und Gleichnis Gottes ist die vollkommene Verköperung der Eigenschaften Gottes.
Wie der Duft der Rose von der Gegenwart der Rose zeugt, ebenso läßt der Mensch, der die Natur Gottes widerspiegelt, die ewige, von Liebe begleitete Gegenwart Gottes kundwerden. Der Mensch kann nur mit seinem Ursprung identifiziert werden, und daher bringt er nur Reinheit, Freude, Demut, Liebe, Gesundheit und andere gottähnliche Eigenschaften zum Ausdruck.
In der Bibel lesen wir von Menschen, die klare Lichtblicke hatten von der wahren Vorstellung von Gott und dem Menschen als Seinem Bild und Gleichnis. Jakob rang mit materiellen Vorstellungen in seinem eigenen Bewußtsein, bis er einen Lichtblick erhaschte von seiner wahren Identität und der seines Bruders Esau, den er betrogen hatte. Als Rache und Bitterkeit der Erkenntnis von des Menschen Identität als eines Kindes Gottes Platz gemacht hatten, konnte Jakob das sagen, was er bald darauf zu Esau sagte (1. Mose 33:10): „Ich sah dein Angesicht, als sähe ich Gottes Angesicht; und laß dir's wohl gefallen von mir.“
Christus Jesus, unser Meister, identifizierte den Menschen beständig als das Bild und Gleichnis Gottes. Es war Jesu umfassendes Verständnis von der Vollkommenheit Gottes und des zu Seinem Ebenbild erschaffenen Menschen, das ihn befähigte, die Kranken zu heilen, die Teufel auszutreiben, Gesicht und Gehör wiederherzustellen und die Toten zu erwecken. Er sprach stets mit göttlicher Vollmacht, doch er erkannte an, daß die Quelle jener Vollmacht Gott war, als er sagte (Joh. 14:10): „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke.“
Als Simon Petrus den Christus als die geistige Selbstheit Jesu erkannte, sagte der Meister (Matth. 16:17): „Selig bis du, Simon, Jona's Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Nachdem diese Erkenntnis des Christus, der geistigen Idee der Sohnschaft, sich im Denken des Petrus weiter entfaltet hatte, war er imstande den lahmen Mann, der vor der Tür des Tempels saß, augenblicklich zu heilen, indem er ihn mit diesem machtvollen Gebot ansprach (Apg. 3:6): „Stehe auf und wandle!“
Das Studium der Christlichen Wissenschaft verleiht uns die Fähigkeit, unsere geistige Identität als Kinder Gottes zu erkennen. Wir dürfen jedoch nicht das menschliche Streben außer acht lassen, das unerläßlich ist, um den Forderungen dieser Wissenschaft nach einer moralischen Umwandlung — einer Wiedergeburt — nachzukommen.
Das Bemühen, uns selbst wissenschaftlich und geistig mit der makellosen Reinheit des Menschen zu identifizieren, hilft uns, die Sünde aus unserem Bewußtsein und aus unserer Erfahrung auszumerzen. In dem Maße, wie wir an unserer geistigen Identität festhalten und uns weigern, uns durch sterbliche Gedanken beeinflussen zu lassen, werden wir befähigt, in unserem täglichen Leben das unendliche, immergegenwärtige Gemüt zu demonstrieren, das sich immerdar durch den Menschen bekundet.
Mrs. Eddy sagt in ihrem Werk „Vermischte Schriften“ (S. 185): „Das Aufgeben alles dessen, was den sogenannten materiellen Menschen ausmacht, und das Anerkennen und Erlangen seiner geistigen Identität als Kind Gottes ist die Wissenschaft, die geradezu die Schleusen des Himmels öffnet, aus denen das Gute in alle Lebensbereiche hineinströmt und die Sterblichen von aller Unreinheit reinigt, alles Leiden zerstört und das wahre Bild und Gleichnis erscheinen läßt.“
Eines Abends litt eine junge Anhängerin der Christlichen Wissenschaft an einem so heftigen Anfall von Neuritis, daß sie nicht schlafen konnte. Eine Zeitlang mußte sie gegen die Annahme von Leben und Intelligenz in der Materie ankämpfen. Doch plötzlich wurde ihr Bewußtsein erleuchtet von dem Verständnis ihrer geistigen Identität als des vollkommenen Ebenbildes des einen und einzigen vollkommenen Gottes. Sie erkannte, daß das Christus-Bewußtsein das einzige Bewußtsein war, das sie in Wirklichkeit hatte, und daß dieses Bewußtsein nicht befleckt war von irgenwelchen unsichtbaren Sünden oder Suggestionen des sterblichen Gemüts.
Obwohl der Schmerz noch anzuhalten schien, war ihr Bewußtsein nun so erleuchtet von der Erkenntnis ihrer wahren Identität, daß sie zu Bett ging und auch bald darauf einschlief. Als sie erwachte, war sie vollkommen geheilt.
Wenn wir in zunehmendem Maße die Fähigkeit erlangen, die geistige Identität des Menschen als des Kindes Gottes zu erkennen, wird die scheinbare Macht des sterblichen Gemüts, das menschliche Denken unter der Knechtschaft materieller Vorstellungen zu halten, zerstört werden und sich nicht mehr in unserer Erfahrung zeigen. Auf diese Weise wird unser Bewußtsein so erhoben, daß es den Christus erkennen kann, durch welchen Umwandlung, Heilung und Erlösung kommen, und wir erlangen eine klarere geistige Schau von dem Reich Gottes, das schon inwendig in uns ist.
