Die folgenden Worte Christi Jesu (Joh. 14:12): „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue,“ bedeuten, daß die dem Menschen von Gott verliehene Macht unbegrenzt ist. Wir brauchen nur die zur Erlangung dieser Macht unerläßlichen Vorbedingungen zu erfüllen, um sie demonstrieren zu können. Die Entdeckungen in den verschiedenen Zweigen der Naturwissenschaften führen dazu, daß wir uns an Wunder gewöhnen, die ja durch deren ständig größer gewordene materielle Macht bewirkt werden — und so mag ein Erstaunen unsererseits bei dieser Erklärung des Meisters verhindert werden.
Das Streben nach der Bekundung unendlicher Macht ist der Menschheit angeboren. Aber wie viele beachten in ihrem Streben nach Macht die von Jesus für einen Erfolg in dieser Richtung festgelegten Bedingungen? Wenn sie auch von einigen Menschen einfach übersehen wurden, so gibt es doch viele, die ihnen sorgfältige Beachtung geschenkt haben, aber sie taten es in Übereinstimmung mit Tradition und menschlichen Methoden. Sehr oft ist die Schlußfolgerung gezogen worden, daß die Kraft des menschlichen Willens nützlich, ja sogar notwendig sein mag, da wir ohne diesen in unserem Existenzkampf schwach bleiben und ohne Hoffnung auf Erfolg sein würden. Aber diese Lehre setzt voraus, daß ein Konkurrenzkampf besteht, sie lehrt die Erlangung des Sieges durch Unterdrückung, den Mißbrauch von Gewalt und Tyrannei, und verleitet uns dazu, die fundamentalen Gesetze zu vergessen, die die Kundwerdung Gottes, der göttlichen Liebe, sind: die Energien der Freude, der Zuversicht, des Friedens.
Die Bibel sieht den Eigenwillen als ein Übel an. Und Mrs. Eddy schreibt auf Seite 144 ihres Buches „Wissenschaft und Gesundheit“: „Menschliche Willenskraft ist nicht Wissenschaft. Der menschliche Wille gehört den sogenannten materiellen Sinnen an, und sein Gebrauch ist zu verurteilen.“ Etwas später fügt sie hinzu: „Menschliche Willenskraft kann die Rechte der Menschen verletzen. Sie bringt dauernd Böses hervor, sie ist kein Faktor in der Wirklichkeit des Seins.“
Menschliche Willenskraft ist ganz gewiß nicht die richtige Antwort auf irgendein Problem in unserem Leben. Doch das rechte Verlangen, der Macht Gottes Ausdruck zu verleihen, kann nicht und sollte nicht übersehen werden, denn ein solches Verlangen steht in Übereinstimmung mit der Verheißung Jesu an die, die da glauben. Wir sollten die Regel des geistigen Denkens befolgen, die unsere Unternehmungen und Erfolge im Leben fördert, doch sorgfältig falsche Methoden vermeidet und den Willen Gottes erfüllt.
Diese Regel finden wir in der Bibel im 28. Kapitel des fünften Buches Mose: „Wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen wirst, daß du hältst und tust alle seine Gebote, die ich dir heute gebiete, so wird dich der Herr, dein Gott, zum höchsten machen über alle Völker auf Erden.“
Wir beherrschen und regulieren die Angelegenheiten der Welt nicht auf Grund unserer persönlichen Weisheit oder Torheit. In der Christlichen Wissenschaft sind wir geistige Ideen in Gottes Universum, die Seine geistige Regierung widerspiegeln; denn die Bibel erklärt uns, daß der Mensch das Bild und Gleichnis Gottes ist. Aber wir können uns die Segnungen Gottes, die Er Seiner Schöpfung verliehen hat, nicht zunutze machen, bis wir gewissenhaft Zeugnis ablegen von unserer Fähigkeit, die Attribute Gottes zu bekunden. Bevor jemand unter uns „über viel“ gesetzt werden kann, in Übereinstimmung mit der Verheißung Jesu in dem Gleichnis von den anvertrauten Zentnern (Matth. 25:21), muß er „über wenigem getreu gewesen“ sein.
Treue zeigt sich im Gehorsam gegen die Gesetze des Landes, in dem wir leben, und gegen das Handbuch Der Mutterkirche von Mrs. Eddy. Gehorsam erfordert, daß wir nur der Leitung Gottes folgen und den aggressiven Impulsen des sterblichen Gemüts nicht nachgeben, daß wir nach einer wahren Wertschätzung geistigen Friedens streben und uns unverrückbar an die Lehren der Christlichen Wissenschaft halten.
Ein Merkmal für die Beurteilung, ob ein Impuls dem persönlichen Bemühen der Willenskraft entstammt oder dem wachsamen, lebendigen und aufgeweckten Gehorsam gegen Gott, liegt in der Feststellung, ob dieser Impuls Freude, Frieden, Lauterkeit und Milde mit sich bringt. Wir können davon überzeugt sein, daß, wenn diese Eigenschaften in lebendiger Weise zum Ausdruck gebracht werden, Ordnung, Tätigkeit, Pünktlichkeit und Genauigkeit eine feste Grundlage haben.
Ein anderes Merkmal, das diese Unterscheidung für uns leichter macht, ist die Regel, die Mrs. Eddy im Artikel VIII, Abschnitt 1, des Handbuches Der Mutterkirche gegeben hat. Sie lautet: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb zu den Beweggründen oder Handlungen der Mitglieder Der Mutterkirche sein. In der Wissenschaft regiert allein die göttliche Liebe den Menschen. Ein Christlicher Wissenschafter spiegelt die holde Anmut der Liebe wider in der Zurechtweisung der Sünde, in wahrer Brüderlichkeit, Barmherzigkeit und Versöhnlichkeit. Die Mitglieder dieser Kirche sollen täglich wachen und beten, um von allem Übel erlöst zu werden, vom irrigen Prophezeien, Richten, Veruteilen, Ratgeben, Beeinflussen oder Beeinflußtwerden.“
Eine Frau, die sich von Familien- und Haushaltsproblemen bedrängt sah, glaubte, sie könne diese lösen, indem sie ihren Willen im Gegensatz zu allen, mit denen sie zusammenlebte, durchsetzte. Nun folgte eine Zeitspanne, in welcher größte Nervosität, Spannungen, Krankheit und eine äußerst unglückliche Familienatmosphäre die Szene zu beherrschen schienen.
Dann kam der Tag, wo ihre Aufmerksamkeit auf die oben zitierte Regel gelenkt wurde. Sie begann, sich mit dieser Regel vertraut zu machen, ja sie zu lieben. Diese Regel gab ihr sowohl die nötige Vollmacht, der Versuchung zu widerstehen, in irriger Weise zu verdammen, zu verurteilen oder zu beeinflussen, wie auch die Vollmacht, allen, mit denen sie zusammenlebte, Liebe entgegenzubringen. Auf diese Weise hielten Gesundheit, Friede, Freude und Zuneigung sehr bald wieder Einzug in ihrem Heim.
In ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ erklärt Mrs. Eddy die Wahrheit, die wir uns vergegenwärtigen, und die Einstellung, die wir haben sollten (S. 393): „Gemüt ist Herr über die körperlichen Sinne und kann Krankheit, Sünde und Tod besiegen. Mache von dieser gottgegebenen Vollmacht Gebrauch. Nimm Besitz von deinem Körper, und regiere sein Empfinden und Tun. Erhebe dich in der Stärke des Geistes, um allem zu widerstehen, was dem Guten unähnlich ist. Gott hat den Menschen dazu fähig gemacht, und nichts kann die dem Menschen göttlich verliehene Fähigkeit und Kraft aufheben.“
Die Vollmacht, die geistige Kraft verleiht und Heilung bringt, kann viel leichter widergespiegelt werden, wenn unser Gehorsam gegen Gott standhaft ist; denn wenn wir der Wahrheit und Liebe gehorchen, so bedeutet das, daß wir uns unsere Gotteskindschaft zunutze machen. Als Petrus versuchte, seinen Meister mit sterblichen Mitteln zu verteidigen, wurde er von Furcht erfüllt und leugnete den Christus. Doch als er sich mit dem Wesen Gottes, der Wahrheit, identifizierte, befähigte ihn dies, sich und die anderen erfolgreich vor dem Hohen Rat und dem Volk zu verteidigen; es befähigte ihn, die Kranken zu heilen, die Toten aufzuerwecken, und schließlich selbst einer der leitenden Führer bei der Gründung der christlichen Kirche zu werden.
Die vollkommene Quelle aller Vollmacht und aller wahren Stärke wird von unserem Meister sehr treffend in den folgenden Worten beschrieben (Joh. 5:19): „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern was er sieht den Vater tun; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.“
