Im allgemeinen menschlichen Sprachgebrauch wird die Fähigkeit zuweilen mit der Leistung verwechselt — die Macht, etwas zu vollbringen, mit der Ausführung des Vorhabens selbst. Tatsächlich ist die menschliche Fähigkeit lediglich eine Verheißung, die nur dann ihre Erfüllung findet, wenn sie praktisch angewandt wird. Sonst bleibt die Fähigkeit für den, der sie besitzt, nutzlos, und Mary Baker Eddy warnt uns, daß ungenutzte Fähigkeiten allmählich verlorengehen. Die Fähigkeit mag die Möglichkeiten eines Menschen bestimmen, doch seine Leistungen allein können seinen Wert bemessen und die wahre Geschichte seines Lebens berichten.
Die Christliche Wissenschaft zeigt, wie wir unsere Fähigkeiten und die Energie, diese anzuwenden, demonstrieren und dadurch ein dem Stillstand verfallenes Leben in ein Leben voll nützlicher Leistungen umwandeln können. Sie lehrt, daß niemand ohne Fähigkeit ist, denn die Fähigkeiten sind ebenso universell wie das Leben selbst und untrennbar mit diesem verbunden, und weiter, daß es für jeden dieselben Möglichkeiten gibt, seine eigene individuelle und gottbestimmte Mission zu erfüllen und so an der Freude und tiefen Befriedigung hoher Errungenschaften teilzuhaben.
Jemand, der glaubt, es fehle ihm an intellektuellen Fähigkeiten, eine Leistung zu vollbringen, tut dies nur, weil er unbewußt die falsche Vorstellung hegt, daß die mentalen Fähigkeiten ein persönlicher Besitz wären und ihren Sitz in einem materiellen Körper hätten. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die Intelligenz geistig ist, niemals in der Materie eingeschlossen, und daß die erforderliche Energie und das erforderliche Wollen, um die Intelligenz in eine Leistung umzusetzen, nicht Funktionen des materiellen Körpers sind.
Die Quelle aller wahren Intelligenz und des Strebens, diese anzuwenden, ist Gott, das eine göttliche Gemüt, das Gemüt und der Schöpfer unser aller. Der Mensch, die geistige Widerspiegelung dieses Gemüts, bringt ganz natürlich die unbegrenzten Fähigkeiten seines Urquells zum Ausdruck. Daher ist der wahre Mensch in seinem Charakter, in seiner Intelligenz und seinem erfolgreichen Wirken völlig gottähnlich. Der Mensch ist sich dieser Tatsache völlig bewußt, denn er kennt sich nur so, wie Gott ihn kennt. Er schließt keine Spur eines Zweifels in sich hinsichtlich des Wirkungsvermögens seiner widergespiegelten Fähigkeiten, noch irgendwelche Lethargie oder Schwäche, die seinen vollen Gebrauch dieser gottverliehenen Gaben verhindern würden.
Das Verständnis dieser Wahrheiten verscheucht den Irrtum der Selbstunterschätzung, den der begrenzte materielle Begriff vom Gemüt und von des Menschen Ursprung und Bestimmung denen auferlegt, die ihn hegen. Sich als den geistigen Ausdruck des unbegrenzten Gemüts zu identifizieren bedeutet, ungeahnte Eigenschaften und Kräfte ans Licht zu bringen. Unsere Führerin Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 128): „Eine Kenntnis von der Wissenschaft des Seins entwickelt die latenten Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschen. Sie erweitert die Atmosphäre des Gedankens, indem sie den Sterblichen weitere und höhere Gebiete erschließt. Sie erhebt den Denker in seine ureigne Sphäre der Einsicht und Scharfsichtigkeit.“
Unser größtes Vermögen ist daher das Verständnis von unserem Einssein mit den unendlichen Fähigkeiten des göttlichen Gemüts. Wir müssen uns auch unserer uns von Gott übertragenen Sendung bewußt und von dem Verlangen inspiriert sein, dieser zu dienen.
Was als die natürliche Fähigkeit eines Menschen bezeichnet wird, stellt das dar, was die Widerspiegelung ihm verliehen hat. Daher sind Fähigkeiten im Grunde genommen für jeden Menschen etwas Natürliches. Was könnte der wirksamen Demonstration einer volleren Fähigkeit und dem damit verbundenen allgemeinen Fortschritt im Wege stehen? Unsere Führerin beantwortet diese Frage in ihrem Werk „Vermischte Schriften“ (S. 234): „Was den Fortschritt des Menschen hemmt, ist sein törichter Eigendünkel — das Pharisäertum unserer Zeit — wie auch sein Bestreben, anderen etwas wegzunehmen, um sich selbst harte Arbeit zu ersparen, alles Irrtümer, die keinen Platz in der Wissenschaft finden können.“ Wenn wir uns entschlossen von diesen Irrtümern abwenden und uns stattdessen an Gott wenden, so wird sich als Folge eine vollere Demonstration der wahren Natur des Menschen als der Widerspiegelung des allwissenden, all-wirkenden Gemüts ergeben.
Christus Jesus erklärte, daß des Menschen Kraft und Leistungsfähigkeit sich aus der Beziehung des Menschen zu Gott ergeben, denn er versichert uns (Joh. 5:19, 20): „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern was er sieht den Vater tun; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Der Vater aber hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut.“
Der Wunsch nach Anerkennung darf nicht mit dem Wunsch, etwas zu vollbringen, verwechselt werden. Die Anerkennung wird nicht ausbleiben, aber sie wird von Gott kommen als Ergebnis unseres Dienstes für Ihn. Der Lohn besteht in der Freude und Inspiration, die das vollbrachte Gute mit sich bringt, in der Demonstration der Substanz der Liebe.
Wenn ein Zweifel an unserer Fähigkeit, etwas Gutes zu vollbringen, nicht im Sinne der Christlichen Wissenschaft überwunden wird, so hat er nur allzu leicht den Mesmerismus der Untätigkeit zur Folge, weil wir nicht bereit sind, den ersten Schritt zu tun. Das göttliche Gemüt, das immer wirksam ist, fordert auch von uns Betätigung, ein stetes Vorwärtsdrängen. Unsere Fähigkeiten entfalten sich in dem Verhältnis, wie wir voranschreiten. Die Fähigkeiten, die wir morgen imstande sein werden auszudrücken, werden dadurch bestimmt, was wir heute von diesen Fähigkeiten aktiv demonstrieren. Die Zuversicht, daß die Eigenschaften des Gemüts erreichbar sind, sollte uns dazu antreiben, einen Anfang zu machen, sei er auch noch so klein, denn dann wird auch die endgültige Leistung sich zu gegebener Zeit zeigen. Dies trifft ebenfalls auf das körperliche Heilen zu.
Ein Christlicher Wissenschafter hatte mit einem Anfall von Erkältung zu kämpfen, die von Fieber und allgemeiner Schwäche begleitet war. Er war nicht imstande, seine Gedanken zu ordnen oder sich auch nur eine einzige Wahrheit zu vergegenwärtigen, die ihm hätte helfen können. Er wußte, daß der Mesmerismus der Untätigkeit gebrochen werden mußte, denn dieser hielt ihn davon ab, dem Anspruch zu widerstehen. Er erklärte: „Ich scheine nicht imstande zu sein, geistige Arbeit zu tun, aber ich kann zumindest meine Bücher für die Lektionspredigt markieren!“ Das war alles, dessen er im Augenblick fähig zu sein schien, und er machte sich sogleich an die Arbeit.
Er kam nur langsam voran, denn er war wiederholt gezwungen, die für die Lektionspredigt im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft angegebenen Lesestellen von neuem nachzusehen. Allmählich jedoch erlangte er ein gewisses Maß von Herrschaft über sein Denken, und als er bei dem letzten Abschnitt der Lektion angelangt war, war sein Interesse schon so weit erwacht, daß er die Abschnitte las, die er markierte. Bald fühlte er das Bedürfnis, die ganze Lektion zu lesen. Dies tat er mit Bedacht und einer positiven Einstellung. Als er die Lektion gelesen hatte, war er vollständig gesund.
Gott erwartet von uns, daß wir jede Fähigkeit anwenden, die wir verwirklichen können. Selbst der Bau des größten Gebäudes oder der mächtigsten Brücke beginnt mit einem Spatenstich. Gott wird uns gewißlich nicht Seine eigenen Fähigkeiten verleihen, ohne uns auch das Wollen und die Weisheit zu geben, sie anzuwenden. Ebensowenig inspiriert Er uns zu einer Tätigkeit und verweigert uns dann die Fähigkeiten, die wir benötigen, um Seinen guten Plan auszuführen und so Seinen Willen zu erfüllen. Gottes Gaben sind vollständig, und wir müssen sie in die Tat umsetzen.
Wenn wir unsere Gotteskindschaft als Teil des reinen Christentums Christi Jesu erkennen und freudig die damit verbundenen Forderungen erfüllen, werden wir unsere gottgegebenen Fähigkeiten entdecken und sie in einem Leben betätigen, das reich ist an Errungenschaften. Wir haben das unumschränkte Recht, uns die wunderbare Versicherung des Apostels Paulus zu eigen zu machen (Phil. 4:13): „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“
