Jemand, der die Schriften Mary Baker Eddys, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, studiert, wird sich schon bald des großen Unterschiedes bewußt, der zwischen dieser Wissenschaft, wie sie sie darstellt, besteht und den Vorstellungen, die viele Menschen von dieser Wissenschaft haben — Menschen, die nur flüchtig mit ihr in Berührung gekommen sind oder sie nur vom Hörensagen kennen. Was Mrs. Eddy darbietet, ist nicht etwa lediglich eine andere Methode zur Behandlung von Krankheit oder eine andere Form religiöser Lehren, ähnlich jenen, die sich schon eingebürgert haben — vielmehr handelt es sich bei ihrer Methode um eine grundlegende wissenschaftliche Entdeckung, die für alle Menschen, wo immer sie auch sein mögen, ja für die ganze Welt, lebenswichtige und unmittelbar praktische Folgerungen mit sich bringt.
Um einen vollständigen und authentischen Überblick über dieses Thema zu erhalten, muß man sich dem Hauptwerk Mrs. Eddys zuwenden, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“, dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft; und diejenigen, die etwas von diesem Buch und seiner Geschichte wissen, sind gewöhnlich schnell bereit, es anderen zum Studium zu empfehlen, gleichviel ob diese nun erwägen, seine Botschaft anzunehmen oder nicht. Der unverkennbare Einfluß, den dieses Buch bisher schon auf das Denken und den Ausblick der Menschheit ausgeübt hat, sowie auch die zu erwartende tiefe Einwirkung dieses Buches auf den menschlichen Fortschritt rechtfertigen diese Aufmerksamkeit. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß der umwälzende Charakter dieses Buches — wenn seine Botschaft angenommen werden sollte — den irgendeiner anderen zuvor gemachten wissenschaftlichen Entdeckung bei weitem übersteigt.
Für diejenigen, die sich noch nicht mit diesem Buch befaßt haben oder die es noch nicht so sorgfältig studiert haben, wie sie es vielleicht gerne tun würden, seien hier einige Gesichtspunkte seiner Lehren zum besseren Verständnis angedeutet. Zunächst einmal unterstützt die Christliche Wissenschaft die von denkenden Menschen jetzt allgemein vertretene Ansicht, daß das Universum nicht wirklich das ist, was es zu sein scheint, daß seine äußere Erscheinungsform nur die begrenzte und verdrehte Vorstellung der körperlichen Sinne hinsichtlich der Wirklichkeit darstellt. Aber die Christliche Wissenschaft macht einen weiteren wichtigen Beitrag. Sie definiert in genauester Weise die wirkliche Natur des Universums, das — wie sie behauptet — der Ausdruck, ja die unmittelbare Kundwerdung, des Wesens Gottes ist. Gleichzeitig vertreibt sie alle schleierhaften Vorstellungen hinsichtlich des Wesens Gottes.
Der Ausdruck Gott ist sehr angemessen und wird in der Christlichen Wissenschaft — wie auch in anderen Religionen — häufig gebraucht und stets mit tiefer Ehrfurcht angewandt. Er steht für die Macht, die für das Universum verantwortlich ist und dieses unumschränkt beherrscht. Diese Macht ist, wie die Christliche Wissenschaft offenbart, völlig gut und weder in Quantität noch in Qualität beschränkt. Andere Bezeichnungen sind: Das unendliche Gemüt oder die unendliche Intelligenz, das unendliche Leben, die unendliche Wahrheit und die unendliche Liebe. So definiert, stellt Gott das göttliche Prinzip dar, das sich, wie man in der Christlichen Wissenschaft versteht, überall in dem wirklichen Universum offenbart, einschließlich des wirklichen Menschen, und zwar individuell und in der Gesamtheit.
Hieraus folgt ganz offensichtlich, daß jede Erscheinungsform von Unordnung, Begrenzung oder vom Bösen irgendwelcher Art, wo immer sie sich auch zeigen mag, nicht einen wirklichen Zustand darstellt, sondern nur die falsche Vorstellung des menschlichen Gemüts von dem, was in Wirklichkeit vor sich geht. Und durch diese Enthüllung wird eine weitere äußerst wichtige Tatsache ans Licht gebracht, nämlich daß alles, was erforderlich ist, um in der menschlichen Erfahrung die Besserung eines Zustandes herbeizuführen, einzig und allein eine Besserung des Denkens über diesen Zustand ist. In dem Maße, wie sich das Denken völliger der göttlichen Wirklichkeit in irgendeiner ihrer Formen angleicht, erscheint auch der entsprechende Beweis von der göttlichen Wirklichkeit. Solch ein Beweis, solch eine greifbare Besserung in der menschlichen Erfahrung, wird als stets in unbegrenztem Ausmaß erreichbar offenbart.
Mrs. Eddy legt all dies unmißverständlich dar, und sie fährt tatsächlich fort, durch die in all ihren Schriften enthaltenen Erklärungen Licht auf dieses Thema zu werfen. So schreibt sie (Wissenschaft und Gesundheit, S. 484): „Das physische Weltall bringt die bewußten und unbewußten Gedanken der Sterblichen zum Ausdruck.“ Und sie sagt ferner (S. 263): „Die vergänglichen Formen der Materie, der sterbliche Körper und die materielle Erde, sind die flüchtigen Begriffe des menschlichen Gemüts. Sie haben ihre Zeit, ehe die bleibenden Tatsachen und ihre Vollkommenheit im Geist erscheinen. Die unreifen Schöpfungen des sterblichen Gedankens müssen schließlich den herrlichen Formen weichen, die wir, wenn das mentale Bild geistig und ewig ist, zuweilen in der Kamera des göttlichen Gemüts erblicken.“
Diese Offenbarung erleuchtet in hohem Maße die Lehren und die Werke Christi Jesu. Aus den fortgesetzten Versicherungen des Meisters über das Gebet, dessen unfehlbare Wirksamkeit und unbegrenzten Wirkungsbereich, ist schon immer klar ersichtlich gewesen, daß er das Denken als den Schlüssel zu allem ansah, das vollbracht werden mußte. Ja, genau das war es, was er wiederholt sagte. „Bittet“ — offenbar eine mentale Einstellung — „so werdet ihr nehmen“, sagte er (Joh. 16:24), ohne irgendeine Einschränkung zu machen. An anderer Stelle heißt es (Mark. 11:24): „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr's empfangen werdet, so wird's euch werden“, und so weiter.
Der zuletzt zitierte Bibelvers stellt gewißlich einen Aufruf an uns dar, unser Denken dem Wesen Gottes zuzuwenden sowie auch dem, was Er jetzt schon für den Menschen vorgesehen hat. Daher sagte Jesus unmißverständlich, daß, ungeachtet der Art des Bedarfs oder der Quantität der Materie oder der Anzahl der Menschen, die augenscheinlich mit dem Problem verknüpft sind, die gewünschten Resultate sich zeigen würden, wie das bei ihm der Fall war, als er den Sturm stillte, Tausende speiste, wo scheinbar keine Nahrung zur Verfügung stand, und einer großen Anzahl kranker Menschen, die bei verschiedenen Gelegenheiten zu ihm gebracht wurden, schnelle Heilung brachte.
Der große Wert der Offenbarung Mrs. Eddys liegt darin, daß sie uns zeigt, daß es sich bei der Methode des Meisters um einen einfachen, wissenschaftlichen Vorgang handelte, der heute wie zu seiner Zeit allen Menschen verfügbar ist — in Übereinstimmung mit Jesu eigenen Versicherungen. Sie zeigt, daß die Methode nicht nur für die Überwindung von Nöten und Ängsten zur Verfügung steht, sondern für jeden Menschen auch für die Erweiterung seiner Vorstellung von Fähigkeit, Gelegenheiten und Errungenschaften, ganz gleich wie begrenzt seine Vorstellung von diesen Dingen zuvor auch gewesen sein mag. „Ich bin gekommen“, sagte Jesus (Joh. 10:11), „daß sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“ Und die Christliche Wissenschaft lehrt, daß diese Regel auf jede menschliche Lage anwendbar ist.
Bei allen Forschungsarbeiten, zum Beispiel in der Therapeutik, in der Physik und der Elektrotechnik, im Maschinenbau, bei der Ausarbeitung von Geschäftsmethoden oder anderweitig kann sich der Forscher, der an einem toten Punkt angekommen ist und nicht weiter weiß, der großen Tatsache von der Immergegenwart der unendlichen Intelligenz zuwenden und erkennen, daß er unauflöslich mit ihr verbunden ist, wie das in der göttlichen Metaphysik enthüllt wird, und so zu neuen Lösungen kommen, oft in viel wirkungsvollerer Weise, als er je zuvor erhofft hatte. Wir können uns an dieselbe Intelligenz wenden, um Probleme in Verbindung mit persönlichen Beziehungen oder internationalen Beziehungen zu lösen — ja alle Probleme, die sich einzelnen oder Gruppen von Menschen bieten mögen. Nicht ein Wandel in den wirklichen Umständen, sondern eine erweiterte Erkenntnis von der Unendlichkeit des Guten ist erforderlich, und die Christliche Wissenschaft zeigt, daß dies für jeden Menschen stets geistig natürlich und in praktischer Weise demonstrierbar ist.
Angesichts dieser Tatsachen ist es durchaus verständlich, daß das Hauptanliegen der Christlichen Wissenschafter darin besteht, im Verständnis und in der Anwendung der Christlichen Wissenschaft in ihrem eigenen Leben Fortschritte zu machen — um ihrer selbst willen wie auch um derer willen, die die sich daraus ergebenden Segnungen unmittelbar miterleben mögen. Dieselben Tatsachen erklären auch das Wesen und die Richtung der Missionsarbeit der Christlichen Wissenschaft, deren wichtigstes Ziel nicht darin besteht zu überreden, sondern sicherzustellen, daß so viele Menschen wie möglich diese umwälzende Lehre richtig verstehen lernen, um so in der Lage zu sein, sie einer Probe zu unterziehen und sich über diese Wissenschaft ihre eigene wohlbegründete Ansicht zu bilden.
