Diejenigen, die mit dem geistigen Heilen nicht vertraut sind, nehmen oft — und natürlich fälschlicherweise — an, daß die Christliche Wissenschaft, da sie sich einzig und allein mit der Mentalität des Hilfesuchenden befaßt, den physischen Körper vernachlässige. Solch eine Annahme versäumt, die Beziehung zwischen Mentalität und Körper in Betracht zu ziehen.
Die Lehre der Christlichen Wissenschaft und ihre Anwendung auf Krankheit sind vollständig dargelegt in „Wissenschaft und Gesundheit“ von Mary Baker Eddy. In dem Kapitel unter der Überschrift „Wissenschaft, Theologie, Medizin“ lesen wir (S. 157): „Die Christliche Wissenschaft wirkt auf die gesamte Körperlichkeit ein — nämlich auf das Gemüt und den Körper — und erbringt den Beweis, daß Leben fortdauernd und harmonisch ist.“
In dieser Wissenschaft zeigt das harmonische Funktionieren des menschlichen Körpers die Herrschaft des göttlichen Gemüts über den Menschen an. Das ordnungsgemäße Wirken des menschlichen Organismus anerkennt die Regierung des göttlichen Gemüts, die das ganze Universum beherrscht.
Alles, was Jesus tat, hatte eine göttliche Bedeutung. Als er mit seinen Jüngern einem Menschen begegnete, der blind geboren war, fragten sie ihn (Joh. 9:2): „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, daß er ist blind geboren?“ Zu der Zeit waren seine Jünger noch nicht über den Punkt hinaus vorgeschritten, wo sie glaubten, solch einem Zustand Rechtsgültigkeit zuerkennen zu müssen.
Anstatt jedoch das Mißgeschick als eine Strafe für die Sünde anzusehen, antwortete Jesus: „Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern daß die Werke Gottes offenbar würden an ihm.“ Der Meister betrachtete die Situation als eine Gelegenheit, die erlösende und wiederherstellende Macht der göttlichen Liebe, des lebendigen Prinzips des Menschen, darzutun. Nachdem er seine Verachtung gegen den Glauben, materielle Organe seien die Quelle der Sehkraft, bekundet hatte, gab der Meister dem Manne, der noch nie gesehen hatte, das Gesicht. Jesus bewies, daß geistiges Verständnis und menschliches Wohlbefinden untrennbar voneinander sind.
Jesaja verkündete Gottes Verheißung, daß Sein Wort ausgehen und nicht wieder leer zurückkommen sollte, sondern die göttliche Absicht ausführen und ihm gelingen würde, dazu es gesandt war. Dann sagte er (55:12): „Ich sollt mit Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Ruhm und alle Bäume auf dem Felde mit den Händen klatschen.“ Und dasselbe trifft auch hier zu: Wenn das menschliche Denken auf die beherrschende Macht des göttlichen Gemüts reagiert, drückt der ganze Körper Harmonie aus.
Die Christliche Wissenschaft unterscheidet zwei verschiedene Stadien des menschlichen Bewußtseins, oder besser gesagt, zwei verschiedene Aspekte des menschlichen Denkens. Als Mrs. Eddy davon sprach, daß der Offenbarer einen neuen Himmen und eine neue Erde erblickte, erwähnte sie auch, daß das, was er gewahrte, für den uninspirierten Gedanken unsichtbar war. „Dieses Zeugnis der Heiligen Schrift“, schreibt sie auf Seite 573 in „Wissenschaft und Gesundheit“, „erhält die Tatsache in der Wissenschaft aufrecht, daß Himmel und Erde für das eine menschliche Bewußtsein, nämlich für das Bewußtsein, das Gott verleiht, geistig sind, während für das andere, für das unerleuchtete menschliche Gemüt, die Vision materiell ist. Dies beweist deutlich, daß das, was vom menschlichen Gemüt Materie und Geist genannt wird, Zustände und Stadien des Bewußtseins anzeigt.“
Die Christliche Wissenschaft umgeht nicht die Erörterung der harmonischen Funktionen des menschlichen Körpers oder die Notwendigkeit, dem Körper die nötige Fürsorge angedeihen zu lassen, noch vermeidet sie, dazu Stellung zu nehmen. Die Wissenschaft fordert, daß das menschliche Denken, das ja den Körper umfaßt, sich von der Annahme von Leben und Intelligenz in der Materie abwendet — hin zu der Erkenntnis vom Leben als göttlich und zu der Erkenntnis von Gemüt als allumfassend und allerhaben. Sie fordert, daß das Denken auf die Tatsachen des Seins gerichtet bleibt.
Es gibt nie einen Augenblick, wo das göttliche Gemüt nicht überall allerhaben ist. Anzunehmen, daß es ein Reich gibt, physisch oder mental genannt, in dem das göttliche Gemüt nicht allerhaben ist und das göttliche Gesetz nicht die einzige herrschende Macht, heißt Gemüt, Gott, beschuldigen, weniger als unendlich, weniger als allmächtig und nicht überall gegenwärtig zu sein.
Wenn sich die Christlichen Wissenschafter vor die Notwendigkeit gestellt sehen, irgendeinem unharmonischen Zustand des physischen Körpers Aufmerksamkeit zu schenken, so wissen sie, daß es nicht „das unerleuchtete menschliche Gemüt“ ist, das die Heilung bringen wird. Allein „das Bewußtsein, das Gott verleiht“, das Bewußtsein, das vom Christus erleuchtet wird, befähigt sie, Harmonie zu demonstrieren.
Sie machen sich nicht wie die Jünger Gedanken darüber, was jemand anders wohl getan haben mag, das zu der Beschwerde geführt hat. Vielmehr folgen sie dem Beispiel Jesu und erkennen, daß dies eine Gelegenheit ist, die Werke Gottes offenbar werden zu lassen. Sie sehen es als eine Gelegenheit an zu beweisen, daß die erlösende Macht der göttlichen Liebe durchaus imstande ist, die benötigte Harmonie wiederherzustellen.
Daß die Menschen heutzutage in der Christlichen Wissenschaft wie in den frühen Tagen des Christentums sowohl von körperlichen wie auch von mentalen Beschwerden geheilt werden, ist der Beweis dafür, daß das geistige Heilen für die gesamte Körperlichkeit Sorge trägt, indem es sowohl dem Körper wie auch dem Gemüt Heilung bringt. Die Christlichen Wissenschafter sind bestrebt, den Fehler zu vermeiden und zu glauben, es gäbe ein Reich — das physische Reich genannt — aus dem die göttliche Regierung auf irgendeine unerklärliche Weise zum Schaden des Menschen ausgeschlossen ist. Sie anerkennen, daß es in der Wissenschaft nur ein Reich gibt — das geistige Reich, das alles Wirkliche einschließt.
Wo sich also „das unerleuchtete menschliche Gemüt“ mit Krankheit als einem physischen Zustand befaßt, hält „das Bewußtsein, das Gott verleiht“, an der Tatsache fest, daß es keinen Zustand gibt, der außerhalb der Herrschaft des göttlichen Gemüts liegt. Wenn das Denken standhaft auf das gerichtet wird, was wahr ist, unterwirft es sich der göttlichen Herrschaft, und das Gesetz Gottes wird als das Gesetz der Wiederherstellung und der ununterbrochenen Harmonie erkannt.