Im Jesaja lesen wir: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden” (40:31). Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, sagt: „Die Bedeutung dieser Spruchstelle wird nicht verfälscht, wenn man sie in Augenblicken der Ermüdung buchstäblich anwendet, denn das Moralische und Physische sind eins in ihren Resultaten”; und sie fährt fort: „Wenn wir zu der Wahrheit des Seins erwachen, wird alle Krankheit, wird Schmerz, Schwäche, Müdigkeit, Leid, Sünde und Tod unbekannt sein, und der sterbliche Traum wird für alle Zeiten aufhören” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, Seite 218). Die Christlichen Wissenschafter haben gelernt, daß es dem Menschen möglich ist, ein Gefühl der Ermüdung dadurch zu verhindern oder zu beseitigen, daß er in intelligenter und wissenschaftlicher Weise versteht, was es heißt, auf den Herrn zu harren.
Alle Ermüdung — ob das menschliche Denken nun annimmt, sie sei gedanklich oder körperlich — gründet sich auf eine falsche Auffassung von der wahren Natur des Menschen und seiner wirklichen Tätigkeit. Über die falschen Auffassungen, die zu Erschöpfung führen, wird allgemein nachgedacht und gesprochen. Manche Menschen befassen sich so intensiv damit, daß dies wünschenswerte Leistungen ständig hindert und nicht selten zu einer Quelle beständigen Leidens wird.
Erschöpfung ist auf die Annahme zurückzuführen, daß der Mensch eine Person sei, die von Gott getrennt wirkt, daß er im großen ganzen ein materielles Wesen sei, mit einem begrenzten Vorrat an Energie, die ohne Ergänzung nur ein begrenztes Maß an Tätigkeit zuläßt, und daß das Leben des Menschen in einer allmählichen Verminderung seiner Kräfte und schließlich im Tode enden muß.
Das Mittel, das gewöhnlich für Erschöpfung verschrieben wird, ist Ruhe, denn man nimmt an, daß Gemüt und Körper wieder zu Kräften kommen, wenn die ermüdende Tätigkeit aufhört; und in unserem gegenwärtigen Gedanken- und Daseinszustand ist ein gewisses Maß an Ruhe ein normales Mittel der Erholung. Doch viele, die unter chronischer Erschöpfung leiden, haben herausgefunden, daß Ruhe allein, selbst über eine lange Zeitdauer hinaus, die Kraft zu leichtem und frohem Arbeiten nicht wiederherstellt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Erschöpfung von intellektueller oder anderer geistiger Arbeit herrührt.
Das wissenschaftliche und wirkungsvolle Heilmittel gegen Erschöpfung liegt darin, die verschiedenen falschen Auffassungen aus dem Denken zu entfernen, aus denen dieses Übel besteht und auf die es sich gründet. Eine der wichtigsten ist die Annahme, der Mensch sei von Gott getrennt. In Wirklichkeit ist der Mensch — wie Christus, Wahrheit, uns lehrt — die spontane Offenbarwerdung der beständigen, freudevollen, majestätischen und nie ermüdenden Tätigkeit des göttlichen Gemüts. Der Mensch muß nicht aus Energiequellen schöpfen, die einem begrenzten Selbst angehören. Der einzelne braucht nur daran festzuhalten, daß nicht er, sondern Gott selbst es ist, der für alle Arbeit und Tätigkeit wünschenswerter Art verantwortlich ist. Gott ist der einzige Arbeiter, und Seine Arbeit kann nicht durch irgendeinen falschen Anspruch von Erschöpfung behindert werden. Es wäre widersinnig anzunehmen, daß das unendliche Gemüt, der Schöpfer und Erhalter des geistigen Universums, aus irgendeinem Grunde unter Erschöpfung leiden könnte; ebensowenig kann daher der Mensch, der die Widerspiegelung des ruhevollen Gemüts ist, unter Erschöpfung leiden, noch kann er Perioden der Untätigkeit benötigen oder sich ihnen gar hingeben.
Zusammenfassend sagt Mrs. Eddy über die sieben Schöpfungstage (ebd., S. 519): „Gott ruht im Wirken. Geben hat das göttliche Gemüt nicht arm gemacht und kann es niemals arm machen.” Ein Mensch, der unter einem Gefühl der Erschöpfung leidet, muß sich daher die Wahrheit vergegenwärtigen, daß Gott alle rechte Tätigkeit in sich schließt und stützt und daß Sein Wirken spontan ist, ununterbrochen, unbehindert, harmonisch und ständig mit unbegrenzter Macht und Intelligenz versehen.
Wenn sich Erschöpfung geltend machen will, ist es oft wünschenswert, für eine gewisse Zeit seine Arbeit und sein Schaffen zu unterbrechen. Diese Zeit sollte nicht in bloßer Untätigkeit verbracht, sondern damit ausgefüllt werden, daß man sich gedanklich und geistig aktiv die harmonische Tätigkeit des einen unendlichen Gemüts und des Menschen Einssein mit diesem Gemüt vergegenwärtigt. Solch ein wiederherstellendes Gebet — eine Berichtigung des Denkens, — das hinwegführt von dem Glauben an menschliche schwere Arbeit, hin zu der Festigung des Verständnisses von dem göttlichen Wirken, heiligt den wirklichen Sabbattag und löscht den falschen Glauben an einen von Gott getrennten Menschen aus, der erschöpft ist oder dem seine Spannkraft genommen werden könnte.
Dieses Gebet, das wahre Ruhe, aber gleichzeitig geistige Tätigkeit ist, kommt der wahren Verrichtung von Gottes Arbeit sehr viel näher, als die anstrengenden Bemühungen zu arbeiten, zu denen sich viele Sterbliche während eines Großteils ihrer Arbeitszeit zu zwingen versuchen. Zu wahrer Arbeit gehört auch, daß man die Gelegenheit zu geistiger Erfrischung ergreift, zu einem freudigen, ungezwungenen Sich-Vergegenwärtigen, daß es in Wirklichkeit nur eine vollkommene geplante Tätigkeit gibt, das unendliche Fortschreiten oder die unendliche Entfaltung des göttlichen Gemüts, und daß der Mensch, der seinen Schöpfer bewußt versteht, tatsächlich diese Tätigkeit zum Ausdruck bringt.
Zu den Gedanken, die Ermüdung hervorzubringen scheinen und sie fortbestehen lassen wollen, gehören Eile, Unentschlossenheit, Ärger und Haß, Verdruß und die Ausübung bloßen menschlichen Willens, der manchmal von einer falschen Auffassung von Pflicht oder Opfer herrührt. Wenn wir sorgfältig darüber wachen, daß solche Irrtümer des Denkens nicht in unsere Arbeit eindringen, dann kann die Ermüdung im großen ganzen ausgelöscht und die Arbeit von mühsamem Schaffen zu einer freudigen und nicht ermüdenden Tätigkeit umgestaltet werden.
Eile entspringt der Furcht, daß die Arbeit nicht rechtzeitig erledigt sein wird; aber Gottes Arbeit ist bereits getan, und die völlige Vergegenwärtigung, daß Gott Seine Schöpfung vollkommen erhält und regiert, bringt die Voraussicht und das Entscheidungsvermögen, die notwendig sind, um alle erforderlichen Schritte zur rechten Zeit und in der rechten Weise auszuführen, so daß Hast und unvollkommene Arbeit ausgeschlossen werden.
Gottes Arbeit wird immer vollkommen getan, und wenn wir an unserer Einheit mit Gott festhalten, dann gibt es keinen Grund, warum wir Furcht oder Zweifel hegen sollten hinsichtlich unserer Fähigkeit, eine rechtschaffene Aufgabe auszuführen. Ärger und Haß könnten nicht aufkommen, wenn die absolute Vollkommenheit des Menschen völlig verstanden würde. Vollkommene, mühelose, erfolgreiche Arbeit sollte natürlich und ohne Ermüdung zum Ausdruck kommen, und das ist auch der Fall, wenn die Einheit von Gott und dem Menschen klar verstanden wird. Auf keinen Fall duldet oder entschuldigt die Christliche Wissenschaft Nachlässigkeit, das Aufschieben notwendiger Entscheidungen oder Unternehmungen oder jegliche Art von Unvollkommenheit, denn Gottes Arbeit ist in jeder Hinsicht vollkommen, und der Glaube an Unvollkommenheit oder Trägheit ist kein Teil der Wirklichkeit, kein Teil des Menschen, und muß daher überwunden werden. Ein richtiges Verständnis hebt die Hast auf und bringt Geschwindigkeit und vollkommene Leistungen ans Licht, jedoch nicht als eine menschliche Errungenschaft, sondern als das offenbar gewordene Werk Gottes.
Wenn wir wachsam genug sind, können wir aus unseren Gedanken die Annahme verbannen, daß wir aufgrund von vorangegangener Arbeit oder Überlastung oder gar einer überstandenen Krankheit Erschöpfungserscheinungen hinnehmen müßten, indem wir uns vergegenwärtigen, daß der wirkliche Mensch keine Vergangenheit hat. Er ist jetzt von seinem himmlischen Vater als die Offenbarwerdung von Gottes gegenwärtiger geistiger Tätigkeit geschaffen worden; er wurde nicht in der Vergangenheit geschaffen, war in der Vergangenheit keiner Überanstrengung oder Körperbeschädigung ausgesetzt, und er wurde dann nicht sich selbst überlassen, um seinen Werdegang allein auszuarbeiten. Der wirkliche Mensch besteht nur in dem ewigen Jetzt und wurde nur in dem ewigen Jetzt erschaffen, das allein Wirklichkeit hat; seine Stärke ist wie die Stärke der Engel Gottes, und er kennt seine wirkliche Natur. Das einzige, was irgend jemanden in Knechtschaft halten könnte, ist die gegenwärtige Annahme, daß es zu irgendeiner vergangenen Zeit Disharmonie gegeben habe; und wir brauchen solch eine Annahme, die mit unserer wirklichen Selbstheit unvereinbar ist, nicht zu hegen.
Einem Christlichen Wissenschafter wurde einmal gesagt: „Ihre Vitalität ist erstaunlich.” Die Vitalität des wirklichen Menschen ist wahrhaftig erstaunlich; ja, sie ist grenzenlos. Die Vitalität, die hier bis zu einem gewissen Grade erkannt wurde, war nicht persönlicher Art; sie war die Folge davon, daß die Annahme von einem begrenzten und persönlichen Menschen ein wenig abgelegt worden war, sowie die Folge der klaren Erkenntnis von dem wirklichen Sein des Menschen als des Ausdrucks von Gottes Wirken — die Folge davon, daß in gewissem Grade die Einheit des Menschen mit dem göttlichen Gemüt erkannt und infolgedessen der Glaube an eine begrenzte menschliche Persönlichkeit abgelegt worden war
In dem wirklichen Universum, das hier und jetzt gegenwärtig ist, versorgt Gott uns mit allen Eigenschaften, die für einen vollständigen Erfolg notwendig sind — mit aller Energie, Fähigkeit, Intelligenz und Ausdauer. Dieser Erfolg hat nichts mit persönlichen Bestrebungen oder Selbstsucht zu tun, sondern er segnet alle. Liebe ist allumfassend, unermüdlich, niemals untätig, jederzeit wirksam. Wenn sie das Bewußtsein völlig ausfüllt, zerstört sie Erschöpfung und sogar die Neigung, sich erschöpft zu fühlen.
