Alle, die sich bemühen, Christen zu sein, wissen, wie nötig es heute ist, die unschöne Gewohnheit zerstörender Kritik auszurotten. Von solchem Kritisieren frei zu sein, ist ein notwendiger Bestandteil jener Christusähnlichkeit, nach der im Grunde alle Menschen verlangen.
Selbst aufbauende Kritik muß von persönlicher Mißbilligung frei sein, wenn sie von Wert sein soll. Mrs. Eddy schreibt in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 571): „Es erfordert den Geist unseres gesegneten Meisters, um einem Menschen seine Fehler zu sagen und so Gefahr zu laufen, um des Rechttuns willen und um unserem Geschlecht zu nützen, sich menschliches Mißfallen zuzuziehen.“
Christi Jesu zweites Gebot, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst, gestattet keine zerstörende Kritik oder persönliche Verdammung, was immer der Nächste auch tun mag. Ungerechte Kritik und Verdammung sind größtenteils auf Selbstgerechtigkeit zurückzuführen und können, wie andere Sünden, durch die Anwendung der Christlichen Wissenschaft geheilt werden.
Strenges Kritisieren ist kein geringfügiges Übel und ist ganz gewiß nicht Liebe. Wir mögen über die Feststellung bestürzt sein, daß zerstörende Kritik eine Form des Hasses ist. Solches Kritisieren wird leicht zur Gewohnheit. Sein Gegenmittel ist, reine Liebe auszudrücken.
Ein Christlicher Wissenschafter, der von der Last der Verdammung frei werden wollte, fand Hilfe durch Mrs. Eddys Artikel „Liebet eure Feinde“ in ihrem Buch „Vermischte Schriften“. Dort lesen wir auf Seite 12: „Wenn dir schlimmes Unrecht widerfahren ist, vergib und vergiß: Gott wird dieses Unrecht vergelten und den, der dir absichtlich schaden wollte, strenger bestrafen, als du es könntest.“
Er dachte an die Lehre der Christlichen Wissenschaft, daß Sünde erst vergeben wird, wenn sie zerstört ist, und daß sie erst dann zerstört ist, wenn es bewiesen wird, daß sie nichts ist. Ferner: der einzige Ort, wo sie zerstört werden kann, ist in unserem eigenen Bewußtsein. Sein wesentliches Problem bestand also in folgendem: Wie konnte er sich davon freimachen, jemanden zu kritisieren, der zur Kritik neigte?
Er vergegenwärtigte sich, daß, da Gott alles ansah, „was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut“ (1. Mose 1:31), Gott niemals die Selbstgerechtigkeit und den Eigenwillen gemacht hatte, die zu der falschen Annahme verleiteten, man sei verpflichtet, andere zu bessern. Da Liebe, Gott, Alles ist, haben Kritik und Haß, ebenso wie der Sterbliche, der haßt und Kritik übt, weder einen Schöpfer noch einen Existenz- und Wirkungsbereich.
Die Absicht zu strafen wich einem überwältigenden Verlangen, dem Kritisierenden etwas Freundliches zu sagen. Als der Christliche Wissenschafter eine gottgegebene Gelegenheit benutzte, liebevolles Interesse zum Ausdruck zu bringen, begegnete er einer freieren, freundlicheren Haltung. Auf diese Weise stellten sich beide auf Gottes Seite. Eine falsche, kritische Einstellung war überwunden worden.
Unsere Führerin schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 242): „Laßt uns in geduldigem Gehorsam gegen einen geduldigen Gott daran arbeiten, daß wir mit dem universalen Lösungsmittel der Liebe das harte Gestein des Irrtums — Eigenwillen, Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe — auflösen, das gegen die Geistigkeit ankämpft und das Gesetz der Sünde und des Todes ist.“
Möchten wir doch alle danach streben, mehr zartes Mitgefühl für die zu hegen, die schwer von langjährigen Minderwertigkeitsgefühlen bedrängt sind und daher oft unbewußt versuchen, sie unter dem Goliath-Mantel kritischer, egoistischer Überheblichkeit zu verbergen! Wissen wir, ob wir es in ihrer Lage, mit ihrer Vergangenheit und ihren Erfahrungen besser machen würden? Dankbar dürfen wir anerkennen, daß das „universale Lösungsmittel der Liebe“ den Menschen stets zur Verfügung steht. Wenn diesem Lösungsmittel die Möglichkeit gegeben wird, wird es jede Annahme von einer von Gott getrennten Selbstheit zerstören. Dann wird das wahre Sein — unser einziges Sein — offenbart werden. Liebe, in der es nichts und niemanden zu kritisieren gibt, ist allgegenwärtig und allmächtig.
Je mehr jeder Christliche Wissenschafter sein Denken von der Vorstellung von einer guten oder schlechten Person zu Gottes Schöpfung geistiger Ideen erhebt, um so mehr wird er den Christus beherbergen. Wenn wir durch Betätigung der Christus-Kraft aufhören, einander zu tadeln und zu kritisieren, dann werden alle, die nach der Wahrheit über Gott und den Menschen hungern und dürsten, sich dadurch angezogen fühlen, die Wahrheit zu suchen, die wir kennen.
Die Worte unseres Meisters sind hier am Platze: „Ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen“ (Joh. 12:32). Für diejenigen, die die Gewohnheit der zerstörenden Kritik überwinden, gibt es unbegrenzte Möglichkeiten für das Gute.