Jeder Bibelleser weiß, daß Jesus oft sehr traurig gewesen sein muß, weil die Menschen seine Lehren nicht verstanden. So benutzte er des öfteren Gleichnisse, um ihnen seine Gedanken klarzumachen. Aber auch dann geschah es, daß sie die Bedeutung seiner Worte nicht erfaßten, und dies veranlaßte ihn zu bemerken (Matth. 13:13): „Mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht.“
Diese wenigen, einfachen Worte enthüllen die Tatsache, daß die materiellen Sinne unzulänglich sind, um irgend etwas von den Lehren des Meisters zu begreifen. Es folgt daraus, daß das Verständnis, von dem Jesus sprach, außerhalb der Reichweite der körperlichen Sinne liegt und geistig erfaßt werden muß.
Mrs. Eddy schreibt auf Seite 505 in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“: „Geistiges Verständnis entfaltet Gemüt — Leben, Wahrheit und Liebe — und demonstriert den göttlichen Sinn, indem es den geistigen Beweis des Universums in der Christlichen Wissenschaft liefert. Dieses Verständnis ist nicht intellektuell, nicht das Ergebnis gelehrter Errungenschaften; es ist die ans Licht gebrachte Wirklichkeit aller Dinge.“
Das Verständnis von Gott als dem unendlichen Geist befähigt uns zu erkennen, daß für die Materie kein Raum mehr vorhanden ist. Wenn wir zugeben, daß Gott allein existiert, dann müssen wir zu dem Schluß kommen, daß die Materie nicht existiert. Da der Mensch das Bild und Gleichnis Gottes ist, wird unser wahres Selbst durch das Verständnis von Gottes geistiger Natur ans Licht gebracht. Der Mensch besteht nicht aus Materie. Fleisch, Knochen und Blut sind nicht die Widerspiegelung des Geistes. Das Verständnis von Gott als dem ewigen Leben bringt die Unsterblichkeit des Menschen ans Licht. Da Jesus dies wußte, sagte er: „Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“ (Joh. 17:3).
Das Verständnis von Gott als der unwandelbaren Liebe entwurzelt die Furcht, gibt den Menschen die tröstliche Gewißheit, daß Gott die Quelle des unbegrenzten Guten ist und offenbart den Menschen als liebevoll und liebenswert. Das Verständnis von Gott als dem einzigen Gemüt deckt die Lüge auf, die den Anspruch erhebt, es gebe viele Gemüter, die einander bekämpfen. Das Verständnis von Gott als dem regierenden Prinzip des Universums ist eine geeignete Grundlage für das tägliche Leben. Wenn wir Gott als Seele verstehen, können wir nicht mehr daran glauben, daß die Materie eine Behausung für die Individualität sei.
Das Verständnis von Gott als der absoluten Wahrheit befähigt uns, zwischen rechten Ideen und sterblichen Illusionen zu unterscheiden. Die größte aller Errungenschaften ist daher das Erlangen geistigen Verständnisses. Dieses Verständnis ist, um mit den Worten des Liedes Nr. 215 aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft zu sprechen, ein Schatzkästchen, das „viel größre Schätze doch als je die Welt beschert“ enthält. Da Gott unendlich ist, können wir Seine unerschöpfliche Natur zum Ausdruck bringen, ohne zu einem Ende zu kommen. Die Ewigkeit allein kann dieses Werk vollenden.
Die folgende Erfahrung eines jungen Christlichen Wissenschafters soll zeigen, daß geistiges Verständnis reiche Frucht trägt. Als er sich an Bord eines Schiffes auf dem Ozean befand, erfuhr er, daß ein Sturm im Anzug sei. Durch ernsthaftes Studium der Bibel und der Werke Mrs. Eddys hatte er gelernt, daß der Mensch im Reich Gottes, des Geistes, lebt, in dem die Materie unbekannt ist. Daher wußte er, daß jede gegensätzliche materielle Augenscheinlichkeit eine Lüge ist und durch die Wahrheit, die Gott offenbart, ausgerottet werden muß. Die Wahrheit ist, daß „ alles unendliches Gemüt [ist] und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468). Diese Wahrheit brachte dem Bewußtsein des jungen Mannes Frieden und Licht, und er war nicht im geringsten überrascht, daß der Sturm nicht aufkam.
Wenn wir den Wert geistigen Verständnisses erkennen gelernt haben, drängt sich die Frage auf, wie es erlangt werden kann. Es ist klar, daß es nicht durch das irrende, sterbliche Gemüt empfangen wird. Da der Mensch geistig ist, muß es einen geistigen Sinn geben, durch den wir uns der ewigen Wahrheiten des Seins bewußt werden können. In dem Verhältnis, wie wir geistige Eigenschaften zum Ausdruck bringen und kein anderes Bewußtsein haben als das Gute, bringen wir Gott zum Ausdruck, und ein Ausdruck kennt das Original, von dem er sein eigenes Sein ableitet.
Geistiges Verständnis ist hier und jetzt verfügbar. Es ist die Offenbarwerdung von Intelligenz. Da Gott das eine und allumfassende intelligente Gemüt ist, ist rechtes Verständnis eine Eigenschaft Gottes; und der Mensch als Gottes Gleichnis besitzt diese Eigenschaft. In der Bibel lesen wir (Spr. 2:6): „Der Herr gibt Weisheit, und aus seinem Munde kommt Erkenntnis und Verstand.“ Wenn wir geistiges Verständnis erlangen, erwachen wir zu der Erkenntnis von der Gotteskindschaft des Menschen.
Geistiges Verständnis und Taten gehören zusammen; sie sind untrennbar. Der Psalmist schrieb (Ps. 111:10, n. der engl. Bibel): „Ein gutes Verständnis haben alle diejenigen, die seine Gebote befolgen“, und Christus Jesus betonte die Tatsache, daß nur diejenigen, „die den Willen tun meines Vaters im Himmel“ (Matth. 7:21) in das Himmelreich kommen — zur Erkenntnis von Gottes vollkommener Regierung. Wir müssen unseren Glauben durch unsere Werke beweisen, um geistiges Verständnis zu erlangen und es uns zu erhalten. Die ersten Christen lebten ihre Religion, und sie bewiesen ihr Verständnis von Gott, indem sie Krankheit und alle anderen Übel heilten.
Im dritten Jahrhundert begannen tote Zeremonien und Worte ohne Taten vorzuherrschen, und die Wunder, die die alten Propheten, Jesus und seine Nachfolger vollbrachten, wurden schließlich nicht mehr wiederholt. Das geistige Verständnis von Ihm, der unsere Hilfe in den großen Nöten ist, war verlorengegangen.
In unserem Zeitalter weckt die Christliche Wissenschaft das schlafende Verstädnis der Menschheit von Gott, dem Menschen und dem Universum. Gott wird wiederum als derjenige erkannt, der die Kranken heilt, der den Sündern Freiheit bringt und die Toten erweckt. Mrs. Eddy selbst wurde augenblicklich von den Folgen eines Unfalls geheilt und so dem Tode entrissen. Heilungszeugnisse, die während der Mittwoch-Zeugnisversammlungen in den christlich-wissenschaftlichen Kirchen gegeben sowie in den verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht werden, zeugen für das Wiedererscheinen des alten Christentums. So ist Jesu Verheißung, daß der Vater uns einen anderen Tröster senden würde, in Erfüllung gegangen. Dieser Tröster — die Wissenschaft des Christentums — lehrt uns alle Dinge, vermittelt uns ein geistiges Verständnis von den Tiefen der Gottheit.
Der Same ist ausgesät worden; die Erde war bereit, ihn aufzunehmen. Die Pflicht der Christlichen Wissenschafter auf der ganzen Welt ist es nun, den keimenden Samen zu schützen, daß er in unseren Herzen wachsen und gedeihen möge.
Wir sind treu und gehorsam, wenn wir uns mit Gott in stiller Gemeinschaft vereinen und für Wachstum in der Gnade und im geistigen Verständnis beten. Mrs. Eddy ermuntert uns mit folgenden Worten, die wir auf Seite 367 ihres Buches „Wissenschaft und Gesundheit“ finden, die Arbeit aufzunehmen: „Laßt uns wachen, arbeiten und beten, daß dieses Salz seine Würze nicht verliere und daß dieses Licht nicht verborgen bleibe, sondern in mittäglicher Herrlichkeit erstrahle und erglänze.“
Wenn wir geduldig und in geistiger Weise arbeiten, wird uns unsere Religion immer teurer werden, unsere Liebe zu Gott und unsere Liebe für Seine Offenbarung wird überfließen; die Christliche Wissenschaft wird unser ständiger Begleiter sein; und wir werden den verheißenen Lohn empfangen — geistiges Verständnis.