Bärbel liebte Kletterpartien sehr und rannte mit Vorliebe bergauf und bergab, und wenn sie mit ihren Eltern spazierenging, lief sie gern die Straßenböschung hinab oder auf verschlungene Seitenpfade oder ein Stück in den Wald hinein. Wenn dann die Eltern riefen: „Bärbel, komm auf den geraden Weg!“, war sie immer sehr traurig.
So mochte sie den Goldenen Text aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft für jene Woche nicht, obwohl sie ihn sonst gewöhnlich auswendig lernte. Er hieß: „Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott; dein guter Geist führe mich auf ebner Bahn.“ Ps. 143:10; Mußte sie darum bitten, „auf ebner Bahn“ geführt zu werden, wollte sie wissen.
In der Sonntagsschule der Christlichen Wíssenschaft wies die Lehrerin die Kinder während des Unterrichts auf die Stelle aus Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy hin: „Die Bibel ist sehr heilig. Sie geistig zu verstehen muß unser Ziel sein; denn nur durch dieses Verständnis kann man die Wahrheit erlangen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 547;
Die Kinder fanden bald heraus, daß die „ebne Bahn“ sich auf unsere Gedanken bezieht. Wenn wir an dem Bewußtsein festhalten, daß Gott immer bei uns ist, uns führt und schützt, dann wissen wir, daß uns nichts schaden kann, und wir bleiben immer froh und gelassen. Unsere Gedanken gehen auf ebner Bahn. Aber wenn wir uns nur auf das Sinnenzeugnis verlassen und die Materie für wirklich halten, sind wir bald sehr glücklich und dann wieder tief traurig; bald voller Hoffnung und dann wieder voller Furcht; bald voll Zärtlichkeit und dann wieder voller Zorn und Groll. Unsere Gedanken gehen immerfort auf und ab. Obwohl Christus Jesus vielen Herausforderungen begegnen mußte, ging er ständig vorwärts und tat Gottes Werk ohne Furcht oder Entmutigung.
Den Schülern in der Klasse fielen manche Gelegenheiten ein, wo sie die ebene Bahn verlassen hatten und wo es ihnen hinterher leid getan hatte. Bärbel sah jetzt auch ein, daß sie Gott darum bitten konnte, sie immer „auf ebner Bahn“ zu führen — wie es im 23. Psalm heißt: „Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“ Ps. 23:3. Zum Schluß bat die Lehrerin die Kinder, während der Woche darauf zu achten, ob sie immer „auf ebner Bahn“ blieben oder ob etwas sie verleiten wollte, diese Bahn zu verlassen.
An jenem Nachmittag fuhr Bärbels Familie mit dem Wagen in das nahe Gebirge, um dort zu rodeln. Sie fuhren hoch hinauf bis zur Abfahrtsstelle und sausten dann hinab. Bärbel war begeistert. Aber auf einmal kam eine scharfe Kurve, und sie wurden sehr geschleudert, so daß Bärbel von großer Angst ergriffen wurde. Sie wünschte, sie wäre zu Hause geblieben, und beinahe hätte sie geweint. Zum Glück fiel ihr ein, was sie am Morgen besprochen hatten. Hier war nun eine Gelegenheit, das anzuwenden. Sie schloß die Augen und machte sich klar, daß sie ganz ruhig „auf ebner Bahn“ bleiben konnte, weil Gott sie führte und schützte. Dies machte sie so ruhig, daß die nächsten Kurven sie nicht mehr erschreckten.
Nach der schnellen Talfahrt mußten sie wieder zu ihrem Wagen hinaufsteigen. Zuerst fand Bärbel das Stapfen im Schnee sehr lustig. Doch allmählich erschien es ihr ermüdend und beschwerlich. Sie fing an zu murren und zu stöhnen und war gerade dabei, ihre ruhige und frohe Stimmung wieder zu verlieren, als sie von weitem die Kurve erblickte, die sie bei der Abfahrt mit dem Schlitten beinahe aus der Fassung gebracht hatte. Ihr wurde bewußt, daß sie auf das Sinnenzeugnis nicht hören konnte, daß ihr nichts zu schwer und anstrengend sein konnte, weil sie ganz sicher an Gottes Hand ging. Er führte und stützte sie, und nichts konnte sie unmutig machen. Froh über diesen zweiten Sieg, stieg sie tapfer bis zum Gipfel des Berges.
Als sie auf dem Heimweg noch einmal in Gedanken auf das ganze Erlebnis zurückschaute, dachte sie: „Nächsten Sonntag kann ich erzählen, wie ich, auf ebner Bahn“ geblieben bin.“
