Wenn sich ein Schaf verirrt hat, schaut es gewöhnlich recht kläglich drein. Es spürt, wie sehr es seinen Hirten braucht, aber es sieht ihn nirgends. Viele Menschen sind heute verlorene Schafe — nicht, weil sie in ihren Sünden von ihrer christlichen Religion abgewichen sind, sondern weil die Zunahme der wissenschaftlichen Erkenntnisse sie dazu geführt hat, die Lehren, an die sie früher geglaubt hatten, in Frage zu stellen und anzuzweifeln.
Biblische Geschichten, von denen sie einst glaubten, daß sie buchstäblich zu nehmen seien — Geschichten wie die von Adam und Eva, Noah und der Arche, Jona und dem Walfisch —, halten sie nun für unglaubwürdig. Und wenn diese unglaubwürdig sind, so folgern sie, wie können wir dann wissen, daß Mose tatsächlich die Zehn Gebote auf dem Berg Sinai empfangen hat oder daß Elia tatsächlich Feuer vom Himmel herabrief oder daß Christus Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, aus dem Grabe aufstand und gen Himmel fuhr? Die bloße Behauptung, daß diese Dinge geschehen seien, und Drohungen, daß das Unvermögen, an sie zu glauben, zukünftige Strafe zur Folge haben würde, lassen viele moderne Menschen unbefriedigt, die gern Christen wären, die glauben möchten, aber nicht wissen, was sie glauben sollen.
Im Gegensatz zu denen, die mit ihren alten Lehren zufrieden sind, sind diese verlorenen Schafe vorurteilsfreie Christen, die bereit sind, auf eine Erklärung jener Wissenschaft zu lauschen, die das Christentum mit der beweisbaren Wahrheit verbindet. Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Der vorurteilsfreie, christliche Gedanke wird am ehesten von der Wahrheit berührt und überzeugt.“ Wissenschaft und Gesundheit, Vorw., S. x;
Daß die christlichen Wahrheiten mit beweisbarer Wissenschaft verknüpft sind, läßt sich allein durch eine klare Darlegung der Allheit des Geistes, Gottes, und der Nichtsheit der Materie veranschaulichen. Der mit seinem religiösen Bekenntnis zufriedene Christ ist nicht bereit für diese Darlegung und verwirft sie, aber der unbefriedigte Christ hungert nach ihr und ist bereit, zuzuhören und sie einer Probe zu unterziehen.
In ihrem Artikel „Der Weg“ in dem Buch Vermischte Schriften ermahnt unsere Führerin, Mrs. Eddy, die Christlichen Wissenschafter: „Laßt sie nach den verlorenen Schafen suchen, die, von der wahren Herde abgeirrt, ihren großen Hirten verloren haben und sich danach sehnen, grüne Auen zu finden und am frischen Wasser zu ruhen. Diese verlangen nach der Christlichkeit, die über dem gegenwärtigen Stand der Religion und jenseits des alltäglichen Lebensweges steht, ganz am Rande des Himmels.“ Verm., S. 357;
Wie finden wir die verlorenen Schafe? Durch unsere innere Haltung und durch das, was wir sagen und tun, wählen wir die Besucher unserer Gottesdienste, unserer Vorträge und unserer Lesezimmer. Wenn wir in unserem Denken von der Allheit des Geistes ausgehen und uns nicht als Sterbliche, sondern als Ideen des Geistes identifizieren, vermitteln diese Wahrheiten unserer Betätigung der christlichen Tugenden Wirksamkeit und Vitalität. Sie befähigen uns, ein ehrliches, selbstloses, siegreiches Leben zu führen, bessere menschliche Wesen zu sein; aber mehr noch, sie befähigen uns, die reinen geistigen Eigenschaften auszudrücken, die auf die Gegenwart des Christus hinweisen, auf die wahre Idee von Leben und Liebe, von Gott, dem großen Hirten.
Durch Betätigung der Wahrheiten, die für die Christliche WissenschaftChristian Science; sprich: kr'istjən s'aiəns. einzigartig sind, machen wir unsere Gottesdienste zu Gelegenheiten, wo diese Wahrheiten in den Lesungen gehört und von den Mitgliedern der Zuhörerschaft in Gebet, Gesang und Zeugnis ausgedrückt werden. Wenn wir an die verlorenen Schafe denken, werden wir dafür sorgen, daß unsere Gottesdienste und unsere Zeugnisversammlungen sowie auch unsere Vorträge und alle anderen Einrichtungen zur Darstellung unserer Religion, an denen wir beteiligt sein mögen, die eindeutige Botschaft klar darlegen, die allein die Christliche Wissenschaft zu bieten hat. Dadurch mögen wir einige derer von uns weisen, die mit ihren doktrinären Glaubenslehren zufrieden sind, aber wir werden die Unbefriedigten gewinnen.
Nehmen wir einmal als Beispiel einen Artikel, der in einer der christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht werden soll, einen Artikel, der besonders für jemanden geschrieben ist, der wenig über die Lehren der Christlichen Wissenschaft weiß. Wir mögen versucht sein, die Metaphysik leicht zu nehmen, d. h., den Wert moralischer Rechtschaffenheit oder den Ausdruck geistiger Eigenschaften zu betonen, anstatt das eine Gemüt, Gott, und Seine Widerspiegelung, den Menschen, zu erklären, der nur geistige Eigenschaften ausdrückt und kein materielles Element in seinem Ursprung oder in seiner Substanz oder in seinem Wesen hat. Wenn wir dieser Versuchung nachgeben, mögen wir einen Artikel schreiben, der seine Leser dazu bewegt, liebevoller untereinander zu sein, reiner zu sein und bessere Christen zu sein. Der zufriedene Christ mag ihn lesen und ihn loben, weil er damit übereinstimmt. Aber derjenige, der nach der Wahrheit sucht — den wir gewinnen müssen, wenn unsere Bewegung wachsen soll —, wird den Artikel niemals zu Ende lesen. Er hat das alles schon viele Male gehört.
Jesus sagte: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Matth. 11:28; Die Christliche Wissenschaft erklärt dieses „ich“ nicht als einen körperlichen Sterblichen, der Gott im Fleische ist, sondern als den Christus, die geistige Idee Gottes, deren Vertreter Jesus war. Was die verlorenen Schafe von heute anzieht, ist die geistige Wirklichkeit, die das genaue Gegenteil der Annahme ist, daß Gott in einer fleischlichen Form erschienen sei — ist die Tatsache, daß die vollkommenen Eigenschaften des unendlichen Geistes, die sich im geistigen Menschen widerspiegeln, im menschlichen Leben demonstrierbar sind. Und die Gesundheit, Vitalität, Harmonie und Freude des Geistes sind demonstrierbar, nicht weil Gott der Materie Leben eingeblasen hat, sondern weil Gott Alles und die Materie nichts ist.
Unsere Gedanken und unsere Handlungen und unsere Worte werden unsere Zuhörerschaft wählen. Welches Mittel wir auch benutzen, um der Welt die Christliche Wissenschaft darzubieten, wir werden unser Ziel erreichen, wenn wir Mrs. Eddy folgen. Sie sagt uns: „Millionen vorurteilsfreier Gemüter — schlichte Sucher nach der Wahrheit, müde Wanderer, in der Wüste verschmachtend — harren und warten der Ruhe und der Erquickung. Gib ihnen einen Becher kalten Wassers in Christi Namen, und fürchte niemals die Folgen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 570.
