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Der Nebel und die Berge

Aus der Juli 1979-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Mein Schlafzimmer hatte einen Blick auf die Schweizer Alpen. Unser kleines Hotel lag mitten in diesen prächtigen Bergen. Im hellen Mondlicht schien dieses wuchtige Massiv, das mein ganzes Fenster ausfüllte, zum Greifen nahe. Später, als ich in der Nacht aufwachte, schaute ich hinaus. Die Berge waren verschwunden. Das Massiv war völlig ausgelöscht.

Nebel ist zwar nichts Ungewöhnliches, aber in jener Nacht hatte er eine erstaunliche Wirkung auf meine Sinne. Die Bäume und die vertraute Bank im Vorgarten waren da, aber die Berge waren verschwunden. Wo waren sie? Was für eine phänomenale Leistung war erforderlich, um ihre Herrlichkeit, Struktur und Schönheit wiederherzustellen? Wie lange würde das dauern?

Diese Fragen sind sinnlos, nicht wahr? Die Berge waren ja da. Aber solche Fragen stellen wir manchmal, wenn die physischen Sinne die Harmonie verdecken, die ganz natürlich in unser Leben gehört — wenn Krankheit uns davon überzeugt hat, daß wir nicht mehr gesund sind, oder das Scheckbuch sagt, daß wir Bankrott machen, oder irgendeine Form von Depression uns unserer Freude beraubt. Dann erhebt sich die Frage: Wie kann man die verlorengegangene Harmonie wiederherstellen?

Wenn wir die Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft studieren und anwenden, wird uns die Analogie zwischen dem Nebel, der die Berge, und dem Irrtum, der die Harmonie verdeckt, klar. Die Christliche Wissenschaft erklärt, daß Gott, Gemüt, die eine Ursache oder das eine Prinzip des Universums ist. Das göttliche Gemüt hat keine Fehler gemacht, die berichtigt werden müssen. Gottes Ausdruck Seiner eigenen Unendlichkeit ist vollkommen und läßt keinen Raum für Katastrophen, Unfälle, Krankheit, Verlust oder irgendwelche Unvollkommenheiten.

Die Illusion, daß Materie Leben besitze, daß Materie Ursache oder Wirkung sei, ist der Nebel, der die Berge verhüllt. Nur die materiellen Sinne behaupten, daß wir uns einen Knochen gebrochen hätten, an einer Krankheit litten oder daß Angebot und Nachfrage sich nicht einander die Waage hielten. Das Studium der Christlichen Wissenschaft enthüllt die praktische Wahrheit, daß unsere Hilfe nicht dadurch kommt, daß wir einen verlorengegangenen harmonischen Zustand wiederherzustellen suchen, sondern dadurch, daß wir die Lüge der materiellen Sinne, die die Gegenwart der Harmonie verbergen möchten, auflösen oder durchschauen.

Jesus sah sich ähnlichen Täuschungen gegenüber — z. B. einem Mann mit einer verdorrten Hand, einem Geschäftsmann, der in Betrügereien verwickelt war, einem Menschen, der sein Leben lang ein Invalide gewesen war. Aber die erforderliche Zeit für das, was wir Wiederherstellung oder Heilung nennen, war für Jesus nur ein Augenblick. Er war von der Gegenwart und Wirklichkeit der göttlichen Vollkommenheit so selbstverständlich und mühelos überzeugt, wie ich davon überzeugt war, daß die Berge sich trotz des Nebels noch immer am selben Platz befanden. Nicht die Wiederherstellung von Materie war erforderlich, sondern eine klare Erkenntnis und ein klares Verständnis der wahren Tatsache, daß sich nichts geändert hatte.

Als Jesus dem Mann mit der verdorrten Hand gegenüberstand, war sein Denken bestimmt nicht von den Fragen umnebelt: Wie lange war der Verfall der Materie vor sich gegangen? Was für eine zerstörerische Krankheit konnte dies bewirkt haben? War es möglich, eine ganze Hand nach und nach wiederherzustellen? Statt dessen muß er imstande gewesen sein, sofort durch das allmächtige Durchdringen der Wahrheit die von Gott unterstützte Herrschaft des Menschen und seine Reinheit, die der Spott des Pharisäertums nicht berühren konnte, zu erkennen. Diese Erkenntnis, daß die Vollkommenheit des Menschen gegenwärtig ist, löste den Nebel der falschen Annahme sofort auf.

Jesus sagte: „Strecke deine Hand aus“ Luk. 6:10;, und der Mann tat es. Es erforderte keine Zeit, das Fleisch wiederherzustellen, weil Jesus sich nicht mit dem Fleisch befaßte. Er arbeitete nur mit geistigen Begriffen — mit Ideen —, die Gemüt, Gott, ausstrahlt. Mrs. Eddy erörtert diese bemerkenswerte Heilung in ihrem Buch Die Einheit des Guten, wo sie erklärt: „Jesus benötigte weder Zeit noch Nachdenken, um die Tauglichkeit zur Vollkommenheit und deren Möglichkeiten reifen zu lassen.“ Einh., S. 11; Jesu unerschütterliche Überzeugung, daß nur Vollkommenheit, nicht Unvollkommenheit, gegenwärtig ist, muß die Grundlage seines Denkens und der unvermeidlichen Heilung gewesen sein. Diese wissenschaftliche Denkweise war immer sanft, erbarmungsvoll und liebevoll, weil er den geistigen, von Gott erschaffenen Menschen liebte.

Da Christus Jesus von der gegenwärtigen Vollkommenheit ausging, müssen auch wir sie zu unserem Ausgangspunkt machen, wenn wir heilen wollen. Gibt es eine flache und eine runde Erde an ein und derselben Stelle? Nein. Die runde Erde ist immer vorhanden, wenn sie auch flach zu sein scheint. Die runde Erde erscheint nicht durch irgendeinen Schöpfungsakt, sondern weil wir bereit sind, einen falschen Begriff aufzugeben. Wiederherstellung ist sowohl ein Erscheinen wie ein Verschwinden. Mrs. Eddy erinnert uns daran mit den Worten: „Wenn die falschen menschlichen Annahmen ein wenig von ihrer eigenen Falschheit verstehen lernen, dann fangen sie an zu verschwinden.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 252; Geist äußert sich als geistige Substanz, nicht als Materie, und geistige Substanz ist immer gegenwärtig; sie kann niemals verlorengehen oder wiederhergestellt werden, weil sie als der eigentliche Beweis des Geistes aufrechterhalten und getragen wird.

Wenn der materielle Sinn uns erzählen möchte, wir hätten es mit einem Knochenbruch oder einer Krankheit zu tun, versichert uns die göttliche Logik, daß die geistige Wirklichkeit — Gottes Schöpfung — tatsächlich nach wie vor gegenwärtig ist; sie war niemals verschwunden.

Die Christliche Wissenschaft, die mit der Lehre und dem Heilen Jesu in Einklang steht, ist nicht erschienen, um uns zu erzählen, daß der Knochen zusammenwachsen und die kranke Materie gesund werden wird. Was ist dann aber ihre erhabene Verheißung? Daß alles gut ist. Dies bedeutet nicht, daß wir die Augen vor dem verschließen, was eine körperliche, moralische oder geistige Schwäche zu sein scheint. Wenn wir die göttliche Jetztheit und Gegenwart geistiger Vollständigkeit mit geistiger Einsicht wahrnehmen, können wir entschlossen für die gegenwärtige Vollkommenheit eintreten.

Die Bibel berichtet, wie der Prophet Elisa vom syrischen Heer umlagert wurde und sein Diener außer sich war vor Furcht und Verzweiflung. Elisa betete: „Herr, öffne ihm die Augen, daß er sehe!“ 2. Kön. 6:17; Elisa war schon von Gottes allumfassender Liebe und von seiner eigenen Sicherheit und Geborgenheit überzeugt. Auch wir müssen so von dem Bewußtsein göttlicher Wirklichkeit erfüllt sein, daß wir überall im Universum die Kräfte des Guten wirken sehen, selbst dort, wo das Getöse des Bösen den ganzen Raum zu erfüllen scheint.

Erschafft Gemüt einen Menschen oder ein Universum, das in Unvollkommenheit verfallen könnte und dessen Vollkommenheit Gott wiederherstellen muß? Nein, die Wissenschaft der Schöpfung erklärt, daß Gottes Ausdruck Seiner selbst keiner Schwankung oder Veränderung unterliegt. Gott ist Prinzip, und durch das unfehlbare Gesetz des Prinzips bleiben Ursache und Wirkung immer eine harmonische Einheit. Die Erkenntnis, daß Gott unendlich und unteilbar ist, bringt uns zum Bewußtsein, daß es nichts in der ganzen Schöpfung gibt, was weniger als vollkommen wäre.

Die Folgen christlich-wissenschaftlichen Heilens zeigen sich als körperliche Wiederherstellung und verbesserte Zustände. Wenn wir aber nicht um die Wiederherstellung der Materie beten, warum tritt dann die Wiederherstellung ein, wenn wir beten? Im wesentlichen aus dem gleichen Grund, weshalb die Berge auch am nächsten Morgen noch draußen vor meinem Fenster waren. In der Christlichen Wissenschaft sind die wahren Tatsachen des Seins immer gegenwärtig; wir beten nicht um ihre Rückkehr, sondern nur darum, daß wir nicht von dem Nebel des Lebens in der Materie getäuscht werden mögen.

Wenn die physischen Sinne uns mit ihren Unvollkommenheiten überwältigen, ist es verführerisch, sich zu wünschen oder sogar zu beten, daß kranke Materie wieder in ihren früheren gesunden Zustand zurückkehren möge. Aber selbst gesunde Materie hat Gott nicht erschaffen, und sie sich zu wünschen bedeutet, sich Begrenzung und Falschheit zu wünschen. Beachten Sie einmal, welche Kraft in Mrs. Eddys Worten liegt. Sie schreibt: „So laßt uns nun diese Wissenschaft vom Menschen nicht aus den Augen verlieren, sondern sie klar erfassen; dann werden wir erkennen, daß der Mensch von seinem vollkommenen Prinzip, Gott, ebensowenig getrennt werden, wie eine Idee ihrem festen Grund entrissen werden kann. Diese wissenschaftliche Erkenntnis liefert den offensichtlichen Beweis für die Unsterblichkeit, ebenso wie den Beweis dafür, daß das Prinzip des Menschen keinen weniger vollkommenen Menschen hervorbringen kann als zu Beginn der Schöpfung. Eine materielle Daseinsauffassung ist nicht die wissenschaftliche Tatsache des Seins; wohingegen das geistige Verständnis von Gott und Seinem Universum die unsterbliche und wahre Auffassung vom Sein ist.“ Vermischte Schriften, S. 186.

Mit der Gewißheit wissenschaftlichen Wissens zu behaupten, daß der wirkliche und eigentliche geistige Zustand des Menschen unverändert, unversehrt und gegenwärtig ist, das bildet die Grundlage des Gebets der Wiederherstellung. Die Kraft spendenden, von Gott kommenden Eigenschaften wie selbstlose Liebe, Zärtlichkeit, Demut und Tugendhaftigkeit zu leben bedeutet, sie gewissermaßen als Ausdruck unserer Identität und der Substanz unseres gegenwärtigen Seins zu beanspruchen. Wenn wir beten, hoffen wir nicht, schlechte Materie wieder zu guter Materie zu machen. Vielmehr sind wir tief im Innern von der freudigen Überzeugung erfüllt, daß Gott Alles ist; wir tauschen falsche Begriffe der Materialität durch die gesunde Substanz des Geistes aus, die niemals abwesend und niemals unvollkommen ist.

Freuen Sie sich immer, daß Ihre Berge da sind. Ihre Schönheit und Dauerhaftigkeit wurden niemals durch den Nebel verändert.

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