Mit jenem weichen Gewand des „Weitergehens“ wird dem Tod manchmal die Robe der Würde und des Ansehens verliehen, die ihn fast begehrenswert erscheinen läßt. Wir sollten vor dieser hinterlistigen Ausdrucksweise des tierischen Magnetismus auf der Hut sein. Der Tod — der Feind des Lebens — muß zerstört werden.
Die Allheit von Leben, Wahrheit und Liebe sowie die Nichtsheit von Krankheit, Sünde und Tod sind demonstrierbare Tatsachen. Der Christlichen Wissenschaft gemäß können alle dies für sich selbst erkennen und beweisen. In der Unendlichkeit des immer gegenwärtigen Lebens ist der Tod ein bloßer Traum des sterblichen Sinnes — er hat weder Substanz noch Wirklichkeit.
Aber das sterbliche Gemüt — die unwissenschaftliche Anschauung von Gott und dem Menschen — möchte, daß die Menschheit unachtsam ist und sich in einen hypnotischen Traum lullen läßt, in dem sie glaubt, der Mensch sei sterblich — nicht die Idee des Lebens — und gehe weiter. Wir müssen diese Lüge durchschauen, damit wir nicht unbewußt den beschönigenden Ausdruck „weitergehen“ akzeptieren, als ob es sich hierbei um eine bessere Art des Sterbens handele. Unter welchem Deckmantel das Böse auch erscheinen mag, wir sollten uns nicht dazu verleiten lassen, dem Tod gegenüber weniger wachsam zu sein und ihn nicht so sehr als einen Feind zu betrachten, der ständig im menschlichen Bewußtsein zerstört werden muß. Das „Weitergehen“ sollte nicht zu einer getarnten Versuchung werden, unbewußt gewisse orientalische Philosophien, mystische Vorstellungen oder Theorien über Leben und Tod anzunehmen, wie z. B. die der Seelenwanderung. Sie sind kein Ersatz für die christlich-wissenschaftliche Tatsache, daß Leben, Gott, stets Alles und unendlich ist und daß der Mensch das Ebenbild des Lebens ist.
Die Illusion des Weitergehens setzt mehr als einen Schöpfer und mehr als einen wahren Bewußtseinszustand voraus. Aber es ist eine unumstößliche Tatsache, daß des Menschen wirkliches und einziges Bewußtsein das des Geistes ist, daß es also geistig und ewig ist; es gibt kein Weitergehen aus diesem einen und einzigen Bewußtsein in ein anderes. Wenn wir diese wissenschaftliche Tatsache aus den Augen verlieren, geht uns der praktische Weg zur Harmonie verloren.
Hier mag jemand mit Recht fragen: Aber was sollen wir denn sagen, wenn unsere Freunde nicht mehr bei uns sind? Nun, es kommt darauf an, was wir denken, wenn wir etwas sagen. Wörter und die menschliche Sprache sind nur Sinnbilder für Gedanken, und der Metaphysiker befaßt sich hauptsächlich mit Gedanken, nicht so sehr mit Dingen oder bloßen Formulierungen. Wir sollten uns daher, wie wir unsere Worte auch wählen mögen, im Bewußtsein über die absolute wissenschaftliche Tatsache völlig im klaren sein und einen kompromißlosen gedanklichen Standpunkt hinsichtlich der absoluten Wahrheit einnehmen.
Als Jesus Lazarus aus dem Traum des Todes erweckte, versicherte er Martha hinsichtlich der Kraft des Christus: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Joh. 11:25, 26; Vorher hatte der Meister erklärt, daß Lazarus schlafe.
Wenn die Nichtsheit von Krankheit und Tod bewiesen werden soll, müssen wir das sterbliche Gemüt in allen seinen heimtückischen Formen täglich verneinen — nicht als eine Wesenheit oder Wirklichkeit, sondern als einen falschen Anspruch und eine Illusion.
In Wirklichkeit ist der Tod oder das Weitergehen — ebenso wie Krankheit, Kummer oder irgendeine andere Form des Irrtums — keine wissenschaftliche Tatsache, nicht einmal eine selbstkonstituierte Macht, die als solche angefochten werden müßte. Der Tod ist einfach eine falsche Auffassung, eine Annahme, daß Leben, Seele, abwesend sein könne. Er entsteht aus der nicht überwundenen Suggestion von Leben in der Materie und von Seele im Körper, die uns für die Allheit und Allgegenwart des Geistes blind macht. In dem Maße, wie wir ernstlich mit dieser Suggestion ringen und ihre Unwirklichkeit und Machtlosigkeit auf der Grundlage der Allmacht von Leben, Wahrheit und Liebe beweisen, erkennen wir, daß das göttliche Prinzip des ewigen Lebens todlos und der Tod eine irrige Annahme ist. Trauer und Kummer um dahingeschiedene Freunde und Angehörige werden dann weniger schmerzlich sein. Wir werden Trost darin finden, daß unser Denken sich zur Ewigkeit und Allgegenwart von Leben und Liebe erhebt, in der unsere Lieben ebenso wie wir gegenwärtig sind. Wir können mit ihnen zusammen in dieser fortschreitenden Erkenntnis zur Himmelfahrt hinstreben, zu dem endgültigen Sieg über jede sterbliche Annahme.
Mrs. Eddy, die immer die sachlichen Gegebenheiten im Auge behielt, schreibt: „Wenn du und ich als Sterbliche sagen, daß wir in diesen dunklen Schatten des materiellen Sinnes, Tod genannt, nicht eintreten werden, so behaupten wir damit etwas, was wir nicht bewiesen haben; aber in der Wissenschaft“, fährt sie fort, „stirbt der Mensch niemals. Der materielle Sinn oder die Annahme von Leben in der Materie muß vergehen, damit der Mensch als todlos erfunden wird.“ Die Einheit des Guten, S. 40;
Es erfordert ein erhebliches Maß an geistiger Aufmerksamkeit und Wachsamkeit auf seiten des Metaphysikers, die Schliche des sterblichen Gemüts aufzudecken und ihnen entgegenzuwirken. Es erfordert ernsthaftes Gebet, Studium und Betätigung.
Wir sollten jeden Gedanken sorgfältig im Licht der göttlichen Metaphysik prüfen und ihn auf der Grundlage seiner Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit dem Wesen und Charakter Gottes, des Guten, entweder annehmen oder zurückweisen. Hierdurch werden wir und andere vor falschen Einflüssen geschützt. Wenn wir zulassen, daß sich sterbliche Annahmen ins Bewußtsein einschleichen, mögen wir sie später als Annahmen von Krankheit oder Tod erleben.
Seit der Menschheit die erste Lüge von Leben in der Materie suggeriert wurde, hat sie sich dazu verleiten lassen, den schrecklichen Widerspruch zu akzeptieren, daß der Tod eine notwendige Folge des Lebens sei — eine Tatsache, aus der der einzige Ausweg in der Selbsttäuschung zu liegen scheint, neue Ausdrücke zu finden, mit denen man das Grauen vor dem Tode überdecken kann.
Ich bin in einem presbyterianischen Missionshaus aufgewachsen, und ich erinnere mich an den ungeheuren Schrecken, der mir jedesmal in die Glieder fuhr, wenn die Kirchenglocke feierlich läutete, um den Tod eines Gemeindemitglieds zu verkünden, und ich bemühte mich in meiner Kindheit, das Wort „Tod“ zu vergessen.
Später lernte ich, daß die Aufgabe des christlichen Metaphysikers darin besteht, jede Wirklichkeitsflucht abzulehnen, durch die er den Irrtum oder das sterbliche Gemüt mit seinen heimtückischen Methoden (welcher Art sie auch gerade sein mögen) zuzudecken sucht, und statt dessen unnachgiebig an der Wirklichkeit des Seins festzuhalten, daß, wie Mrs. Eddy sagt, „kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie“ existiert, sondern alles „unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 468; ist.
In der Allgegenwart des Geistes und seiner Ideen gibt es keinen Tod und kein Weitergehen von einem Bewußtseinszustand in einen anderen. Wir sollten daher den Gedanken an Sterben oder Weitergehen aufgeben und in „Gottes großer Huld und Gnade“ erleben, was in den Worten eines Liedes wie folgt beschrieben wird:
Frei jeder Schritt und Atemzug,
der Horizont so herrlich weit —
ein Leben ohne Tod und Trug:
das Leben, das die Welt erneut!Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 218 [freie Übersetzung aus dem Englischen];
Mrs. Eddy erklärt nachdrücklich: „Es ist unchristlich, an den Übergang zu glauben, der materieller Tod genannt wird, da die Materie kein Leben besitzt; und ein solcher Irrglaube muß eine andere Macht, ein nur in der Vorstellung bestehendes Leben, auf den Thron erheben, eine Macht, die über dem lebendigen und wahren Gott steht.“ Einh., S. 38; Wir brauchen keine Furcht zu haben, wenn wir uns in der lebendigen Wahrheit des Lebens und der Liebe sehen. Christus Jesus, der Meister der Metaphysiker, sagte: „So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.“ Joh. 8:51.
