Manchmal fragen sich Christliche Wissenschafter, wie sie ihr Leben gestalten sollten und in welchen Bahnen es verlaufen sollte. Diese Frage kann man nur sehr verallgemeinernd beantworten, etwa so: Das Leben jener Menschen, die sich bemühen, Gott und ihr wirkliches Wesen als Gottes Ausdruck zu verstehen, ist durch Offenheit und Fairneß im Umgang mit anderen, durch eine auf das Gemeinwohl bedachte Gesinnung, durch Unparteilichkeit, Selbstlosigkeit und ähnliche Eigenschaften gekennzeichnet. Vor allem aber ist ihr Leben von einer Geistigkeit erfüllt, die heilt.
Des weiteren hat der geistig gesinnte Wissenschafter eine Vorstellung von der ausgeprägten Individualität einer jeden Idee Gottes. Wenn auch seine Lebensweise in vieler Hinsicht der anderer um ihn her gleichen mag, so wird in ihr — wenn in seinem Denken seine wirkliche Identität als Gottes individuelle geistige Idee vorherrscht — diese Identität noch konkreter zum Ausdruck kommen.
Ein Christlicher Wissenschafter zu sein bedeutet nicht, ein farbloses oder zurückgezogenes Leben zu führen. Wenn der Wissenschafter die menschliche Erfahrung durchschreitet, wird er eine zunehmende Wertschätzung — und Freude — für das Beste und Nützlichste gewinnen.
Mary Baker Eddy wußte das, was in der Welt, in der wir zu leben scheinen, das Beste ist, zu schätzen, wenn sie schreibt: „Selbst die menschliche Anschauung von Schönheit, Größe und Nützlichkeit bietet dem Spott die Stirn. Sie ist mehr als Einbildung. Sie ist der göttlichen Schönheit und der Größe des Geistes verwandt. Sie begleitet unser Erdenleben und ist der subjektive Zustand hoher Gedanken.“ Vermischte Schriften, S. 86; Wenn sich unser Denken durch die Wahrnehmung des wirklichen Seins — der Vollkommenheit Gottes und Seines idealen Universums — erhebt, können wir mehr Erfreuliches und Interessantes in unserem Leben erwarten.
Das soll nicht heißen, daß wir uns schon mit den Freuden und Tätigkeiten des Alltags zufriedengeben sollten. Vielmehr unterstützt es eine natürliche und abwechslungsreiche Lebensweise. Der Ausdruck „menschliche Erfahrung“ bezeichnet keine bestimmte Schicht der Wirklichkeit, die vom göttlichen Sein unabhängig und getrennt ist. Die edleren Aspekte des Menschlichen lassen lediglich die göttliche Wirklichkeit erkennen, die durch einen sterblichen Nebel gesehen wird. Das Beste des Menschlichen ist das Göttliche, das durch einen dünneren Nebel gesehen wird. Wenn wir unsere Schau völlig vergeistigen — was wir zumindest für einige Augenblicke tun können —, sehen wir nur das Göttliche, denn dort gibt es keinen Nebel.
Da ich mich für den Film als Ausdruck der modernen Kunst interessierte, besuchte ich jedes Jahr internationale Filmfestspiele. Ich fand mein Interesse am Film auch nützlich, da ich die augenblicklichen Gedanken und Einstellungen der Menschen kennenlernte. Und doch fühlte ich mich als Ausüber der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns) dort fehl am Platz. Ja, sogar schuldig. Es wurde mir klar, daß dieses Schuldgefühl nicht darauf zurückzuführen war, daß ich glaubte, etwas Falsches getan zu haben, sondern allein dem Gedanken entsprang, ich entspräche nicht der stereotypen Vorstellung, die meiner Meinung nach zu jener Zeit in jener Gegend über den Ausüber weit verbreitet war, und daß ich doch dieser Vorstellung entsprechen sollte.
Mir wurde klar, daß das Mittel gegen ein unnützes Gefühl innerer Unruhe, wenn wir konstruktiven Tätigkeiten nachgehen, die für uns von besonderem Wert sind, darin besteht, unsere geistige Individualität mit solcher Überzeugung anzuerkennen, daß wir uns nicht durch rein persönliche stereotype Vorstellungen beeinflussen lassen und uns kraftlos den oberflächlichen Erwartungen anderer anpassen. In dem Maße, wie wir uns unserer geistigen Einzigartigkeit wirklich bewußt werden, werden wir nützlicher und freundlicher, verständnisvoller, wir neigen weniger dazu, andere, ohne an ihre Gefühle zu denken, zu beleidigen, und vor allem aber werden wir bessere Heiler.
Je mehr wir uns für die Christliche Wissenschaft und ihre Tätigkeiten engagieren, um so entschlossener werden wir ein ausgeglichenes Leben führen müssen — ein Leben, dessen Elemente sich aufs beste ergänzen. Manchmal hilft es uns, wenn wir die Arbeit in einem Kirchenkomitee vielleicht für kurze Zeit aufgeben, um dann erfrischt zu ihr zurückzukehren. Neue Gesichtspunkte, die wir durch das Lesen eines guten Buches oder den Besuch eines anregenden Schauspiels gewinnen, Freude über die kreative Anwendung von Form und Farbe, die wir bei einer Kunstausstellung entdecken, ein paar Stunden Tennis und dergleichen — all das mag unser Leben würzen, so daß unsere ganze Anschauungsweise bereichert wird.
Vielbeschäftigte Menschen brauchen Ordnung und System im Leben, um alles bewältigen zu können. Wenn wir jedoch einer Routine verfallen sind oder ständig versuchen, einen starren Tagesablauf einzuhalten, kann dies auf Spuren von Materialität hinweisen, die wir lieber zerstören sollten.
Geistigkeit bringt Vielfalt, Frische, Freude, Intelligenz, Schönheit in unser Leben. Materialität ist grau; Geistigkeit ist sozusagen vielfarbig. Während die Materialität sich mühsam dahinschleppt, sich stumpfsinnig mit sich selbst befaßt, erhebt sich die Geistigkeit beschwingt und steigt immer höher.
Der am geistigsten gesinnte Mensch, der je gelebt hat, war Christus Jesus. Sein ganzes Leben war das gerade Gegenteil von Mühe und Stumpfsinn. Es erglänzte durch göttliche Eigenschaften, durch die Widerspiegelung der unendlichen Liebe, die Gott ist. In dem folgenden kurzen Abschnitt vermittelt Mrs. Eddy uns ein herrliches Bild von dem Ausmaß und der Bedeutung seines Lebens und von seiner einmaligen Liebe — eine Vorstellung, die sie durch das Lesen der Bibel gewonnen hatte: „Für die Schüler, die er erwählt hatte, bedeuteten seine unsterblichen Lehren das Brot des Lebens. Wenn er bei ihnen war, wurde ein Fischerboot zum Heiligtum, und die Einöde war erfüllt mit heiligen Botschaften von dem All-Vater. Der Hain wurde sein Hörsaal, und die stillen Winkel der Natur waren die Hochschule des Messias.
Was hat dieser Prediger auf den Höhen, dieser Lehrer am Gestade des Meeres für das Menschengeschlecht getan? Frage lieber: Was hat er nicht getan? Seine heilige Demut, seine Weltabgewandtheit und Selbstvergessenheit bewirkten unendlichen Segen.“ Rückblick und Einblick, S. 91.
Christus Jesus ist unser Wegweiser. Als Christlicher Wissenschafter zu leben heißt, eine vergleichbare Qualität unsterblichen Lebens, Gottes, zum Ausdruck zu bringen — wenn auch auf eine sehr viel kärglichere Weise. Göttliches Leben ist das einzige Leben und das einzige Leben des Menschen. Da es nur das eine gibt und sich dieses eine immerdar entfaltet, ist es ewiglich neu.
