Die Bucht von Kotor liegt ganz im Süden des früheren Jugoslawien, nahe der Grenze zu Albanien. Es ist eine große Bucht, und man braucht lange, um sie auf der Straße zu umfahren. Es spart also Zeit, wenn man die Fähre benutzt, die den engen Ausgang der Bucht überquert.
Unser Reisebus befand sich auf der Rückfahrt von einer Tagestour in den bitterarmen Süden. Der Höhepunkt war ein Besuch in dem wunderschönen Dorf auf der Insel Sveti Stefan gewesen, die nahe bei der Küste liegt. Nun hielt der Bus an. Wir warteten auf die Fähre.
Sofort kam eine ärmlich gekleidete Bäuerin an den Bus und versuchte, uns ihre Waren zu verkaufen. Sie hatte nicht viel Erfolg, denn nur das Heckfenster des vollklimatisierten Busses ließ sich öffnen. So machte sie kaum Geschäfte. Ich war der einzige Reisende, der ausgestiegen war. Sie zeigte mir ihre Waren: wunderschön geschnitzte Holzschüsseln und Schalen und andere prachtvolle Gegenstände, die ihr geschickter Mann aus Holz gemacht hatte.
Eine Welle des Mitgefühls überkam mich, und ich wollte helfen. Sicher doch, so überlegte ich, kann sie sich der Überfülle des göttlichen Guten ebenso bewusst sein, wie ich es bin. Ich dachte an Elisa und die Witwe Siehe 2. Kön 4:1–7. — und sofort wusste ich, was ich tun konnte. In meinem Geschäft hatte ich einmal ein ähnliches Problem zu lösen, und jetzt half mir das, was ich damals erkannt hatte.
Ich dachte an Elisa und die Witwe — und sofort wusste ich, was ich tun konnte. In meinem Geschäft hatte ich einmal ein ähnliches Problem zu lösen, und jetzt half mir das, was ich damals erkannt hatte.
Wie ging ich also in dieser Situation vor? Ich wusste, dass Mitgefühl eine Eigenschaft ist, die von Gott, der göttlichen Liebe, kommt. Wenn wir Mitgefühl zum Ausdruck bringen, öffnet sich unser Denken der Allgegenwart des Christus, Gottes Botschaft der Liebe. Ich machte mir klar, dass wir — als Kinder Gottes — alle die Substanz der göttlichen Liebe ausdrückten.
Zunächst begann ich mit der Frau ein Gespräch, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Dabei benutzte ich nur englische Ausdrücke, die ich schon von ihr gehört hatte und die sie also kannte. Dann fing ich an, ihren Verkäufer zu spielen. Sie blieb an dem einzigen offenen Fenster stehen und ich ging mit Mustern ihrer Waren den Bus entlang und versuchte die Sachen an den Mann zu bringen. Die Geldgeschäfte wurden dann durch das Heckfenster erledigt, damit die Frau die Übersicht über die Verkäufe behielt. Es war ein Vergnügen, ihr auf diese Weise zu helfen. Ich freute mich über die Wahrheit der Überfülle Gottes. Und bis die Fähre kam, war jedes Stück aus ihren zwei großen Taschen verkauft. Es war ein Totalausverkauf!
Als die Fähre am anderen Ufer angelegt hatte, sahen wir, wie die Frau in einen Fleischerladen ging. Kurz darauf kam sie mit strahlendem Gesicht wieder heraus und bepackt mit Fleisch für ihre Familie. Und es war sogar noch Geld übrig geblieben!
Während der Weiterfahrt bemerkte ich mit Interesse, dass viele Mitreisende zwei oder drei Stück von dem gleichen Gegenstand gekauft hatten. Sie waren sehr dankbar, dass sie solch wundervolle Holzschnitzereien bekommen hatten. Mit einem Schlag hatte sich für sie die Frage gelöst, was sie ihren Angehörigen von der Reise mitbringen sollten — und wie froh und zufrieden waren sie nun!
Ich freute mich über die Wahrheit der Überfülle Gottes.
Noch eine ganze Zeitlang war ich voll Freude und Dankbarkeit für dieses Erlebnis. Ich fühlte mich bereichert und ich war überzeugt, dass es allen meinen Reisegefährten ebenso ging. Ich war dankbar, dass wir einen Schimmer der überreichen Fürsorge der Liebe jemandem hatten bringen können, der seinen Lebensunterhalt offensichtlich mühsam verdienen musste.
Gott versorgt den Menschen ununterbrochen und Seine Fürsorge ist beweisbar. Der Prophet Elisa demonstrierte das, als er der armen Witwe half, deren Söhne ihr von einem Gläubiger weggenommen und zu Sklaven gemacht werden sollten. Elisa hörte, dass sie einen kleinen Ölvorrat besaß, und so sagte er ihr, sie solle sich von ihren Nachbarn so viele leere Gefäße borgen, wie sie nur bekommen konnte. Als sie dann ihr Öl in diese Gefäße goss, wurden alle voll. Sie verkaufte das Öl und bezahlte ihre Schulden.
Sie konnte alle ihre Waren in ganz kurzer Zeit verkaufen.
Im Fall der Jugoslawin tat sich ein Weg auf, wie sie alle ihre Waren in ganz kurzer Zeit verkaufen konnte. Sie kehrte nicht nur voller Freude und mit vollen Taschen heim, sondern lebte auch sichtbar auf.
Ist das nicht ein gutes Beispiel dafür, wie der Christus in menschlichen Angelegenheiten wirkt? Der Christus ist ewig und allgegenwärtig. Er hat die Macht, die Illusion von Mangel auszulöschen. Mrs. Eddy erläutert dies in Wissenschaft und Gesundheit, wo sie Christus so erklärt: „Christus ist die wahre Idee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewußtsein spricht. Der Christus ist unkörperlich, geistig — ja, er ist das göttliche Bild und Gleichnis, das die Illusionen der Sinne vertreibt; er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, die Kranken heilend und böse Geister austreibend, Sünde, Krankheit und Tod zerstörend.”Wissenschaft und Gesundheit, S. 332.
Weiter schreibt Mrs. Eddy: „Christus drückt das geistige, ewige Wesen Gottes aus.. .. Alle Generationen hindurch, vor wie nach Beginn der christlichen Zeitrechnung, ist der Christus, als die geistige Idee — die Widerspiegelung Gottes —, mit einem gewissen Maß von Macht und Gnade zu allen denen gekommen, die bereit waren, Christus, Wahrheit, zu empfangen.” Ebd., S. 333. Diese „Macht und Gnade” habe ich besser kennen gelernt.
Es wird viel darüber gesprochen, wie man Not leidenden Völkern auf der ganzen Erde helfen kann. Und obwohl Hilfe in dringenden Notfällen sehr wichtig ist, wird sie doch nicht völlig wirksam sein ohne die „Macht und Gnade” — das dem Leben Erfüllung bringende Wirken — des Christus. Mitgefühl, geistige Liebe, öffnet die Tür unseres Denkens für die Macht und Gnade des Christus. Mitgefühl ist eine heilende Eigenschaft. Es ist mehr als nur Mitleid oder eine menschliche Gefühlsregung. Mitgefühl wandelt das Leben um.
Schon von Anbeginn der Menschheitsgeschichte ist der ewige Christus allen zugänglich gewesen. Jesus war die vollkommene Verkörperung des Christus. Die Wahrheiten, die er offenbarte, kann auch heute jedermann anwenden, um persönliche Probleme zu lösen, sei’s im Zusammenhang mit Mangel, Arbeitslosigkeit, Rezession oder Depression. Die Christliche Wissenschaft bringt uns die immer gegenwärtige Fülle und Substanz der göttlichen Liebe nahe, die Christus offenbar macht.
Was dort an der Bucht von Kotor geschah, als wir auf die Fähre warteten, war nicht lediglich die Folge menschlicher Güte. Es war eine Offenbarwerdung des Christus — „der göttlichen Botschaft von Gott an die Menschen”. Es segnete alle, denn es demonstrierte die wahre Substanz und allgegenwärtige Macht der göttlichen Liebe.