Die Christlichen Wissenschafter finden es sehr bedauerlich, daß manche Kritiker auf Grund einer falschen Auffassung von den Lehren Mrs. Eddys Dinge in diese Lehren hineinzulesen suchen, die gar nicht da stehen. Ist es aber nicht weit bedauerlicher, wenn Christliche Wissenschafter selber etwas in Mrs. Eddys Schriften hineinlesen, was sie gerne da sehen möchten? Dies geschieht besonders in bezug auf Abschnitt 23, Artikel VIII unsres Kirchenhandbuchs, wo es heißt:
„Wenn ein Mitglied dieser Kirche einen Patienten hat, bei dem er keine Heilung bewirkt, und dessen Fall er nicht völlig diagnostizieren kann, so mag er wegen der in Betracht kommenden Anatomie einen Doktor der Medizin zu Rate ziehen. Ferner soll ein Christlicher Wissenschafter das Recht haben, mit einem Doktor der Medizin über die Ontologie oder Lehre vom Sein zu sprechen.”
Der Wortlaut dieses Statuts ist so bestimmt, und die Vorbedingung ist so genau angegeben, daß man sich nur wundern muß, wie sich irgendein Christlicher Wissenschafter auf dieses Statut berufen kann, um eine falsche Praxis zu stützen, in die einige ausübende Vertreter verfallen sind und die darin besteht, daß sie fast bei jedem Fall, den sie zu heilen suchen, die Diagnose eines Arztes verlangen, trotzdem es auf Seite 370 von Wissenschaft und Gesundheit heißt: „Eine physische Diagnose von Krankheit dient dazu, die Krankheit herbeizuführen, denn das sterbliche Gemüt muß die Ursache der Krankheit sein”; trotzdem Mrs. Eddy auf Seite 198 sagt: „Die Annahme eines Patienten wird mehr oder weniger durch die Gedanken eines Doktors über den betreffenden Fall gemodelt und gestaltet, wenn auch der Doktor nichts sagt, um seine Theorie zu stützen. Seine Gedanken und die seiner Patienten vermischen sich, und die stärkeren Gedanken beherrschen die schwächeren”; und wiederum auf Seite 398: „Zuweilen nannte Jesus eine Krankheit mit Namen. ... Solche Beispiele zeigen die Zugeständnisse, die Jesus der allgemeinen Unkenntnis der geistigen Lebensgesetze zu machen willens war.”
Die Christliche Wissenschaft ist für diejenigen klar und einfach, die ihr mit offenem Gemüt entgegenkommen und die nicht den Wunsch haben, diese Lehre so zu drehen und zu tuenden, daß sie sich mit den alten Vorstellungen deckt, welche der Menschheit von alters her anerzogen worden sind. Jesus machte allerdings „der allgemeinen Unkenntnis der geistigen Lebensgesetze” Zugeständnisse; nie aber vermischte er Wahrheit und Irrtum. Ebensowenig dürfen Christliche Wissenschafter dies tun. Mrs. Eddys Lehren beruhen auf einem unveränderlichen Prinzip; sie offenbaren der Menschheit den „Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.” Wer die Ausübung der Christlichen Wissenschaft von einem materiellen System abhängig macht, fesselt sie in so hohem Grade mit materiellen Vorstellungen, daß sie zu diesen in ein untergeordnetes Verhältnis tritt. Es entsteht ein Schwanken zwischen Geist und Materie, und wir haben dann ein Haus, das mit ihm selbst uneins ist. Ein solches Verfahren beruht entweder auf der törichten Annahme, daß geistiges Heilen nur dann möglich sei, wenn es von materiellen Systemen eingeleitet und unterstützt werde, oder aber kommt es einem Zugeständnis gleich, das demütigend und durchaus ungerechtfertigt ist.
Viele Jahre sind verflossen, seit der große Lehrer die falsche Annahme bloßstellte, daß der Mensch zweien Herren dienen könne. Als Christliche Wissenschafter müssen wir ein für allemal die Vorstellung aufgeben, daß medizinische Praxis unentbehrlich sei. Mrs. Eddy sagt: „Fleisch und Geist können sich ebensowenig in ihrer Tätigkeit vereinigen, wie das Gute mit dem Bösen übereinstimmen kann. ... Nur wenn man sich absolut auf Wahrheit verläßt, kann einem die wissenschaftlich heilende Kraft zur Wirklichkeit werden” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 167). In diesen Worten liegt dieselbe Wahrheit, die Jesus mit den folgenden Worten äußerte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.” Das Zugeständnis, das unser Meister machte, galt „der allgemeinen Unkenntnis der geistigen Lebensgesetze”, und das Zugeständnis, das ein Mitglied der Mutterkirche dem angeführten Statut gemäß machen darf, ist derselben Art und sollte nur dann in Betracht kommen, wenn dem ausübenden Vertreter die Heilung nicht gelungen ist, weil er die „geistigen Lebensgesetze” nicht demonstrieren kann, die andernfalls seinen Patienten heilen würden.
Wir haben in der Christlichen Wissenschaft herrliche Resultate erzielt. Krankheiten jeder Art sind geheilt worden. Und nun ist es unser Vorrecht, auf ein höheres Verständnis hinzuarbeiten. Wenn die Versuchung an uns herantritt, auf das Materielle zurückzuschauen, dann sollten wir uns die Ermahnung des Meisters ins Gedächtnis rufen: „Gedenket an des Lot Weib!” Auch die darauffolgenden Worte des Meisters haben durchaus keinen unsicheren Ton. Er erklärt, nur derjenige, der bereit sei, seinen falschen Begriff vom Leben aufzugeben, werde sein Leben erhalten.
