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Demonstration

Aus der November 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Da die Christliche Wissenschaft exakt ist, kann sie weder hinsichtlich der Darlegung ihres Prinzips noch hinsichtlich der Wahl der hierzu erforderlichen Ausdrücke ein ungenaues Verfahren dulden. Das Wort Demonstration wird sehr viel von Christlichen Wissenschaftern gebraucht, aber häufig in unzutreffender Weise. Beim Nachsinnen über die eigentliche Bedeutung dieses Wortes in der Christlichen Wissenschaft muß die Verfasserin oft an ihre anfänglichen Erfahrungen als Lehrerin der Mathematik denken. Ehe sie ihre Lehrtätigkeit in Angriff nahm, hatte sie viel von zwei angeblich äußerst geweckten Knaben gehört. Es hieß, sie hätten im vorhergehenden Jahr nahezu das ganze Rechenbuch durchgearbeitet. Über das mathematische Verständnis dieser Schüler oder ihre Fähigkeit, dieses Verständnis anzuwenden, erfuhr die Verfasserin nur soviel, daß sie sämtliche Aufgaben gelöst hätten. In der ersten Unterrichtsstunde zeigte es sich denn auch, daß sie wohl Antworten aus dem Lehrbuch geben konnten, die bei den Aufgaben in Betracht kommenden mathematischen Grundsätze jedoch nicht verstanden und sie nicht anzuwenden wußten. Durch ihr Arbeiten nach formulierten Regeln waren sie zwar zu Resultaten gekommen, doch war keine einzige Aufgabe in wissenschaftlicher Weise gelöst worden.

Erst als diese Methode beseitigt war und alle Exempel an der Wandtafel vorgenommen wurden, erst als die Jungen anfingen, von einem grundlegenden Gesetz aus zu arbeiten, wurde ihnen klar, was man in der Mathematik unter einem Beweis oder einer Demonstration versteht, und sie erkannten nun die Bedeutung dieses Wortes. Sie lernten auch, daß das Erhalten von Antworten nicht der Endzweck, sondern das Ergebnis einer korrekten Anwendung mathematischer Gesetze ist. Das Wort demonstrieren bedeutet unter anderm „mit Bestimmtheit beweisen”. Es weist also hin auf etwas bereits Bestehendes, aber vom Schüler noch nicht Erfaßtes. Dieser muß daher zu Werke gehen, als wüßte er schon um das tatsächlich Bestehende. Von dieser Grundlage aus muß er denken, um die Wahrheit irgendeines Satzes zu beweisen.

Was sollen nun die Christlichen Wissenschafter mit Bestimmtheit beweisen? Worin besteht eine Demonstration? In der wissenschaftlichen Erklärung des Seins (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468) finden wir folgenden wunderbaren Satz: „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem.” Wir erkennen diesen Satz als wahr an und müssen ihn nun beweisen. Wir stimmen ferner der biblischen Erklärung bei, daß Gott die Liebe ist; daher müssen wir zugeben, daß alles, was nicht in Gott, der göttlichen Liebe, seinen Ursprung hat, eine Täuschung ist, die keine Macht, keine Substanz oder Wirklichkeit besitzt; ferner, daß alle menschliche Disharmonie — Sünde, Krankheit und Tod einbegriffen — nur eine Erfahrung innerhalb der sterblichen Vorstellung ist, das Ergebnis von Folgerungen auf Grund falscher Voraussetzungen, denn die Grundlage dieses Denkens ist eine Lüge wider Gott. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß Gott und Seine unendliche Offenbarwerdung alles ist; daß Er Seinem Wesen nach gut und rein ist und daher das Böse nicht kennt. Der menschliche Begriff vom Sein mit seinen Begleiterscheinungen von Sünde, Krankheit und Tod entspricht also nicht dem wahren Sein, sondern ist das Ergebnis einer falschen Annahme über Entstehung und Wesen des Menschen. Daher wird Erlösung durch die Erkenntnis der Wahrheit erlangt. Jesus sagte: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit”. Ist Gott Gemüt oder Geist, dann ist Sein Reich, der Himmel, ein geistiges Reich, und das Trachten nach diesem Reich ist die Bedingung, unter der uns die Wahrheit, Jesu Worten gemäß, frei machen wird.

Auf derselben Bewußtseinsebene verbleiben und nur die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse und Wünsche erlangen — ein solches Ergebnis kann nicht als eine christlich-wissenschaftliche Demonstration bezeichnet werden, genau wie in der Mathematik das Erlangen von Antworten ohne Verständnis noch keinen Beweis ausmacht. Wir mögen Gesundheit und Glück empfinden, uns des materiellen Wohlstandes erfreuen und es selbst zu Kirchenbauten im materiellen Sinn bringen — es sei denn aber, diese Dinge erfolgen als Wirkung der Erkenntnis der Wahrheit, als Ergebnis einer bestimmten, richtigen mentalen Tätigkeit, so kann es nicht einmal im Falle eines Christlichen Wissenschafters heißen, er habe eine Demonstration zu verzeichnen. Sache des Christlichen Wissenschafters ist es, die Wahrheit des Seins wirken zu lassen und die Ergebnisse dem göttlichen Prinzip anheimzustellen, in der Erkenntnis, daß ein liebender Gott Seinen Kindern nur Gutes gibt. Der wahre Christliche Wissenschafter trachtet nicht nach materiellen Dingen, sondern nach geistiger Erkenntnis, nach dem Himmelreich. Er weiß, daß ihm „diese Dinge alle hinzugetan werden” (Zürcher Bibel). Das Himmelreich ist es, das unsre Substanz ausmacht, nicht die „Dinge” des materiellen Bewußtseins. Daher besteht unser Demonstrieren im Erlangen dieses Himmelreichs.

Um auf die obige Veranschaulichung zurückzukommen: Als die Jungen ihre Bücher auf Verlangen des Lehrers eine Zeitlang beiseite legten, waren sie ziemlich verwirrt, denn ohne die Antworten auf ihre Aufgaben schien ihnen ihre Arbeit keinen Zweck zu haben. Ähnlich verhält es sich oft mit Christlichen Wissenschaftern. Wenn keine Änderung in unsrer materiellen Umgebung nötig zu sein scheint, so vergessen wir leicht, daß wir uns in einer bestimmten Richtung betätigen müssen, und treiben dahin, im Gefühl der Zufriedenheit. Dieser falsche Sinn vom Sein, der Gott verneint und einen andern Ursprung zu haben beansprucht, hält uns in den Banden der Materie, gleichviel ob unsre menschlichen Erfahrungen angenehmer oder unangenehmer Art sind. Es ist daher stets Arbeit für uns vorhanden. Wir können jederzeit an der einen großen Aufgabe arbeiten, die darin besteht, die Allheit Gottes zu demonstrieren, in Übereinstimmung mit den Worten Mrs. Eddys: „Das Gute fordert vom Menschen, daß er zu jeder Stunde das Problem des Seins ausarbeite” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 26).

Die Verfasserin wird nie vergessen, wie groß die Freude der Knaben war, als sie gelernt hatten, mathematische Gesetze auf ihre Aufgaben anzuwenden; als sie den praktischen Wert derselben erkannten und es ihnen allmählich klar wurde, worin mathematische Kenntnis besteht. Auch bleibt ihr stets die Erinnerung an ihre eigne erste Anwendung der Wahrheit des Seins auf ihr menschliches Empfinden des Mangels, und an den darauffolgenden bestimmten Beweis von Gottes Allheit. Ein Anspruch, den ein falscher Sinn vom Sein scheinbar zu einem Gesetz für sie gemacht hatte, bestand in dem Gefühl der Unfähigkeit, bergauf und bergab zu gehen oder Treppen zu steigen. Hierfür sowie für andre Übel wurde ihr Beistand erteilt. Einige Tage nach Beginn desselben mußte sie einige Besorgungen ausrichten, und zwar stand ihr in Anbetracht des weiten Weges nicht viel Zeit zur Verfügung. Der erste von diesem falschen Sinn ausgehende Gedanke war, sie könnte nicht gehen. Sie vermochte diesen Gedanken leicht zu verneinen und sich auf den Weg zu machen; die schwierigere Probe kam erst später, als verschiedene Straßenbahnwagen abfuhren, ehe sie dieselben erreichen konnte, und sie somit eine gute Strecke zu Fuß gehen mußte, zumeist bergauf. Endlich saß sie im Straßenbahnwagen; als sie jedoch die Haltestelle erreichte, fand sie, daß die Straße, welche sie suchte, viele Stufen höher lag als die, auf der sie gefahren war. Dies war die endgültige Probe. Der materielle Sinn erklärte, sie müßte bleiben, wo sie war, und mit dem nächsten Wagen zurückfahren. Doch es kam der bessere Gedanke: „Gott ist deine Kraft, daher kannst du deinen Gang fortsetzen. Beweise es, ‚jetzt ist der Tag des Heils!‘ Jetzt ist es an der Zeit zu beweisen, daß ‚alles ... Gemüt‘ ist” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468). Indem sie diesem wahren Gefühl nachgab, anstatt dem falschen, und sich aufmachte, drang mit den Worten: „Zuflucht ist bei dem alten Gott und unter den ewigen Armen”, eine Lichtflut in ihr Bewußtsein. Sie stieg die Treppen hinauf, fast ohne Empfindung eines physischen Körpers, und die Heilung von diesem besonderen Leiden erfolgte naturgemäß, denn die Furcht vor demselben und der Glaube an dessen Notwendigkeit, die einem undurchsichtigen Körper zwischen der Sonne und einem Beschauer glich, war als grundlos erkannt und somit vernichtet worden.

Diese Erfahrung diente ihr auch als eine Veranschaulichung der gütigen Führung der göttlichen Liebe auf ihrer Reise vom Sinn zur Seele und bewies die Wahrheit der Schriftworte: „Aber Gott ist getreu, der euch nicht lässet versuchen über euer Vermögen”. Wäre die letzte Probe als erste gekommen, so wäre sie der Verfasserin vielleicht schwer erschienen. Die Freude, die sie infolge dieser Demonstration empfand, wurde nicht sowohl durch die Heilung dieser besonderen Form des irrigen Sinnes vom Sein hervorgerufen, als durch die Änderung im Bewußtsein, die von dem Gefühl der Gewißheit begleitet war, daß „Gott ... unsre Zuversicht und Stärke” ist, und zwar nicht in weiter Ferne, sondern da, wo Jesu Aussage gemäß das Himmelreich ist, nämlich allhier. Dieser Wechsel im Bewußtsein bildete die eigentliche Demonstration; die Heilung war nur die unausbleibliche Folge.

Das Demonstrieren der Wahrheit des Seins ist weit herrlicher als das bloße Herstellen von Harmonie nach dem Urteil des materiellen Sinnes, denn man kann nicht den geringsten Teil des falschen Sinnes im eignen Bewußtsein vernichten, ohne dadurch mitzuhelfen, daß die Welt auf eine höhere Bewußtseinsebene emporgehoben werde. Der Christliche Wissenschafter kann also mutig weiterarbeiten, selbst wenn dem materiellen Sinn nach das Ergebnis keine Demonstration zu sein scheint, denn das wahre Ergebnis besteht in dem, „das kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat”.

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