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Pflichten der Kirchenmitglieder

Aus der November 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Manchen Leuten, die sich noch nicht in praktischer Weise mit der Wirksamkeit der Christlichen Wissenschaft bekannt gemacht haben, will es scheinen, als widerstreite die im Handbuch der Mutterkirche vorgeschriebene Form der Kirchenverwaltung dem hohen Ideal der geistigen Freiheit, wie es uns in unserm Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mrs. Eddy vorgehalten wird. Dieser scheinbare Widerspruch zwischen Lehre und Ausübung verschwindet jedoch, wenn der Zweck unsres Statutenbuchs und dessen Beziehung zum Wachstum des Einzelnen besser verstanden wird.

Mrs. Eddy sagt in bezug auf diese Vorschriften: „Sie waren keine willkürliche Ansichten noch gebieterische Forderungen, wie sie etwa eine Person einer andern aufdrängt. Sie wurden von einer andern Kraft angeregt als der eignen, wurden zu verschiedenen Zeiten geschrieben, je nachdem es die Umstände forderten. Sie entsprangen der Notwendigkeit, ergaben sich aus der logischen Folge der Ereignisse — aus dem unmittelbaren Verlangen nach ihnen, damit sie dazu beitrügen, die Würde der Sache aufrechtzuerhalten und unsre Sache zu schützen. Daher ihre einfache, wissenschaftliche Grundlage sowie ihre Einzelheiten, welche so notwendig sind, um die wahre Christliche Wissenschaft zu demonstrieren, die der Menschheit das bringen wird, was absolute, für künftige Geschlechter bestimmte Glaubenslehren nicht auszuführen vermöchten” („Miscellaneous Writings“, S. 148).

Der die Verwaltung betreffende Teil unsrer Organisation ist besonders dazu bestimmt, den unentwickelten Gedanken vor den Eingriffen falscher Auslegungen und böser Neigungen zu schützen, die der geistigen Idee, für welche diese Bewegung eintritt, fremd sind. Wenn die Christliche Wissenschaft ein System von Glaubensanschauungen wäre, und wenn sie sich darum bemühte, die Menschen durch Überredungskünste zu diesen Glaubensanschauungen zu bekehren, dann könnten Verhaltungsregeln von den Christlichen Wissenschaftern mit Recht als willkürliche Einschränkungen empfunden werden. Nun ist aber diese Wissenschaft keine Zusammenstellung von Annahmen, sondern ein genaues, beweisbares System, wie die Wissenschaft der Zahlen. Ihr Lehrbuch ist, gleich den Lehrbüchern der Mathematik, ein zusammenhängendes Ganzes, denn es ist von dem Standpunkt eines feststehenden Prinzips aus sorgsam ausgearbeitet.

Die in diesem Lehrbuch dargelegten Vorschriften stimmen nicht mit den Anschauungen und Neigungen überein, die in der Umgebung vorherrschen, in welcher sich die meisten von uns bewegen. Um daher inmitten all der widersprechenden und verwirrenden Anschauungen nicht vom rechten Wege abzukommen, hat der Schüler, welcher lernen will, wie man diese Wahrheit demonstriert, den beratenden, helfenden und beschützenden Einfluß derer nötig, die ein reiferes Verständnis und eine klarere Auffassung von der Sachlage erlangt haben, bis dann seine eigne Auffassung und sein eignes Unterscheidungsvermögen so weit entwickelt ist, daß er das Prinzip und die Wissenschaft des Seins immer klar vor Augen hat. Es verhält sich bei ihm nicht anders wie bei dem Rechenschüler, der ja auch der Anleitung und Zurechtweisung des Lehrers bedarf, um eine richtige und anwendbare Kenntnis von dem Gegenstand zu erlangen. Und außerdem: solange Organisationen irgendwelcher Art für nötig erachtet werden, muß die Verwaltung ordnungsgemäß verfahren. Daß Mrs. Eddy sehr weise handelte, indem sie in dem Kirchenhandbuch für die Bedürfnisse des sich erweiternden Gedankens sorgte, ist durch die Erfolge in der Erfahrung des Einzelnen sowie durch den allgemeinen Fortschritt unsrer Bewegung bereits reichlich bewiesen worden.

Unsre Kirchenverfassung ist auf einer Grundlage entworfen, die ursprünglicher ist als das rein demokratische Ideal. Ihr Endzweck ist die Verwirklichung der Theokratie oder Gottesherrschaft im menschlichen Bewußtsein. Diese Herrschaft ist unausbleiblich, denn die Christliche Wissenschaft lehrt, daß der Mensch eine vom göttlichen Prinzip regierte geistige Idee ist. Das Denken und Handeln auf Bahnen zu lenken, die zur Demonstration dieser Wahrheit führen: das ist der Zweck der ordnungsmäßigen Verfahrungsarten, die bei der Weiterführung dieses Werkes in Anwendung kommen. Die vorherrschenden Theorien lehren, der Mensch sei ein materielles und persönliches Wesen, und als ein solches Wesen müsse sein Heil durch die Reinigung und Erhebung des persönlichen Sinnes bewirkt werden. Das Element der Persönlichkeit, welches der Eckstein der meisten Systeme ist, lernen wir in der Christlichen Wissenschaft als eine Verkehrung des wahren Begriffs vom Menschen erkennen; und dieser verkehrte Begriff muß dem unpersönlichen Ideal weichen, nämlich der Erkenntnis, daß der Mensch der tätige Ausdruck des göttlichen Geistes ist. Das, was an unsrer Kirchenverfassung demokratisch ist, gibt uns die beste Gelegenheit, das Problem der Persönlichkeit bis zu dem Punkte auszuarbeiten, wo alle persönlichen Rücksichten verschwinden. Erst wenn dieser glückliche Ausgang zur Verwirklichung gekommen ist, werden die Pflichten und Verantwortlichkeiten, welche eine Organisation auferlegt, erfüllt sein.

Die Dehnbarkeit dieses Systems mit seiner selbsttätigen Kontrolle soll zum Wachstum in dieser Richtung ermutigen. Insoweit es sich mit den zur Aufrechterhaltung unsrer Organisation nötigen Bestimmungen verträgt, wird dem Einzelnen die größte Freiheit gewährt. Die Kontrolle über die Angelegenheiten dieser Konfession liegt zwar nominell in den Händen eines Direktoriums; in Wirklichkeit aber sind die einzelnen Mitglieder für die Zustände in unsern Reihen verantwortlich. Die geistige Idee muß eben in ihrer Anwendung auf allgemeine wie auf streng individuelle Angelegenheiten demonstriert werden. In beiden Fällen werden ungesunde Zustände auf derselben Grundlage ausgearbeitet. Die Wahrheit der Christlichen Wissenschaft kann nicht über einen gewissen Punkt hinaus bewiesen werden, wenn man nicht eine klare Erkenntnis von der Unwirklichkeit des Übels erlangt und zu der Einsicht kommt, daß das Problem der Disharmonie ganz gleich ist, ob es sich in Verbindung mit einem Einzelnen oder mit der Gesamtheit darbietet.

Eine rege Teilnahme an den Angelegenheiten der Kirche trägt dazu bei, in den Mitgliedern den Geist des Gehorsams und der Dienstfertigkeit zu wecken. Dies sind zwei wichtige Eigenschaften in dem göttlichen Musterbild des Menschentums. Die Zweigkirchen sind Mittelpunkte der Erziehung, Schulen zur geistigen Entwicklung. In dieser Eigenschaft bilden sie sozusagen Abrechnungshäuser für die Ansprüche der Persönlichkeit. Da sich nun die Christliche Wissenschaft das Vertilgen des persönlichen Sinnes zur Aufgabe macht, so ist es nicht zu verwundern, daß die Forderung des Prinzips innerhalb der Kirchen oft stark beanstandet wird. Aus diesem Grunde sind gerade die Kirchen der Ort, wo man die Ansprüche der Persönlichkeit am wirksamsten abtun kann — hinsichtlich des Einzelnen, der Sache wie der Gesellschaft im allgemeinen. Wer sich von den Angelegenheiten der Kirche fernhält, weil er da verschiedenes beobachtet hat, was ihm mißfällt, entzieht sich der Verpflichtung, an dem Werk der Berichtigung falscher Zustände mitzuwirken. Er gleicht dem Knecht, der das Mißfallen seines Herrn erntete, weil er sein Pfund in die Erde gegraben hatte. Außerdem bekundet eine solche Haltung an sich schon eine sehr ausgeprägte Erscheinungsform von persönlichem Sinn — gerade das, was in einer andern Form die Disharmonie verursacht, welcher der Betreffende zu entgehen sucht. Wenn zum Beispiel die Zeugnisse in den Mittwochabend-Versammlungen keinen günstigen Eindruck auf uns machen, sollten wir dann nicht durch unser Zeugnis dem Mangel abzuhelfen suchen, anstatt uns in selbstgerechtes Schweigen zu hüllen und über diejenigen abzuurteilen, die eine Gelegenheit wahrnehmen, welche zu ergreifen wir nicht bereit sind? Ein solcher negativer Zustand wird gar leicht dadurch genährt, daß man sich auf die Persönlichkeit andrer stützt oder sich ihr unterwirft. Beharrt man in einem solchen Verfahren, so entwickelt sich ein schmarotzerhaftes Verhältnis, das beiden Teilen nur schaden kann.

Wer sich wegen der nötigen Kraft und Führung auf das göttliche Prinzip verläßt, statt auf das zerbrechliche Rohr der Persönlichkeit, bringt Gesundheit zum Ausdruck, wirkt unter seinen Mitmenschen aufbauend und trägt dazu bei, eine gesunde Atmosphäre in der Kirche zu fördern. Wer aber in die Gewohnheit verfällt, seine Anhaltspunkte bei der Persönlichkeit zu suchen, hindert dadurch sein Wachstum. Mit dem Anfänger im Studium der Christlichen Wissenschaft darf man wohl nachsichtig sein, wenn er gegen den ausübenden Vertreter, der ihm zur Erkenntnis der Wahrheit verholfen hat, ein Gefühl hegt, das an Abgötterei grenzt. Um jedoch einen rechten Begriff von den Dingen zu erlangen, muß der Christliche Wissenschafter nach und nach geistig so weit erwachen, daß er diese Art der Anhänglichkeit als einen Irrtum erkennt. Er muß bereit sein, gegenüber der Kirche als solcher seine Pflicht zu erfüllen, ganz abgesehen von den Ansprüchen der Persönlichkeit, die sich geltend machen mögen. Man geht wohl nicht zu weit mit der Behauptung, daß alle Störungen in kirchlichen Angelegenheiten wie überhaupt in der menschlichen Gesellschaft auf den Begriff von Persönlichkeit zurückzuführen sind. Daher ist die folgende Ermahnung in unserm Kirchenhandbuch (S. 40) so wichtig: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb zu den Beweggründen oder Handlungen der Mitglieder der Mutterkirche sein.”

Eines der sichersten Zeichen, daß ein Erwachen zur Erkenntnis der Wahrheit der Christlichen Wissenschaft stattgefunden hat, ist der Wunsch, zu geben, zu helfen, der Sache zu dienen, anstatt nur immer zu nehmen, zu absorbieren, sich dienen zu lassen. Dieser Geist trägt mehr als irgend etwas andres dazu bei, das Denken von persönlicher Zuneigung zu befreien. Wir besuchen dann diese oder jene Zweigkirche nicht sowohl deshalb, weil wir da am meisten Genuß erwarten oder am meisten zu bekommen hoffen, als vielmehr, weil unsre Anwesenheit und unsre Bemühungen da am meisten nötig sind. Wer in dieser Weise denkt und handelt, wird finden, daß er dadurch selbst den größten Gewinn hat.

Mitglieder, die sich bewußt sind, wie sehr das Unterwerfen des persönlichen Faktors zum Wachstum beiträgt, werden sich mit den Bedürfnissen der Kirche vertraut machen, werden unaufgefordert ihr Teil zur Bestreitung der Unkosten beitragen, werden sich bereit halten, irgendeine Arbeit zu übernehmen, die das Wohl der Sache von ihnen verlangt. Jedes Mitglied ist imstande, einen nützlichen Dienst zu leisten. Nicht alle können Leser, Kirchenratsmitglieder oder Sonntagsschullehrer sein, nicht alle haben zu diesen Ämtern die Fähigkeit; dennoch aber gibt es genug Arbeit für einen jeden, in der einen oder der andern Richtung. Die bescheidensten Dienstleistungen sind für das Wohl der Sache ebenso wesentlich wie die Verwaltung der hervorragenden Ämter. Wer sich um Rat und Hilfe an das göttliche Gemüt wendet, statt an ein prominentes Mitglied der Kirche oder an eine dominierende Persönlichkeit, wird seine rechtmäßige Stelle finden, sei sie hervorragend oder gering. Ein müßiger Christlicher Wissenschafter ist ein Unding. Die Arbeitsfelder sind „weiß zur Ernte”, und niemand, der die Gelegenheit wahrnimmt, sich nützlich zu machen, wird Zeit haben, die Hände in den Schoß zu legen.


Ein verlorener Sohn lernt wieder an sich selbst glauben, wenn andre ihm vertrauen: denn er sieht in solchem Vertrauen sein verloren gegangenes Ideal, und macht sich auf, es wieder zu gewinnen.

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