In ihrem Werk „Miscellaneous Writings“ (S. 232) tut Mrs. Eddy folgenden bedeutungsvollen Ausspruch: „Das metaphysische Heilen oder die Christliche Wissenschaft ist ein Erfordernis der Zeiten. Jeder Mann und jede Frau würde sie wünschen und verlangen, wenn er oder sie ihren unendlichen Wert und ihre feste Grundlage kennen würde.” Die Ereignisse in den Jahren, seit Mrs. Eddy diese Worte geschrieben hat, haben die Klarheit und Wahrheit ihrer Voraussage bestätigt. Allerwärts scharen sich denkende Menschen um das Banner der Christlichen Wissenschaft und erwarten von denen, die ihm schon längere Zeit gefolgt sind, Auskunft über den Weg zum Leben, über das lebendige Brot, welches den Hunger des Herzens stillt.
In den kleineren Zweigkirchen will es jedoch den Mitgliedern zuweilen scheinen, als fehle es an den nötigen Personen, die für die Ämter fähig sind und sich zu Lesern eignen, oder es herrscht die Ansicht, daß jemand nötig sei, der als „der ausübende Vertreter” betrachtet werden könne. Anstatt nun in solchen Fällen ernstlich danach zu trachten, die unmittelbar zur Verfügung stehenden Fähigkeiten zu pflegen und zu entwickeln, wird oft ein Weg eingeschlagen, auf dem man schneller zur Lösung der Schwierigkeit zu gelangen hofft, und der darin besteht, daß man einen auswärtigen Vertreter zu veranlassen sucht, sich an dem betreffenden Ort niederzulassen. Aber fast in allen Fällen, wo dies zur Ausführung gekommen ist, sind ernste Schwierigkeiten entstanden. Jesus wählte sich seine Jünger unter den Fischern und Zöllnern aus und machte sie zu „Menschenfischern” unter ihrem eignen Volk.
Zum ersten ist die Ausübung der Christlichen Wissenschaft sehr verschieden von irgendeinem andern Dienste zum Wohl der Menschheit. Ausübende Vertreter, die Fähigkeit und Erfahrung haben, ziehen nicht nur ungern an einen andern Ort, sondern ihre Arbeit ist auch oft derart, daß es ihnen unmöglich ist oder doch unratsam erscheint, ihre Umgebung zu verlassen. Einen solchen Vertreter dazu zu bewegen, sich anderwärts niederzulassen, bedeutet ein Unrecht gegen ihn sowohl wie gegen die Menschen, unter denen er arbeitet. Unvorhergesehene Umstände mögen einen Wechsel wünschenswert machen; aber die Lockungen eines neuen Arbeitsfeldes gehören nicht unter diese Rubrik. Bringt man hingegen eine unerfahrene Person in ein neues Arbeitsfeld, so ist damit dem bestehenden Bedürfnis nicht abgeholfen. Im Gegenteil, die Schwierigkeit wird oft noch gesteigert, indem der Ankömmling gleichsam die Stelle eines Führers einnimmt, was für die Arbeit sowie für alle Beteiligten nur schädlich sein kann.
Ein weiterer Einwand gegen diesen Plan ist der, daß, wenn er allgemein zur Ausführung käme, sich wohl mit der Zeit eine Art von Predigerstand entwickeln würde, d. h. eine besondere Klasse von Personen, von der die Kirchen ihren Bedarf zu beziehen geneigt wären, anstatt aus ihrer eignen Mitte diejenigen zum Dienst heranzuziehen, die die nötige Fähigkeit haben. Es ist offenbar, daß die Gründung einer solchen Klasse nicht dem Wunsche unsrer Führerin entsprechen würde, denn sonst wäre sie nicht für Amtswechsel eingetreten und hätte ihn nicht unsrer Kirchenordnung einverleibt. Eine Kirche, in der sich jedes Mitglied persönlich für den Erfolg der Arbeit verantwortlich fühlt und sich bereithält, auf Verlangen in irgendeiner Eigenschaft zu dienen — eine solche Kirche wird Fortschritte machen. Gerade die rege Tatkraft, die die Mitglieder durchdringen muß, ja das Bewußtsein, daß sie Mitarbeiter Christi Jesu in dem Weinberge des Herrn sind, trägt am meisten zum Wachstum einer Kirche bei.
Man sollte kaum glauben, daß innerhalb einer Mitgliedschaft, die groß genug ist, um einen Gottesdienst zu unterhalten, Grund zu der Klage vorhanden sein könne, daß niemand da sei, der die Fähigkeit hat, das Werk weiterzuführen. Die Schwierigkeit liegt wohl in den meisten Fällen nicht in dem Mangel an fähigen Personen, sondern in dem Mangel an Mut und Vertrauen, der so viele fähige Personen zurückhält. Gewiß ist der Ruf zum Werk eines Lesers oder ausübenden Vertreters der Christlichen Wissenschaft ein heiliger Ruf, und es sollte daher niemand diese Arbeit unternehmen, der nicht willens ist, ein reines, selbstloses, dem Dienste Gottes geweihtes Leben zu führen; denn nur ein solches Leben macht uns fähig, an Stelle des kranken, hilfesuchenden Sterblichen, wie die Sinne ihn darstellen, den im Bilde Gottes geschaffenen geistigen Menschen zu sehen und dadurch den Irrtum auszutreiben, einschließlich von Krankheit jeder Art. Hätte unsre Führerin nicht gewußt, daß dies ihren Nachfolgern möglich sein würde, so hätte sie sich nicht in „Miscellaneous Writings“ wie folgt geäußert (S. 127): „Eines habe ich sehr gewünscht und bitte nochmals eindringlich darum, nämlich, daß Christliche Wissenschafter hier und anderwärts täglich für sich selbst beten mögen — nicht laut oder auf den Knien, sondern still, demütig und inbrünstig. Wenn ein hungerndes Herz den liebenden Vater-Mutter-Gott um Brot bittet, wird ihm nicht ein Stein geboten, sondern mehr Gnade, Gehorsam und Liebe. Wenn dieses demütige und vertrauensvolle Herz die göttliche Liebe getreulich bittet, es mit dem Brot des Himmels, mit Gesundheit und Heiligkeit zu speisen, so wird es befähigt werden, die Erfüllung seines Wunsches zu empfangen; ... ein starkes Wachstum der Christlichen Wissenschaft wird folgen, ja die Freude, die das eigne Gute in dem des andern sucht.”
So lautet unsre Berufung zum Dienste. Wir dürfen nicht die Arbeit des heutigen Tages im Stich lassen, um uns auf ein andres Feld zu begeben, sondern müssen da, wo die Christliche Wissenschaft uns gefunden hat — im Heim, in der Fabrik, auf dem Bureau —, die Allmacht Gottes beweisen, müssen zur rechten Zeit das Wort der Wahrheit reden, das diejenigen heilt, die ernstlich danach hungert. Der Meister verlangte allerdings von seinen Jüngern, daß sie dahin gehen sollten, wohin er sie sandte; später aber sagte er zu einem Menschen, den er geheilt hatte und der ihm nachfolgen wollte: „Gehe hin in dein Haus und zu den Deinen und verkündige ihnen, wie große Wohltat dir der Herr getan und sich deiner erbarmet hat.” Dann heißt es weiter: „Er ging hin und fing an auszurufen in den zehn Städten, wie große Wohltaten ihm Jesus getan hatte”. Und das Ergebnis? „Jedermann verwunderte sich.” Wie er, so können auch wir unsre wirksamste Predigt gerade in unsrer eignen Umgebung halten, denn nirgends anders wird die umwandelnde Macht der Wahrheit, wie sie sich in unserm Lebenswandel kundtun muß, so genau beobachtet und so hoch geschätzt.
