Der Anhänger der Evolutionslehre glaubt auf Grund seiner Beobachtungen der physischen Entwicklung der Sterblichen, daß keine vollkommenere Maschine je erdacht oder hergestellt worden sei als der physische Körper. Ferner ist es seine Ansicht, daß die Physik im Erfassen und Beherrschen der sogenannten Naturkräfte eigentlich nur erst den Anfang gemacht habe. Angesichts der gegenwärtigen Welt-Zustände hat er aber nicht die geringste Gewähr dafür, daß durch das Erlangen höherer weltlicher Weisheit und Macht, durch das tiefere Eindringen in die Geheimnisse der Natur und die vollkommenere Herrschaft über materielle Kräfte unsre Zivilisation entsprechend gefördert würde.
Die traurige Tatsache tritt zur jetzigen Zeit klar zutage, daß solche Errungenschaften, wenn sie nicht dem Wohlwollen, der Uneigennützigkeit, der allgemeinen Bruderliebe dienstbar gemacht werden, nur Zerstörung und unsagbares Elend herbeiführen. Man hat die Erfindung des Flugzeugs und des Luftschiffs als einen großen Schritt zur Förderung des menschlichen Wohls angesehen; und doch verbreitet solch ein beschwingtes Wunderding Zerstörung und Schrecken, wenn es von Feindseligkeit regiert wird. Dies bestätigt die Erklärung eines namhaften Philosophen: „Evolution und Fortschritt sind durchaus keine gleichbedeutenden Begriffe.”
Wer die Zeichen der Zeit beurteilen kann, muß zu der Überzeugung kommen, daß die Völker „nicht durch Heer oder Macht” gefördert werden, sondern durch Liebe. Dies war die unzweideutige Lehre Christi Jesu. Sie kam in der öfteren Ermahnung des Apostels Johannes zum Ausdruck: „Kindlein, ... lasset uns untereinander lieben”; so auch in den Worten des Apostels Paulus: „Und ist in keinem andern Heil, ist auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden”, und in unsrer Zeit in den Worten der Entdeckern der Christlichen Wissenschaft: „Liebe ist der Befreier” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 225).
Wenn man daran denkt, wie fleißig talentvolle Menschen zu allen Zeiten daran gearbeitet haben, die Natur zu beherrschen, den Reichtum des Mineralreichs bloßzulegen und die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Mineralien zu ergründen, um dadurch das Wohl der Menschheit zu fördern, und wenn man dann sieht, wie diese Produkte des menschlichen Fleißes in den Dienst der grausamsten Leidenschaften gestellt werden und die Verheerungen des Krieges tausendfach steigern, dann wird einem offenbar, wie klar der Weise des Altertums gesehen hat, wenn er erklärt, daß nur Gerechtigkeit ein Volk erhöhet. Philosophie, Wissenschaft und Kunst, all die Gelehrsamkeit der Schulen erweitert zwar die menschliche Erfahrung und bereichert sie in gewissem Sinne, ist aber nicht imstande, die Menschen zu erlösen oder den Frieden zu erhalten. Nur Christus, die Wahrheit, kann geistige Umwandlung herbeiführen, allgemeine Brüderschaft herstellen und den menschlichen Sinn vor der grausamen Verheerung bewahren, die seine niedrigen Elemente verursachen.
Als Jesus betete: „Das sie eines seien, gleichwie wir eines sind”, nannte er die einzig dauernde Grundlage für Rasseneinheit und internationales Zusammenwirken. Nie hat man das so deutlich erkannt wie zur heutigen Stunde, und diese Erkenntnis ist ein Lichtstrahl in der gegenwärtigen trüben Zeit. Die Menschheit gelangt immer mehr zu der Einsicht, daß die Vaterschaft Gottes die Brüderschaft der Menschen in sich schließt; daß wir das eine nicht konsequenterweise bekräftigen können, wenn wir dem andern nicht aufrichtig beistimmen; daß wir unsre Knie vor dem beugen müssen, „der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißet im Himmel und auf Erden.”
Der Meister sagte: „Gehe zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder; und alsdann komm und opfere deine Gabe.” Dies ist der Geist des wahren Christentums, jenes echten Sozialismus, der ein Protest ist gegen den engherzigen, beschränkten, exklusiven Begriff von Brüderschaft. Die Christliche Wissenschaft hilft der Menschheit in wunderbarer Weise, diesen Geist zu erlangen, indem sie lehrt, daß man nur in dem Maße vor Feindseligkeit geschützt ist, wie man seine Mitmenschen als das erkennt, was sie sind, und nicht als das, was sie zu sein scheinen. Sie ermahnt die Menschheit mit den Worten des Propheten: „Haben wir nicht alle einen Vater? Hat uns nicht ein Gott geschaffen? Warum verachten denn wir einer den andern?” Sie erklärt, daß die Erkenntnis der Wahrheit Freiheit bringt; daß die Christus-Wissenschaft und die Christus-Liebe eins sind.