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Praktischer Idealismus

Aus der Februar 1915-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Um ein echter Idealist zu sein, muß man zunächst praktischen Idealismus haben und denselben sodann vernunftgemäß ausüben. Man muß wahre Ideale hegen und sie in dem Maße, wie es menschenmöglich ist, durch Demonstration zum Ausdruck bringen.

Obgleich Jesus sagte: „Ich lebe um des Vaters willen” und „der Geist ist’s, der da lebendig macht [Leben gibt]; das Fleisch ist nichts nütze”, so fuhr er doch fort, materielle Nahrung zu sich zu nehmen, und zwar fast bis zur Zeit, da er sich über alle materiellen Bedingungen erhoben hatte. Obgleich er als absolute Wahrheit lehrte, daß Gott Geist ist und daß der Mensch als das, „was vom Geist geboren wird”, ein geistiges Wesen ist, so erkannte er dennoch einen relativen Unterschied an zwischen körperlichem Kranksein und körperlichem Wohlbefinden und verfuhr hinsichtlich dieser Erscheinungen in einer Weise, die sich mit seiner höchsten Anschauung vollkommen vereinbaren ließ. Obgleich Paulus die unwandelbare Tatsache lehrte, daß der Mensch von Gott untrennbar ist („denn in ihm leben, weben und sind wir”), und obgleich er den Menschen die wahre Idee von Gott und dem Menschen klarzumachen suchte, so erkannte er dennoch den menschlichen Sinn von einer getrennten Existenz an. Obgleich er für sich selbst die allgemeine Annahme aufzuheben vermochte, daß das Leben des Menschen dem Biß einer Otter unterworfen sei, so bot er seine Hand doch nicht der Otter zum Biß dar.

Der Apostel sprach im absoluten Sinn von dem Wesen des Menschen, wie dasselbe durch seine Beziehung zu Gott bedingt ist, und dennoch sprach er auch vom „alten Menschen”, der abgelegt, und vom „neuen Menschen”, der „angezogen” werden müsse, auf daß Sterblichkeit überwunden und Unsterblichkeit erlangt werde. Im absoluten Sinne sprechend, sagte er: „Wir aber haben Christi Sinn”, im relativen Sinne: „Schaffet, daß ihr selig werdet”. In all diesem blieb er dem christlichen Idealismus treu. Seine Philosophie und Theologie kennzeichnet Mrs. Eddy auf Seite 264 von Wissenschaft und Gesundheit mit folgenden Worten: „Gott verlangt Vollkommenheit, aber nicht eher, als bis die Schlacht zwischen Geist und Fleisch ausgefochten und der Sieg gewonnen ist. ... Das menschliche Selbst aber muß mit dem Geist des Evangeliums erfüllt werden. Gott fordert von uns, daß wir heute diese Aufgabe mit Liebe auf uns nehmen, das Materielle so schnell wie tunlich aufgeben und das Geistige ausarbeiten, das für das Äußere und Tatsächliche bestimmend ist.”

Der Pantheismus wird in den Wörterbüchern als „die Lehre” bestimmt, „daß Gott die einzige Substanz ist, und daß das materielle Weltall und der Mensch deren Kundwerdungen sind.” Die Christliche Wissenschaft nun erklärt, daß Materie nicht die Kundwerdung des Geistes sein kann, noch das Übel das Ergebnis des Guten. Sie verneint in folgerichtiger Weise die scheinbare Wirklichkeit von allem, was dem göttlich Guten nicht entspricht. Sie bestreitet nicht, daß Sünde, Krankheit und Tod, Elend, Jammer und Not in der menschlichen Erfahrung eine relative Existenz haben, verneint aber, daß das Übel in irgendwelcher Form im absoluten Sinne Substanz oder Wesenheit darstellt. Sie erklärt, daß jede Erscheinungsform des Übels in wissenschaftlicher Weise vermindert und zuletzt beseitigt werden kann, und gibt ihren Schülern geistige Erkenntnis, die sie mehr und mehr in das Reich des Wirklichen hebt.

In ihrer Botschaft an Die Mutter-Kirche vom Juni 1901 [Message to The Mother Church, June, 1901] sagt Mrs. Eddy (S. 14): „Um von dem Glauben an das Unwirkliche, von der Furcht vor demselben, von dem Streben nach dem Unwirklichen und der Liebe zu demselben befreit zu werden, muß man wachen und beten, auf daß man nicht in Anfechtung falle — gerade so, wie man an seiner Tür gegen Diebe Wache hält.” In der Bibel werden wir ermahnt, Böses mit Gutem zu überwinden. Was ist das Wesen des Guten und wodurch ist es dem Bösen überlegen? Wo kommen das Gute und das Böse miteinander in Berührung, so daß das eine zur Überwindung des andern dienen kann? Das Gute und das Böse werden bisweilen von den Verfassern der biblischen Bücher personifiziert, öfter aber in unpersönlicher Weise bestimmt. Einige der biblischen Namen für das Gute sind „Sinn”, „des Geistes Sinn”, „geistliche Weisheit und Verstand”, auch „Wahrheit”, während sich für das Übel Bezeichnungen finden wie: der „fleischliche Sinn”, auch „Irrtum”, „Trügerei” und Ähnliches.

Christus Jesus verband das Böse mit dem Denken. Er löste alle Dinge, die den Menschen verunreinigen, in böse Gedanken auf, ließ es aber nicht dabei bewenden. Wenn böse Gedanken vom wahren Bewußtsein nicht verschieden und von diesem nicht getrennt wären, so könnte es keine Erlösung von diesen Gedanken geben. Der Meister bestimmt daher das Böse als einen „Lügner” oder eine Lüge und erklärt nachdrücklich, daß in ihm keine Wahrheit ist. Der Schauplatz des Kampfes zwischen Geist und Fleisch muß also das sogenannte sterbliche Gemüt sein, mit andern Worten, das Bewußtsein vom Guten und Bösen. Dies muß der Begegnungspunkt sein, wo Böses mit Gutem überwunden werden kann. Hier können die Irrtümer des materiellen Sinnes durch die Wahrheit des geistigen Sinnes berichtigt werden.

Der ebräische Spruch: „Behüte dein Herz mit allem Fleiß; denn daraus gehet das Leben”, ist wissenschaftlich. Das Übel erscheint und verschwindet nur im sogenannten menschlichen Gemüt. Das Reich Gottes ist in dem Bewußtsein, das Gott schafft, d. h. in dem Bewußtsein des absoluten Guten. Paulus meinte nichts Geringeres als die Ausübung der Christlichen Wissenschaft, wenn er sagt: „Ein jeglicher sei gesinnet wie Jesus Christus auch war”. So auch Petrus, wenn er erklärt: „So wappnet euch auch mit demselbigen Sinn”. Dieser wahre Geist, dieses geistige Denken ist die Gottseligkeit selbst. In der Bibel werden wir davor gewarnt, die Macht der Gottseligkeit zu verneinen, denn dies hieße, so wird uns gesagt, der Wahrheit widerstehen.

In völliger Übereinstimmung mit diesen Lehren schreibt Mrs. Eddy: „Schließlich, meine Brüder, laßt uns fortfahren, das Böse als den täuschenden Anspruch bloßzustellen, daß Gott nicht allerhaben ist, und laßt uns fortfahren, das Böse bis zu seinem Schwinden zu bekämpfen — aber nicht wie einer, der gegen den Nebel schlägt, sondern wie einer, der sein Haupt über den Nebel erhebt und seinen Fuß auf eine Lüge setzt” (Die Christliche Wissenschaft im Gegensatz zum Pantheismus, S. 6). Eine Mordtat z.B. hat ihren Ursprung im menschlichen Denken, sie nimmt daselbst Gestalt an. Die Versuchung oder der Antrieb zu irgendeiner Sünde ist seinem Wesen nach mental; sie entspringt fast immer dem falschen Sinn, der das Böse für den Quell des Vergnügens oder Gewinns hält. Es ist somit einleuchtend, daß die einzige positive Heilung für Sünde die Wahrheit ist in bezug auf die der Sünde zugrunde liegende Täuschung. Sünde ist ein Gedankending, ein Ding falschen Denkens. Auf dieser Basis muß sie überwunden werden, und dies geschieht dann am wirksamsten, wenn sie noch im Anfangsstadium ist. Wenn das Böse gleich bei seiner Entstehung entdeckt und verworfen wird, dringt es weder in den Charakter ein, noch kommt es durch eine Tat äußerlich zum Ausdruck.

Kann man nun mit Recht behaupten, die Christliche Wissenschaft halte die Menschen von einem vernunftgemäßen Kampf gegen das Böse ab? Die Christliche Wissenschaft macht ihre Schüler zu besseren Menschen — nicht nur indem sie ihnen gute Beweggründe, reine Wünsche und absolute Ideale gibt, sondern indem sie ihnen das täuschende Wesen böser Regungen aufdeckt und die Quelle und Macht guter Gedanken offenbart. In derselben Weise rüstet diese Wissenschaft ihre Schüler aus zur Heilung und Verhütung von Krankheit. Sie lehrt sie, die widerstreitenden Elemente des menschlichen Bewußtseins zu analysieren und den wahren Sinn vom Sein gegenüber dem falschen Sinn von Unordnung aufrechtzuerhalten, wodurch die eigentliche Ursache von Krankheit vernichtet und die Bedingungen für Gesundheit geschaffen werden.

Die Kraft göttlichen Gemüts wirkt also in Verbindung mit wahren Gedanken und erweist sich somit in jedem Fall menschlicher Not als eine Hilfe. Der Psalmist sagt daher: „Seine Wahrheit ist Schirm und Schild.” Mit einem Wort: das Ziel der Christlichen Wissenschaft ist, die Menschen zu veranlassen und zu befähigen, sich ihrer ihnen rechtmäßig zukommenden Freiheit und ihres ihnen von Gott verliehenen Menschentums bewußt zu werden.


Die Weise, wie man gibt, gilt mehr, als was man gibt.—

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