Die Christliche Wissenschaft ist sowohl in bezug auf ihre Methode als auch auf ihre Wirkung im höchsten Grad konstruktiv. Wo sie niederreißt, da baut sie wieder auf. Sie verwirft eines Menschen Glauben nur, um ihm etwas Besseres darzubieten. Ihre Verneinungen bezwecken die Klarmachung ihrer Behauptungen. Daß Jesus die Gottheit sei, stellt sie in Abrede, um den „Weg,” den er wies, klarzulegen und den Messias oder Christus zu verkündigen. Niemand sollte hinsichtlich der hierauf bezüglichen Lehren der Christlichen Wissenschaft ununterrichtet oder falsch unterrichtet sein, denn diese Lehre steht in enger Beziehung zu dem, was die Religion der Welt zu bieten hat.
Der Christlichen Wissenschaft gemäß handelte Jesus innerhalb der Grenzen menschlicher Möglichkeiten; ja er veranschaulichte fortwährend diese Möglichkeiten. Diese Wissenschaft lehrt, daß er „der höchste menschliche, körperliche Begriff von der göttlichen Idee” war (Wissenschaft und Gesundheit, S. 589) und daß er den Beinamen Messias oder Christus mit Recht trug, obschon diese Ausdrücke sich mehr auf sein Amt als auf seinen persönlichen Namen beziehen. Sie behauptet ferner, daß das Amt des Christus ein Amt des Befreiens, des Heilens und Erlösens ist, und daß es unser Vorrecht und unsre Pflicht ist, Jesus nicht als Gott zu verehren, sondern seine Menschlichkeit anzuerkennen und seinem Beispiel zu folgen. War er doch, wie Mrs. Eddy sagt, „der Sprößling von Marias selbstbewußter Gemeinschaft mit Gott. Daher konnte er eine geistigere Idee vom Leben geben als andre Menschen, konnte die Wissenschaft der Liebe demonstrieren — seinen Vater oder das göttliche Prinzip” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 29). Und eine solche Auslegung seiner Mission spricht dem Meister gerade das zu, was er verlangte, nämlich Verherrlichung, nicht aber Vergötterung.
Diese Auffassung hat die ganze Bibel zur Grundlage, sowohl die jüdischen als die christlichen Aufzeichnungen; vor allem aber stützt sie sich auf die Aussagen Jesu selbst. Die Frage ob er Gott sei oder nicht, sollte, wenigstens was die Christen anbelangt, durch seine eignen Aussagen endgültig erledigt werden. Er muß gewiß gewußt haben, ob er Mensch oder Gott war, und diese Frage war in den Gegenständen, die er besprach, mit einbegriffen. Wenn er Gott gewesen wäre, so hätte er es frei heraus gesagt. Schon allein sein Stillschweigen über diesen wichtigen Punkt würde die Annahme, daß er Gott sei, widerlegen; aber er schwieg nicht darüber. Was er den Aufzeichnungen in den Evangelien zufolge darüber lehrte, berechtigt die Auffassung der Christlichen Wissenschaft in jeder Hinsicht.
Wenn wir die Evangelien sorgfältig durchgehen, um des Meisters Aussagen betreffs dieses Gegenstandes zu untersuchen, so finden wir, daß er Gott nicht als drei Personen, sondern als eine Person dargestellt hat. Auf die Frage eines Schriftgelehrten, welches das vornehmste Gebot sei, antwortete er: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Gott,” und die Kernworte in des Schriftgelehrten Erwiderung: „Es ist ein Gott und ist kein andrer außer ihm,” fanden Jesu rückhaltlose Billigung. Diese zweimal hervorgehobene Wahrheit war der Hauptpunkt in der jüdischen Religion. Ihre Anhänger hatten stets auf der Einheit Gottes beharrt, und es kann von Jesus sicherlich nicht gesagt werden, daß er einen dieser Lehre widersprechenden Glauben eingeführt hat.
Jesus behauptete nie, er sei Gott. Im Gegenteil, er sprach von sich als von einem „solchen Menschen,” der ihnen „die Wahrheit gesagt” habe; und von sich und andern sagte er: „Wir wissen aber, was wir anbeten.” Sicherlich meinte er damit nicht, daß er sich selbst anbetete. Seine Erklärung in bezug auf die Jünger: „Sie sind nicht von der Welt, wie denn auch Ich nicht von der Welt bin,” ist ebenfalls zu beachten. Solche Aussprüche unsres Meisters schließen gewiß die Lehre von seiner Gottheit aus.
Den Evangelien zufolge leugnete Jesus wiederholt und wiederholt, daß er Gott sei. So sagte er z. B.: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott.” Diese Antwort des Meisters allein genügt, die vorliegende Frage zu erledigen, denn sie widerspricht sowohl der Annahme, daß er Gott sei, als auch der Lehre von Gottes Dreipersönlichkeit. Letzterwähntes Zitat soll jedoch nicht heißen, daß Jesus schlecht war. Auf Seite 54 von Wissenschaft und Gesundheit spricht Mrs. Eddy von ihm als dem „gottähnlichen und verklärten Menschen.” Seine Worte zeigen, daß er seine vollständige Abhängigkeit vom Vater anerkannte. Er spiegelte die Güte und Macht Gottes wieder, und das ist die wahre Funktion des Menschen.
Aus den Evangelien ersehen wir weiter, daß Jesus am Kirchweihfest zu Jerusalem aufgefordert wurde, öffentlich zu sagen, ob er Gott sei oder nicht. Er wurde gerade dessen angeklagt, was während drei oder vier Jahrhunderten die Lehren des orthodoxen Glaubens ausmachten. Einige der Juden hatten schon Steine aufgehoben, als Jesus sie fragte, warum sie ihn steinigen wollten. „Um der Gotteslästerung willen, und daß du ein Mensch bist und machest dich selbst einen Gott,” riefen sie. Er antwortete: „Ich sage: Ich bin Gottes Sohn.” Seine menschliche Natur leugnete er also nicht, wohl aber seine Gottheit. Wäre er Gott gewesen, so hätte er es unter solchen Umständen gewiß gesagt. Bestände Gott aus drei Personen und er als eine derselben, so hätte er nicht auf solche Weise gesprochen. Überdies betrachteten seine Gegner seine Antwort als eine Verneinung der Anklage, daß er vorgebe, Gott zu sein. Sie suchten diese Anklage zu beweisen, behaupteten aber nicht, daß er sie in seiner Antwort zugegeben habe.
Um das Wort „Sohn,” wie es Jesus anwandte, zu verstehen, muß man auch seine Anwendung des Wortes „Vater” in Betracht ziehen, denn das eine bildet das Gegenstück und die Ergänzung des andern. In den Evangelien finden wir nicht nur den Ausdruck „mein Vater,” sondern auch „der Vater,” „euer Vater” und „unser Vater.” Diese Ausdrücke wandte er wechselweise an. Sie beweisen zur Genüge, daß er sich nicht als Gott betrachtete. Aber wir haben noch weitere Beweise aus seinem eignen Munde. Aus mehreren seiner Aussagen geht klar und deutlich hervor, daß seine Beziehung zu Gott kein besonderes Vorrecht war, sondern daß sie das göttliche Erbrecht eines jeden Menschen ist. Er nannte seine Mitmenschen „Kinder Gottes,” und sein ganzes Trachten findet in den Worten Ausdruck: „Auf daß ihr seid, wo Ich bin.”
Die Richtigkeit der Lehren der Christlichen Wissenschaft tritt in Jesu Gebet für seine Mitmenschen besonders hervor: „Und Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, daß sie eines seien, gleichwie wir eines sind.” Das Einssein mit Gott, das er beanspruchte, war daher die Zusammengehörigkeit mit dem göttlichen Gemüt oder Geist, die jedem Menschen naturgemäß zu eigen ist. Offenbar wollte Jesus des wahren Menschen geistige Zusammengehörigkeit mit seinem göttlichen Prinzip besonders hervorheben, damit wir die gottverliehenen Eigenschaften so wie er erkennen und betätigen möchten.
Im Zusammenhang hiermit sei auch daran erinnert, daß Jesus gesagt hat: „Ich und der Vater sind eines,” und daß dies gewöhnlich so ausgelegt wird, als habe er erklärt: „Der Vater und ich sind identisch,” „Er und ich sind derselbe,” oder „Ich bin Gott.” Eine solche Auslegung ist jedoch nicht gerechtfertigt und widerspricht andern seiner Aussprüche, wie z. B,: „Der Vater ist größer denn ich;” „Ich kann nichts von mir selber tun;” „Ich lebe um des Vaters willen.” Die von Jesus erwähnte Einheit des Menschen mit Gott erklärt Mrs. Eddy folgendermaßen: „Wie ein Wassertropfen eins ist mit dem Ozean, wie ein Lichtstrahl eins ist mit der Sonne, so sind Gott und der Mensch, Vater und Sohn, eins im Wesen. In der Heiligen Schrift lesen wir: ‚Denn in ihm leben, weben und sind wir‘” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 361).
Die Annahme, daß Jesus Gott war und aus diesem Grunde seine großen Werke vollbringen konnte, trägt dazu bei, die falsche Auffassung vom Menschen sowohl wie von Gott aufrechtzuerhalten. Diese falsche Auffassung schränkt das Verständnis von der göttlichen Macht und Ursächlichkeit ein; sie lenkt den Gedanken ab von der Quelle, von dem Prinzip des ewigen Lebens.
Um das von Jesus zum Ausdruck gebrachte Leben zu verstehen, müssen wir in gewissem Maße erkennen lernen, daß dieses unendliche Leben dem Menschen nicht innewohnt, sondern von ihm widergespiegelt wird. Erst wenn wir einsehen, daß Gott die Liebe ist und daß die göttliche Liebe durch den Menschen offenbar und wirksam gemacht wird, können wir jene Liebe erfassen, welche Jesus bekundete. Um die ihm innewohnende Intelligenz zu verstehen, müssen wir zu der Erkenntnis gelangen, daß das göttliche Gemüt Gott ist, und daß Er das Gemüt des Menschen ist. Durch das Verständnis des göttlichen Gesetzes und der göttlichen Kraft werden die sogenannten Wunder Jesu in das Bereich der Möglichkeit gebracht und erscheinen normal und natürlich. Will man sein Wesen und seine Taten verstehen, so muß man das Prinzip kennen, kraft dessen er lebte und handelte. Jeder Beweis des wahren Lebens ist ein Beweis der Quelle, der Substanz, des Prinzips des wahren Seins, und dieses göttliche Prinzip ist Gott.
Die „Fleischwerdung” bedeutet also, daß Gott dem menschlichen Bewußtsein durch Christus geoffenbart wurde. Sagte doch Jesus selbst: „Wenn ihr mich kennetet, so kennetet ihr auch meinen Vater.” Der Christlichen Wissenschaft gemäß bestand also der Unterschied zwischen Jesus und den andern Menschen nicht etwa darin, daß er über der wahren Norm des Menschentums gestanden hätte, sondern daß unser Begriff vom Menschen „unter Pari” ist. Johannes hatte die wahre Norm erkannt, als er schrieb: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder.”
Jesu endgültiges Verschwinden wird gewöhnlich seine Himmelfahrt genannt; in Wirklichkeit aber war es der Höhepunkt derselben. Seine Himmelfahrt war eine fortschreitende Demonstration der Macht der Wahrheit über den Irrtum. Kraft seines Verständnisses der Wahrheit überwand er nach und nach alle Irrtümer, welche den Menschen sterblich zu machen scheinen, bis er des Menschen Unsterblichkeit vollständig bewiesen hatte. Weil er die Wirklichkeit und Unsterblichkeit des Geistes verstand, legte er den Glauben an das Leben in der Materie ab, bis das letzte materielle Element verschwunden war und er sich über den menschlichen Gesichtskreis erhoben hatte. So stieg er allmählich himmelwärts; er bewies, daß das Leben nicht teilweise materiell oder menschlich ist, und demonstrierte dadurch das gänzlich geistige oder göttliche Leben.
Dieses Werk vollbrachte Jesus nicht auf eine Weise, die ausschließlich ihm eigen war, sondern es war seine Absicht, uns dadurch den Weg der Wahrheit, den Weg des Lebens zu weisen. Er forderte alle Menschen auf, von ihm zu lernen, und sagte deutlich, daß wir seine Werke auch tun können. Deshalb ist der von ihm gewiesene Weg wissenschaftlich und allen gangbar. Wie lange wir brauchen, um den Gipfel zu erreichen, ob wir vor dem Wechsel, den wir Tod nennen, oder trotz desselben dort ankommen werden, das sind Fragen, die von geringer Bedeutung sind im Vergleich zu dem positiven Glauben an die Möglichkeit, ans Ziel zu kommen — im Vergleich zu dem Verständnis des zu lösenden Problems und der Art und Weise seiner Lösung.
Es ist deshalb von Wichtigkeit, wenn wir Jesu Werke tun wollen, daß wir „nachfolgen seinen Fußtapfen,” daß wir mit Hilfe des gleichen Gesetzes und der gleichen Macht das Böse überwinden und uns über unharmonische Zustände erheben. Der Hauptzweck von Jesu Arbeit war, uns eine Darlegung oder Veranschaulichung dessen zu geben, was wir erreichen können. Wenn er aber nicht „versucht” worden wäre, „allenthalben gleichwie wir,” so könnte uns sein Leben nicht als Vorbild dienen. Jesu ganzes Bestreben ging darauf hin, seinen Mitmenschen zu dienen, und über die Natur dieses Dienstes sollte kein Zweifel bestehen. Er sagte selbst, er sei in die Welt gekommen, um zu lehren, die Menschheit zu erleuchten und Zeugnis abzulegen für die Wahrheit. Sein Wirken war eine Reihe konkreter Lektionen, durch welche er das wahre und wirkliche Sein des Menschen lehrte und veranschaulichte.
Für Johannes war Jesus „der treue Zeuge,” der uns „einen Sinn [geistige Erkenntnis] gegeben,” und wenn die Welt diese Erkenntnis hätte, so würde nicht der größte Teil der Werke Jesu als übernatürlich angesehen werden. Wer ein klares Verständnis von der Wahrheit des Seins erlangt hat, erkennt diese Werke als Kundwerdungen der das Weltall regierenden Kraft. Sie veranschaulichten die Wirksamkeit des wahren Gesetzes. Das scheinbare Gesetz des Bösen wurde durch das absolute Gesetz des Guten aufgehoben. Jesu Kreuzigung, der die Auferstehung folgte, war notwendig, um die Wahrheit des Seins zu demonstrieren. Sie war der erhabene Beweis der göttlichen Liebe und des göttlichen Lebens. Jesu Heilungswerke waren nicht im geringsten übernatürlich, sondern überaus natürlich, denn sie brachten des Menschen wahres Sein ans Licht. Sie schieden im menschlichen Bewußtsein das Illusorische, Zerstörbare und Unwirkliche vom Substanziellen, Dauernden und Wirklichen. Kurz, diese mächtigen Werke waren ein Teil des Lehrverfahrens unsres Meisters; sie gehörten zu der Methode, durch welche er für die Wahrheit Zeugnis ablegte.
Wenn die von ihm bewiesene Wahrheit nicht ebensowohl für uns bestände wie sie für ihn bestand, so wäre ein solcher Dienst nichtig und nutzlos, ja sogar unmöglich gewesen. Zum Glück aber ist diese Wahrheit die ans Licht gebrachte Wirklichkeit des Lebens. Darum sagte Jesus auch: „Denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.” Es ist von größter Wichtigkeit, eine richtige Anschauung von ihm zu haben. Um diesen „neuen und lebendigen Weg,” diesen „Weg der Wahrheit” zu verstehen, müssen wir wissen, wer und was Jesus war.
Wenn wir uns das von ihm geoffenbarte wahre Leben in vollem Maße aneignen wollen, so müssen wir, wie Paulus sagte, den alten Menschen ablegen und den neuen anziehen. Um vom Bösen erlöst zu werden, müssen wir unser Denken über die sündhafte, sterbliche, materielle Persönlichkeit erheben und uns der wahren Individualität des im Geist oder Gemüt lebenden Menschen zuwenden. Mit andern Worten: wer von der Sterblichkeit befreit werden will, muß sein wahres Menschentum erkennen und erreichen, das Menschentum mit seinem geistigen Verständnis, seiner Güte und Kraft, seiner Freiheit, Vollständigkeit und Unsterblichkeit. Um dies zu erlangen, ist eine richtige Auffassung von Jesus und seiner Mission absolut notwendig; denn nur, wer diese Auffassung hat, kann die Worte des Apostels Paulus verstehen: „Einem jeglichen aber unter uns ist gegeben die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi.”
Woher kommt nun die Annahme, daß Jesus Gott sei? Die Antwort auf diese Frage finden wir nicht in der Bibel, wohl aber die Widerlegung dieser Annahme an der Hand unzweifelhafter Tatsachen. Jesus lehrte nie, daß er Gott sei. Auch seitens der Evangelisten findet diese Annahme keine Unterstützung. Obschon sie öfters die Grenzen des rein Historischen überschreiten und ihre eignen Ansichten wiedergeben, so wird doch der Meister nirgends Gott genannt. Sogar diejenigen Verfasser des Neuen Testaments, die gewöhnlich als die Vertreter der hier in Frage kommenden Lehre angeführt werden, lassen eine gegenteilige Ansicht klar erkennen. So lesen wir z. B. im Ebräerbrief, daß Jesus und die andern Menschen „Söhne,” „Brüder” und „alle von einem” seien.
Aus einem Vorfall, der in der Apostelgeschichte aufgezeichnet ist, geht hervor, wie Jesus von den Christen jener Zeit angesehen wurde. Als er sich über den menschlichen Gesichtskreis erhoben hatte, und nachdem an Stelle seines Verräters ein neuer Apostel gewählt worden war, „trat Petrus auf mit den Elfen” und sprach zu den Gläubigen in Jerusalem von „Jesum von Nazareth, dem Mann von Gott.” Und durch diese ganze Ansprache hindurch wird Jesus von Gott unterschieden. Wenn man alle diese Tatsachen in Betracht zieht, so bleibt für die in Frage stehende Theorie keine Grundlage übrig als die menschliche Neigung, den Menschen durch materialistische Annahmen einzuschränken, sowie die primitive Gewohnheit, außergewöhnlichen Tatsachen einen übernatürlichen Charakter beizumessen.
Wenn nun die Christliche Wissenschaft Jesus nicht vergöttert, so will das nicht heißen, daß sie ihn auf das gewöhnliche Niveau des Menschentums herabsetzt. Sie erkennt den biblischen Bericht von der Empfängnis an, die zu seiner Geburt führte, und legt großes Gewicht auf seine Abstammung und seine Erkenntnis davon. In ihren Schriften macht Mrs. Eddy diesen Punkt völlig klar. Es sei besonders auf Seite 29, 315, 332 und 539 von Wissenschaft und Gesundheit verwiesen. Auf letztgenannter Seite lesen wir: „Der göttliche Ursprung Jesu gab ihm mehr als menschliche Kraft, um die Tatsachen der Schöpfung zu erläutern und das eine Gemüt zu demonstrieren, das den Menschen und das Universum schafft und regiert.” Ohne die außerordentlichen Beweise seiner Gottessohnschaft hätte er weder in seiner Jugend sagen können: „Wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das meines Vaters ist?” noch wäre er in späteren Jahren imstande gewesen, die weitere Tatsache des geistigen Seins zu erfassen und zu lehren, wie er sie in den folgenden Worten zum Ausdruck brachte: „Und sollt niemand Vater heißen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.”
Die Frage: „Wer oder was ist Christus,” kann ebenfalls genau beantwortet werden. Folgende Zeilen aus einem bekannten Bibellexikon („Popular and Critical Bible Encyclopedia,“ Band 2, SS. 942, 943) werden uns von Nutzen sein: „Jesus war unsres Meisters Eigenname, geradeso wie Petrus, Jakobus und Johannes die Eigennamen dreier seiner Jünger waren. ... Genau genommen ist Christus kein Eigenname, sondern ein offizieller Titel. Jesus Christus, oder wie man eigentlich sagen sollte, Jesus der Christus, ist eine Ausdrucksweise wie z. B. Johannes der Täufer. Weil man diesem Umstand nicht Rechnung trägt, geht die Kraft und manchmal sogar der richtige Sinn vieler Bibelstellen verloren.”
In der Bibel wird der Ausdruck „Christus” oder „der Christus” als ein Synonym für „Messias” angewandt, dessen Erscheinen der Gegenstand jüdischer Weissagung und Erwartung war. Er ist ein Titel, welcher Jesus von Nazareth zukommt, weil er die messianischen Prophezeiungen erfüllte. Sodann ist er der Name für das Amt des göttlichen Erlösers; er bezeichnet das, was Gottes erlösende Macht ausübt oder kundtut. In ihren Werken über die Christliche Wissenschaft hat Mrs. Eddy die biblische Anwendung dieses Ausdrucks beibehalten und somit den ursprünglichen Sinn des Wortes „Christus” wieder hergestellt. Auf Seite 583 von Wissenschaft und Gesundheit gibt sie uns eine genaue Erklärung des Wortes Christus, eine Erklärung, der Juden sowohl wie Christen beistimmen können: „Die göttliche Offenbarwerdung Gottes, die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören.”
Diese Definition gilt für alle Völker und jedes Zeitalter. Deshalb konnte Paulus sagen, Christus habe die Juden auf ihrer Flucht aus Ägypten erhalten. (1. Kor. 10, 4.) Deshalb ist Christus bei uns „alle Tage bis an der Welt Ende.” Bis zur völligen Zerstörung des Irrtums, ist „Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit.”
