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Sturm und Stille

Aus der Juli 1915-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es gibt viele Leute, die sich sehr vor einem Gewitter fürchten. Ich möchte daher von einer Bekannten von mir erzählen, die diese Art der Furcht überwunden hat. Ihre Erfahrung dürfte andern von Nutzen sein. Während eines ungemein heftigen Unwetters mit unaufhörlichen grellen Blitzen und schweren Donnerschlägen war diese Bekannte ernstlich bestrebt, zu „bestehen in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat,” eine Freiheit, die die Christliche Wissenschaft durch ein besseres Verständnis von Gott so vielen gebracht hat. Sie dachte daran, was Elia nach seinem Erlebnis auf dem Berge Karmel durchzumachen hatte, wo sein Volk sich wiederum Gott zuwandte und sein jahrelanges Harren somit belohnt wurde. Seine große Freude und Dankbarkeit für den Beweis der Macht Gottes gegenüber der kläglichen Erfahrung der Baalsanbeter wandelte sich bald in Furcht und Schrecken, als ihm ein Bote die Nachricht brachte, daß Isebel ihm nach dem Leben trachte, weil er die Baalspriester hatte töten lassen. Elia floh und nahm endlich, zum Tode ermattet, in einer Höhle Zuflucht. Er war tief bekümmert über das Unglück der Kinder Israels, das sie durch ihre Abtrünnigkeit heraufbeschworen hatten, und es erfüllt uns mit Mitleid, wenn wir in der Antwort auf die Frage: „Was machst du hier, Elia?” seine Klage hören: „Ich bin allein überblieben, und sie stehen darnach, daß sie mir mein Leben nehmen.”

Und weiter erzählt uns der Verfasser, daß sich ein „großer, starker Wind” erhob, „der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach,” gefolgt von einem Erdbeben und einem Feuer, Aber — wie uns zum Trost gesagt wird — „der Herr war nicht im Winde,” auch „nicht im Erdbeben” und „nicht im Feuer.” Erst nachdem aller Aufruhr der Elemente sich gelegt hatte, „kam ein stilles sanftes Sausen,” und ein Stimme sprach zu Elias verwirrtem und verängstigtem Bewußtsein. Es war die sanfte, eindringliche und beruhigende Stimme Gottes. Sie führte ihm die einzige Macht zu Gemüte, die es je gab, die es jetzt gibt und die es je geben wird, denn Gott, Geist, ist alles, und es gibt nichts außer Ihm.

Wie die Stimme Gottes, das Wort der Wahrheit, einst dem Elia vernehmbar war und ihn leitete, so ist sie auch heute allen denen vernehmbar, die ein offenes Ohr haben und gewillt sind, ihr zu gehorchen, das Menschliche beiseite zu tun und am Göttlichen allein festzuhalten. Diese Stimme ist durch das Tosen des Sturmes hindurch vernehmlich; sie vertritt stets Kraft, Harmonie und Frieden und erklärt: „Ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand stärket und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, Ich helfe dir!” Gott ist die einzige Macht. Wie könnten also Sturm und Gewitter über Gottes Geschöpfe Macht haben, die Er sicher mit Seiner Liebe und Fürsorge umfangen hält? Wenn diese Erkenntnis die Gedanken beherrscht, wird einem klar, daß die erschreckende und zerstörende Wut des Unwetters, möge es noch so heftig toben, keinen Platz hat im ewigen Reich Gottes. Wenn man sich von dem Wüten des Sturmes abwendet und den Blick auf das Geistige richtet, so kann man die Stimme der Wahrheit hören, wie sie uns zuruft, und zwar laut genug, um das Ungewitter vergessen zu lassen: „Fürchte dich nicht, Ich bin mit dir; weiche nicht, denn Ich bin dein Gott.” Das „Ich,” das göttliche Gemüt, die Allmacht, die die Erde mit allem, was darauf ist, in der unsichtbaren Kraft der Liebe umschlossen hält, bekundet sich niemals durch Unwetter, durch Sturm, Blitz und Donner, denn diese Erscheinungen, wie alle andern Formen des Bösen, sind in Wirklichkeit machtlos; sie scheinen nur Macht zu haben, weil man an sie glaubt und sich vor ihnen fürchtet. „Bin Ich’s nicht, der Himmel und Erde füllet? spricht der Herr.”

Wenden wir uns nun von Elias Erlebnis mit Erdbeben und Ungewitter ab, um im Neuen Testament die höchst lebendige Beschreibung eines andern Unwetters, des Sturmes auf dem See Genezareth, in Betracht zu ziehen. Bei dieser Gelegenheit war jemand zugegen, der die göttliche Verheißung allezeit vor Augen hatte und sie völlig verstand: „Ehe sie rufen, will Ich antworten; wenn sie noch reden, will Ich hören.” Für uns alle, die wir noch ängstlich sind inmitten des Sturmes und uns verlassen wähnen, ist es eine wunderbare Begebenheit, wie Jesus so ruhig „hinten auf dem Schiff” lag „und schlief auf einem Kissen,” während die Wogen in das Schiff schlugen, so daß es sich mit Wasser füllte. Durch das Lesen dieser Worte allein überkommt uns ein Gefühl freudigen Vertrauens und Geborgenseins, gemischt mit Staunen, Ehrfurcht und Demut, denn wir wissen jetzt, daß auch wir mitten in Sturm und Not irgendwelcher Art vollkommen sicher ruhen können, wenn uns die unwandelbare Beständigkeit der göttlichen Harmonie so klar wird wie dem Meister, ihm, der wahren geistigen Idee, die sich in dem Menschen Jesus der Menschheit offenbarte.

Aber selbst die Jünger, die Jesus am besten kannten, hatten noch nicht die leiseste Ahnung, was für ein Mensch er war. Deshalb weckten sie ihn mit dem Vorwurf, wie er nur so ruhig schlafen könne, wo doch ihrer aller Leben in Gefahr sei. Wie oft können wir diesen selben Zug in unserm täglichen Leben beachten. Auf die Klage: „Meister, fragest du nichts darnach, daß wir verderben?” antwortete Jesus, in dessen Bewußtsein es keinen Sturm gab, kein Wort, sondern „er stund auf und bedräuete den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme!” Und was geschah? Was konnte geschehen, nachdem die Macht Gottes gegenüber der scheinbaren Macht des Übels mit solcher Entschiedenheit bekräftigt worden war? In majestätischer Sprache, majestätisch eben wegen ihrer großen Einfachheit, wird uns weiter berichtet: „Der Wind legte sich, und ward eine große Stille.” Darauf wandte sich der große Lehrer seinerseits mit einem Vorwurf an die, die mit ihm waren, und fragte in wohlberechtigtem Staunen über die Langsamkeit ihres Begreifens: „Wie seid ihr so furchtsam? Wie, daß ihr keinen Glauben habt?”

Wenn wir über die Worte „eine große Stille” nachdenken und versuchen, ihre volle Bedeutung in uns aufzunehmen, so kann das nur dazu beitragen, uns unser Selbst, unsre Furcht, unsern Zweifel und alle kleinmütigen Gedanken vergessen zu lassen und der Macht zu vertrauen, in der wir leben. Dies war die erfreuliche Wirkung auf meine mit Gewitterfurcht geplagte Bekannte. Nachdem sie eine Zeitlang obige Gedankenrichtung verfolgt hatte, empfand sie „die große Stille,” deren sich diejenigen stets bewußt sind, die wirklich „unter dem Schirm des Höchsten” sitzen. Obgleich draußen noch das Gewitter tobte, wurde ihr der Friede, die Gegenwart und Allmacht des Guten so klar und lebendig, daß alle angstvollen Gedanken schwanden. Mit einem zuversichtlichen, freudigen Lächeln setzte sie sich ans Fenster und beobachtete das Wetter, bis seine Heftigkeit nachließ. Seit diesem Erlebnis ist geraume Zeit verflossen, und obgleich meine Bekannte die Furcht vor Gewitter viele Jahre lang gehabt hatte, war dieses Übel für immer zerstört; die alte Angst, die sie vor jeder aufziehenden dunklen Wolke schaudern machte, hat sich nie wieder gezeigt.

Wahrlich, die Christliche Wissenschaft hat die Altäre umgestoßen, die, wie in alten Zeiten, einem unbekannten Gott errichtet waren. Von neuem erklärt sie Ihn als die „Hilfe in den großen Nöten.” Um sich Seiner Gegenwart stets bewußt zu sein, ist eine „absolute Hingabe der Gedanken, der Energie und des Verlangens” nötig (Wissenschaft und Gesundheit, S. 3). Wer wollte leugnen, daß ein jeder, der durch diese Hingabe auch nur einem Kind Gottes zum Bewußtsein seiner Freiheit verholfen hat, hochbeglückt ist?


Keine Religion hat der, der keine Humanität hat.—Arabischer Spruch.

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