Genau vor drei Jahren wurde ich durch die Christliche Wissenschaft von der Morphiumsucht geheilt, nachdem ich dieses Mittel elf Jahre gebraucht hatte und demselben neun Jahre widerstandslos ergeben gewesen war. Es wurde mir zuerst von Ärzten im Osten unsres Landes verschrieben zur Linderung eines heftig auftretenden asthmatischen Leidens, nachdem ich jedes andre bekannte Mittel dagegen versucht hatte. Meine Eltern gaben große Summen aus, um ein Heilmittel gegen mein Übel zu finden, doch ließen die Schmerzen nie eher nach, als bis ich zum Morphium gegriffen. Anfänglich schien keine Gefahr vorhanden, daß ich der Gewohnheit verfallen könnte, da die Anfälle in Zeiträumen von vielen Wochen wiederkehrten; bald aber stellten sie sich häufiger ein, und während der letzten acht Wochen, die ich in meinem Heim im Osten verbrachte, saß ich Tag und Nacht in einem Lehnstuhl und nahm täglich Morphium. Als ich den Staat Vermont verließ, betrauten die Ärzte meinen Mann mit der Verabfolgung dieses Mittels, weil er in solchen Dingen viel Erfahrung hatte. Sie hatten mir viel Freundlichkeit erwiesen und bedauerten nun, mir mitteilen zu müssen, daß ich das Morphium in der Folge nicht würde entbehren können.
Nach unsrer Ankunft in Chicago trat eine bedeutende Besserung meines Befindens ein. Jetzt war die Zeit, da ich mit dem Morphium hätte aufhören sollen; da aber mein Mann krank war, sagte der Arzt der Krankenpflegerin, es solle mir nicht genommen werden, weil ich dadurch besser aufrechterhalten würde. Schon nach kurzer Zeit kehrte das Asthma mit erneuter Stärke wieder. Es ereignete sich viel Trauriges infolge meines Morphiumgenusses; ich möchte hier nur einen Fall erwähnen. Mein Mann und ich waren beide Mitglieder einer Kirche in Chicago, deren Pfarrer uns sehr oft besuchte. Eines Nachmittags, als er mich mit heftigen asthmatischen Beschwerden kämpfend vorfand und mich Morphium nehmen sah, sprach er zu mir: „Ich bin gekommen, Sie und Ihren Mann aus der Kirchengemeinschaft auszuschließen, weil Sie morphiumsüchtig sind und Ihr Mann sich dazu hergibt. Ihnen das Morphium zu verabreichen. Doch will ich Ihnen eine dreimonatige Bewährungsfrist geben. Wenn Sie mir nach Ablauf dieser Zeit beweisen können, daß Sie kein Morphium mehr brauchen, so sind Sie mir in der Kirche wieder willkommen.” Nicht etwa, daß ich dem Manne etwas nachtrüge; denn er tat, was er als seine Pflicht betrachtete.
Einige Monate später kamen wir nach Los Angeles (Kalifornien), wo mein Mann bald darauf verschied. So blieb ich nun allein unter Fremden, bei schlechter Gesundheit, als Morphiumsüchtige und genötigt, mir meinen Lebensunterhalt zu erwerben. In der Annahme, ich könnte nur durch den Gebrauch von Morphium bei Kräften bleiben, machte ich daraus kein Hehl und konnte infolgedessen nie eine Stelle längere Zeit innehaben. So ging es fünf Jahre lang weiter, bis ich durch die Christliche Wissenschaft geheilt wurde. Es war eine schöne und vollständige Heilung. Als ich zur ausübenden Vertreterin ging, brauchte ich Morphium in gewaltigen Dosen, doch in knapp vierzehn Tagen übergab ich der Vertreterin das noch vorhandene Morphium sowie alles dazu Gehörige in der festen Erwartung, daß ich es nie wieder brauchen würde. Und so war es auch. Während der darauffolgenden zwölf Tage litt ich sehr und aß fast nichts. Ich konnte nicht schlafen und magerte immer mehr ab, doch war ich geistig klar und keineswegs besorgt.
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