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Weisheit und Torheit

Aus der September 1916-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die große Kluft zwischen dem Bekenntnis und der Betätigung des Christentums seitens einzelner Menschen sowohl als seiten der Nationen beweist entweder eine große Unwissenheit in bezug auf das Wesen und die Forderungen der Lehre Christi, oder aber eine große Gleichgültigkeit gegenüber denselben. Nirgends kommt dies besser zum Ausdruck als in der allgemeinen Stellung zum Bösen. Der große Meister sagte vom Teufel, der Verkörperung des Bösen: „Die Wahrheit ist nicht in ihm.” Viele unsrer erklärten Christen wollen jedoch weiser sein als ihr Meister, indem sie behaupten, es sei Torheit, das Böse als eine Lüge zu betrachten und es dementsprechend zu behandeln. Sie sehen nicht ein, daß sie dadurch an der größten Torheit aller Zeiten teilnehmen. Die vom Gründer des Christentums aufgestellte Norm ist gewiß nicht die Norm der heutigen Schulen, denn sonst würden wir nicht hören müssen, wie Lehrer und Führer auf dem Gebiete der Religion die Anerkennung einer von Gott getrennten Macht verteidigen und glauben, dies stehe im Einklang mit dem Christentum.

Die Menschheit bedarf deshalb eines Erlösers, weil sie an eine neben Gott bestehende Macht glaubt. Dieser Glaube an das Böse ist die Ursache all unsrer unharmonischen Zustände. Alles, was ihm Nahrung gibt, schiebt die Erlangung des Heils hinaus und vereitelt den Zweck der christlichen Religion. Der Umstand, daß viele Religionslehrer das Böse als eine wirkliche Macht anerkennen, hat ohne Zweifel viel dazu beigetragen, diesen Glauben im menschlichen Bewußtsein zu befestigen; ja der Mangel an werktätiger Frömmigkeit bei christlichen Nationen ist größtenteils auf diesen Irrtum zurückzuführen. So konnte das Böse gerade vor den Augen des Christentums sein Werk treiben, und die Menschheit hat ihm beigestimmt und sich ihm unterworfen, anstatt es mit der wahren Gotteserkenntnis zu überwinden.

Die Christliche Wissenschaft wird oft getadelt, weil sie sich in bezug auf die absolute Unendlichkeit Gottes, des Guten, auf keinen Vergleich einläßt und die Wirklichkeit alles dessen bestreitet, was Gott unähnlich ist. Bis jetzt waren jedoch solche Kritiker nicht imstande, eine Grundlage darzubieten, die der Bibellehre mehr entspräche, die wissenschaftlicher oder christlicher wäre. Jeder denkende Mensch wird zugeben, daß das menschliche Bewußtsein, solange es an seinem Glauben an das Böse festhält, nicht dauernd harmonisch und gut sein kann. Wie wird das Böse schneller überwunden: dadurch, daß man seine Ansprüche anerkennt oder sie zurückweist, daß man auf der Unendlichkeit des Guten besteht oder sie leugnet? Diese Frage müssen wir beantworten, und unsre Antwort entscheidet mehr als alle Glaubenssätze und Theorien über die Aufrichtigkeit und den Erfolg unsres Christentums. Nur wenige sehen ein, daß die Anerkennung der Wirklichkeit des Bösen gleichbedeutend ist mit der Behauptung, es gebe im Weltall Orte, wo Gott nicht ist — eine Behauptung, die der Psalmist nicht den Weisen, sondern den Narren zuschreibt.

Die Unfähigkeit der meisten Kritiker, diese Frage vom Standpunkte der Christlichen Wissenschaft aus zu beurteilen, beruht auf dem ihnen anerzogenen Begriff von Gott als einem begrenzten Wesen, das auf einem fernen Throne sitzt und sich um die menschlichen Angelegenheiten wenig kümmert. In der Christlichen Wissenschaft jedoch erkennen wir Gott als das allgegenwärtige Prinzip — als Geist, Liebe, Leben, Wahrheit, wie Er in der Schrift genannt wird, und dieses Prinzip kann nicht auf ein begrenztes Wesen oder auf eine örtlichkeit beschränkt sein. Das Wörterbuch definiert Geist unter anderm als „das Prinzip des Lebens;” also ist Geist nicht eine Person im gewöhnlichen Sinn des Wortes, und niemand denkt daran, Liebe, Leben und Wahrheit als drei verschiedene Personen zu betrachten. Wenn diese Wörter richtig verstanden werden, führen sie zur Erkenntnis des wahren Wesens der Gottheit — zu der Einsicht, daß die belebende Gegenwart Gottes nicht auf besondere Orte beschränkt ist, sondern überall Unsterblichkeit und Güte zum Ausdruck bringt. Bei der Tempelweihe sagte Salomo: „Herr, Gott Israels, es ist kein Gott, weder droben im Himmel noch unten auf Erden, dir gleich. ... Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht fassen.” Ist es nicht klar, daß in einer solchen Auffassung von Gott das Böse keinen Raum hat?

Wo ist das Böse zu finden, und wo sind die Grenzen seiner vermeintlichen Macht? Wenn das Böse wirklich existierte, so könnte es nur da sein, wo Gott keine Macht hat, d. h. wo das Gute nicht existiert. Gibt es einen solchen Ort? Gibt es eine einzige Stelle im Weltall, im Reich der unendlichen Intelligenz, wo Gott nicht zu finden ist? „Bin Ich’s nicht, der Himmel und Erde füllet? spricht der Herr.” Wollen diejenigen, die die Wirklichkeit des Bösen verteidigen, einen Ort nennen, wo Gott keine Macht hätte, wo Er nicht allgegenwärtig wäre? Der Psalmist schreibt: „Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott,” womit er sagen will, daß man nur aus Mangel an Weisheit auf der Abwesenheit Gottes bestehen kann. Das Wort „Narr,” wie es des öfteren in der Bibel gebraucht wird, bedeutet nicht notwendigerweise Geistesschwäche, sondern es bezieht sich gewöhnlich auf die Unfähigkeit, sich ein richtiges Urteil zu bilden. Nach Young’s Bibelkonkordanz bedeutet es „leere Person,” und dies bestätigt Mrs. Eddys Erklärung des Bösen, nämlich, daß es ein negativer Sinn ist, ein Un- oder Nichtsinn. „Das Böse,” so schreibt sie auf Seite 186 von Wissenschaft und Gesundheit, „ist eine Verneinung, weil es die Abwesenheit von der Wahrheit ist. Es ist nichts, weil es die Abwesenheit von etwas ist. Es ist unwirklich, weil es die Abwesenheit von Gott, dem Allmächtigen und Allgegenwärtigen, voraussetzt.”

Paulus schreibt: „Dieser Welt Weisheit ist Torheit bei Gott.” Und warum? Sicherlich weil die sogenannte Weisheit dieser Welt auf der Annahme beruht, als ob das Böse ebenso wirklich sei wie das Gute. Was kann weltliche Weisheit andres sein als Torheit, da sie die Allheit Gottes leugnet? Die Bibel sagt nirgends, es sei weiser, dem Bösen Glauben zu schenken als es Lügen zu strafen. Kam nicht der Prediger nach langen, kummervollen Erfahrungen zu dem Schluß, daß das Böse in jeder Gestalt „ganz eitel” sei, d. h. eine Leere oder Torheit? Nur ein böser Sinn vermag das Böse anzuerkennen, denn dem Sinn fürs Gute ist es unbekannt.

Wer etwas als wahr erkannt hat, kann darüber durch eine Lüge nicht mehr getäuscht werden. Die Torheit und nicht die Weisheit hört auf die Lockrufe des Bösen, folgt ihnen und muß dadurch leiden. Der Narr und nicht der Weise kehrt dem Guten den Rücken, läßt sich durch einen Schatten verleiten und nennt ihn einen bösen Menschen. Gott schuf den Menschen und das Weltall, um Seine Erhabenheit und Vollkommenheit kund zu tun. Leugnen wir demnach nicht Seine Allmacht, wenn wir an böse Menschen und Dinge glauben? Wir sollten sie einfach als die Schattenbilder falschen Denkens betrachten, als die irrigen Begriffe des sterblichen Gemüts. Wenn diejenigen, die für die Wirklichkeit des Bösen eintreten, das Licht des Guten ihr Denken durchleuchten ließen, würden sie dann noch Böses erblicken? Göttliche Weisheit besteht darin, daß man nur das Gute als wahr anerkennt, und es sollte unser Bestreben sein, diese Weisheit zu erlangen.

Da, wo Gott ist, hat das Böse keinen Raum. Johannes bringt diese Wahrheit klar zum Ausdruck, wenn er sagt: „Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis;” ferner: „Das Licht scheinet in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen.” Diese Zitate zeigen, daß das Böse nichts andres ist als ein Zustand des Unglaubens gegenüber der Wahrheit, oder ein der Wahrheit entbehrender Glaube. Der weltweise Sterbliche, der für die Allheit Gottes blind ist, spricht dem Bösen das Wort, während ein andrer, der von göttlicher Weisheit erleuchtet ist, nur Gutes sieht. Der Umstand, daß die Sterblichen das Böse als etwas Wesentliches zu sehen glauben, macht es ebensowenig zur Wirklichkeit, wie eine ähnliche Anschauung hinsichtlich der Finsternis diese zu etwas Wirklichem zu machen vermag, denn in beiden Fällen vernichtet das Erscheinen des Lichtes das falsche Zeugnis.

Gelehrte Besprechungen dieses Gegenstandes haben nur dann Wert, wenn sie zum werktätigen Christentum führen. Dadurch, daß man das Böse leugnet, wird es noch nicht zerstört; dies geschieht erst dann, wenn das Gute tatsächlich ins Bewußtsein aufgenommen wird, erst dann, wenn die Sterblichen vom Bösen ablassen und lernen Gutes zu tun. Wir stehen alle vor der wichtigen Frage: Glauben wir, daß es einen Ort gibt, wo Gott nicht ist, wo keine Liebe, keine Güte, keine göttlichen Eigenschaften zum Ausdruck kommen? Sind wir auf der Hut vor der Gefahr, zu Narren zu werden, indem wir vergessen, daß nichts wahr und wirklich ist als Gott und Seine Kundwerdung?

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