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Auf dem Wege zur Vollkommenheit

Aus der Mai 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein altes deutsches Sprichwort lautet: „Stillstand ist Rückgang.” Wir können nicht stillstehen. Haben wir ein Ideal erreicht, so offenbart sich uns ein neues, höheres Ideal, dem wir zustreben müssen. Jeder Schritt in der Richtung der Vollkommenheit veredelt unser Ideal, so daß es uns stets als etwas Unerreichtes vorkommt. Das Gesetz des geistigen Fortschritts verlangt von einem jeden, der ein wahrer Christlicher Wissenschafter werden möchte, daß er „den alten Menschen mit seinen Werken” aus- und „den neuen” anziehe. Was ist es, das unsern geistigen Fortschritt aufzuhalten scheint? Und was ist es, das unsern Fortschritt auf dem Weg zur Vollkommenheit fördert?

Jesus stellte die größten Feinde des Fortschritts durch drei Gleichnisse bloß: durch das Gleichnis vom verirrten Schaf, vom verlorenen Groschen und vom verlorenen Sohn. Das Schaf, eins von hundert, verirrte sich aus Unwissenheit. Der Groschen, einer von zehn, ging durch Nachlässigkeit oder Unvorsichtigkeit verloren. Der Sohn, einer von zwei Brüdern, erlitt Schmach und Elend durch seinen Eigenwillen. Einer solchen Auslegung dieser Gleichnisse zufolge verirrt sich ein Prozent der Menschheit aus Unwissenheit, zehn Prozent gehen durch Nachlässigkeit verloren und fünfzig Prozent leben ein sündhaftes Leben, weil sie es so haben wollen. Alle drei Gleichnisse, laßt uns dies freudigen Herzens anerkennen, sprechen vom ehrlichen Suchen nach dem verlorenen Gut, sowie von der großen Freude, die da herrscht, wenn dasselbe wiedergefunden ist.

Sind Unwissenheit, Nachlässigkeit und Ungehorsam die Hindernisse auf dem Weg zur Vollkommenheit, so müssen Verständnis, Sorgfalt und Gehorsam die drei großen Mittel zu unserm Fortschritt sein. Ein Verständnis der Christlichen Wissenschaft kann man sich nur dadurch aneignen, daß man alles Vorurteil beiseite legt und mit offenem Sinn das Studium der Bibel sowie des Lehrbuchs der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, in Angriff nimmt. Christus Jesus sagte: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so ... werdet [ihr] die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.” Jede durch die Christliche Wissenschaft erlangte Kenntnis, die dem Schüler dieser Lehre zeigt, wie der alte Mensch mit seinen Werken ausgezogen werden kann, muß praktisch angewendet werden. Wir lernen durch Erfahrung. Wie oft hört man doch die Bemerkung: „Wenn ich doch nur ein besseres Verständnis von der Christlichen Wissenschaft hätte.” Aber ist es nicht Tatsache, daß wir alle mehr verstehen, als wir anwenden?

Unser Wachstum in der Christlichen Wissenschaft wird oft mehr dadurch gehemmt, daß wir nicht praktisch anwenden, was wir gelernt haben, als durch eine mangelhafte Kenntnis der Wahrheit. Wir lernen in der Christlichen Wissenschaft als erstes, daß Gott Liebe ist, und daß die Liebe allerhaben ist. Dies bringt uns die weitere Erkenntnis, daß Haß, das Gegenteil von Liebe, weder Dasein, Wesenheit noch Macht hat. Als Christliche Wissenschafter müssen wir das beweisen. Dies tun wir aber nicht, solange wir uns von Zorn, Ungeduld oder Groll (alles Arten von Haß) beherrschen lassen. Sodann wird uns gleich zu Anfang unsres Studiums der Christlichen Wissenschaft die Allmacht Gottes und die daraus sich ergebende Machtlosigkeit des Bösen erklärt. Und doch, wie oft räumen wir dem Bösen Wirklichkeit und Macht ein, indem wir beständig darüber sprechen und es im Gedanken hegen!

Mrs. Eddy schreibt auf Seite 323 von Wissenschaft und Gesundheit: „Um mehr erfassen zu können, müssen wir das betätigen, was wir schon wissen.” Diese Worte sollten wir wohl beherzigen. Das eifrige Studium der grundlegenden Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft und die Anwendung des Gelernten im Alltagsleben führen zur Berichtigung all unsrer durch Unwissenheit verursachten Fehler, zur beständigen Entfaltung der Wahrheit im Bewußtsein und zur wachsenden Erkenntnis der Allheit Gottes.

Unser zweites Hilfsmittel zu geistigem Fortschritt ist Sorgfalt. Um diese Eigenschaft im Denken, Reden und Handeln zu entwickeln, werden wir ermahnt, zu wachen und zu beten. Dringen irrige Gedanken in unser Bewußtsein ein, so ist es in der Regel nicht deshalb, weil wir ihres negativen Wesens nicht gewahr sind, auch nicht, weil wir uns einem göttlichen Befehl widersetzen wollen, sondern weil wir nicht unaufhörlich „Wache an der Tür des Gedankens” stehen (Wissenschaft und Gesundheit, S. 392). In unsrer täglichen Berührung mit einer Welt, die scheinbar voll Disharmonie ist, müssen wir die Gewohnheit pflegen, recht zu denken, besonders bezüglich der kleinen Unannehmlichkeiten im täglichen Verkehr mit andern. Wir müssen beständig bestrebt sein, auch den Irrtum, der uns scheinbar nur oberflächlich berührt, aller Macht zu berauben. Weder ein überfüllter Straßenbahnwagen, eine unfreundliche Person, ein unsauberer. Mensch, noch eine unangenehme Verspätung sollte imstande sein, uns auch nur einen Augenblick zu einem lieblosen Gedanken oder einer nicht wissenschaftlichen Bemerkung zu veranlassen. Wir dürfen nie vergessen, daß ein Irrtum nur im relativen Sinne groß oder klein ist; daß aller Irrtum, ob er uns groß oder klein vorkomme, überwunden werden muß. Der Umstand, daß die Frau im Gleichnis den Groschen durch Unvorsichtigkeit verlor, zeigt uns die Notwendigkeit steter mentaler Wachsamkeit, damit wir auch nicht den geringsten Teil unsrer geistigen Schätze verlieren.

Wenn man annimmt, daß fünfzig Prozent alles Leidens und aller Sünde durch Eigensinn und Ungehorsam verursacht wird, so tritt die Notwendigkeit des Gehorsams klar zu Tage. Wir kennen alle das Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.” Wäre all unser Eifer dem einen Leben, der einen Wahrheit und der einen Liebe gewidmet, so könnten die falschen Götter der materiellen Sinne uns nicht unsrer Harmonie berauben. Gehorsam gegen die goldene Regel führt zum Frieden unter den Völkern und zur wahren Brüderschaft unter den Menschen. Würde Jesu Ermahnung, uns untereinander zu lieben, besser befolgt, so würde alle persönliche Feindseligkeit und aller Streit aufhören.

Gehorsam darf nicht aufgeschoben werden, denn „jetzt ist die angenehme Zeit” der Erlösung von allem Irrtum, „jetzt ist der Tag des Heils.” Erkennen wir die Notwendigkeit, eine gewisse Sünde zu überwinden, und gehorchen wir der Stimme der Wahrheit, so befreit uns dieser Gehorsam von dem falschen Glauben, als ob das Sündigen genußbringend sei. Dann werden falsche Begierden überwunden; die Zeit wird nicht mehr mit törichten und gehaltlosen Vergnügen verbracht; Gefühle des Grolls, der Eifersucht und der Rache kommen nicht mehr auf. Der Wunsch, Krankheit zu heilen, muß von unbedingtem Gehorsam gegen die Gebote Gottes begleitet sein. Die Bereitwilligkeit des Gichtbrüchigen, dem Befehl des Meisters zu folgen: „Stehe auf, heb dein Bette auf und gehe heim,” machte seine sofortige Heilung möglich. Auch heute noch vernehmen die Kummer- und Schmerzbeladenen den Ruf der Wahrheit, und williger Gehorsam bringt ihnen die gleiche Heilung wie den Kranken vor zweitausend Jahren. Gehorsam ist ein Ausdruck des Gottvertrauens, der Dankbarkeit, der Liebe. Der Meister sagte: „Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote!” Und im Propheten Jesaja lesen wir: „Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan werden, und der Tauben Ohren werden geöffnet werden; alsdann werden die Lahmen lecken wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen.”

Gottes Gesetz ist das Gesetz des Fortschritts. Die Erkenntnis der Wahrheit, ihre sorgfältige Anwendung in den Einzelheiten des täglichen Lebens und unbedingter Gehorsam gegen Gott ermöglichen es uns, das Gesetz des geistigen Fortschritts zu erfüllen. Das Ermutigendste dabei ist, daß dieser Fortschritt nie aufhören wird, denn, wie Mrs. Eddy auf Seite 3 von Wissenschaft und Gesundheit sagt: „Gott verstehen ist das Werk der Ewigkeit.”

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