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Unser tägliches Studium

Aus der Mai 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es ist kaum möglich, die Bedeutung der Bibellektionen im Studium des Christlichen Wissenschafters zu überschätzen, denn gleichviel in welcher Abteilung der christlich-wissenschaftlichen Bewegung wir mitarbeiten mögen, sei es als Sonntagsschullehrer, als Beamte oder als gehorsame Mitglieder: ein jeder von uns muß sich täglich zu seiner geistigen Erfrischung dem Studium der Bibellektionen widmen. Wesentlich ist daher für jeden ernsten Christlichen Wissenschafter die Frage, ob er in dieser Richtung Fortschritte macht.

Wenn man das Studium der Bibellektionen jahrelang betrieben hat, will sich bisweilen ein mechanisches Verfahren einstellen. Man nimmt die Sache als etwas Gewohnheitsmäßiges hin, wohl auch als eine bloße Pflicht, der man sich entledigen muß, ehe man an die Tagesarbeit geht, oder als eine Sache, die mit der eignen Erfahrung in keinem Zusammenhang steht — etwa wie ein Latein- schüler eine Lektion übersetzt und sie dann als etwas zu seinem sittlichen Fortschritt in keinerlei Beziehung Stehendes weglegt. Wenn diese Versuchung an einen herantritt, dann ist es höchste Zeit, der Wahrheit zu gedenken, die folgender Satz aus Wissenschaft und Gesundheit zum Ausdruck bringt: „Jeder Tag fordert von uns höhere Beweise, nicht nur Bekenntnisse der christlichen Kraft” (S. 233).

Nachdem der Schüler eine Lektion mehrere Tage hintereinander gelesen hat, gibt er sich vielleicht mit dem Buchstaben des Textes zufrieden, statt tiefer nach dem geistigen Gehalt zu forschen, der gerade für den Tag seine wesentliche Nahrung bilden sollte. Kann man in solchem Fall nicht von ihm sagen, daß er in gewissem Sinne den Namen der göttlichen Wahrheit mißbraucht? Vielleicht liest er am Ende der Woche die nunmehr bekannten Stellen schnell noch einmal durch. Er sucht vergebens, von dem für den gestrigen Tag erworbenen geistigen Vorrat auch heute Gebrauch zu machen. Durch diese oder jene Geschäftssache abgerufen, durch diese oder jene „wichtige Angelegenheit” in Anspruch genommen, legt er nur zu oft die Lektionspredigt hastig beiseite, der Warnung nicht eingedenk, daß des Lebens Perle oft unter die Füße getreten wird, wie es in einer unsrer Hymnen sehr treffend heißt (siehe Hymnal, S. 12). In eben den Worten, die er liest, liegt die geistige Substanz, und wenn er sie in sich aufnehmen wollte, würde ihm die nötige Erkenntnis zuteil werden, deren er bedarf, um seine mentale Finsternis zu verscheuchen. Er geht an dem richtigen Mittel zur Lösung seiner dringenden Aufgabe vorüber.

Ein andrer Schüler ist vielleicht zu sehr darauf bedacht, in verstandesmäßiger Weise im Wörterbuch nach dem Sinn der Ausdrücke zu forschen. Eine Wortzergliederung ist als Beihilfe zweifellos von Wert, stellt aber an und für sich nur die „Treber” dar, nicht die geistige Substanz, In Wissenschaft und Gesundheit (S. 454) schreibt Mrs. Eddy: „Bedenke, daß der Buchstabe und das mentale Argument nur menschliche Hilfsmittel sind, die dazu dienen sollen, den Gedanken mit dem Geist der Wahrheit und Liebe, der die Kranken und die Sünder heilt, in Einklang zu bringen,”

Noch einen Seitenweg gibt es, auf den der Schüler zuweilen gerät. Die lebendigen Darstellungen und literarischen Eigenschaften, die er in den Bibellektionen findet, sagen ihm außerordentlich zu, und er läßt Selbstzufriedenheit an Stelle geistiger Erkenntnis, Selbstgefälligkeit an Stelle des Strebens nach Selbstverleugnung treten. Wie sollen wir uns also ans tägliche Studium machen, in welchem Geist an dasselbe herantreten? Ist es auch keine verstandesmäßige Zergliederung, keine Gefühlserregung, keine bloße Pflichterledigung, die uns zum Himmelreich verhilft, so bleibt doch eine unschätzbare Eigenschaft übrig — demutsvolle Empfänglichkeit. Sie kommt in den Worten des Psalmisten zum Ausdruck: „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz; prüfe mich und erfahre, wie ich's meine. Und siehe, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.” Ein solches Dürsten nach der Gerechtigkeit ist nicht vergeblich, denn, wie unsre geliebte Führerin sagt: „Wenn ein hungriges Herz den göttlichen Vater-Mutter Gott um Brot anfleht, erhält es keinen Stein — sondern es wird ihm mehr Gnade, Gehorsam und Liebe zuteil” („Miscellaneous Writings. S. 127).

Eine solche Vorbereitung führt den Schüler zu wahrer Gemeinschaft mit Gott und bringt ihm seine tägliche Nahrung. Wir sehen somit, daß jeder einzelne den Vater selber suchen muß. Es hat keinen Zweck, wenn ein älterer Schüler einem jüngeren Schüler die Bibellektion zu erklären sucht und ihn dabei mit Dingen überladet, die doch erst seine künftige geistige Nahrung bilden können. Aber auch falls der Schüler zu weiterem Fortschritt bereit ist, ist es besser, wenn man ihm, statt ihm übereifrig helfen zu wollen, das gottverliehene Recht zugesteht, seine geistige Erleuchtung aus der Quelle zu schöpfen. Welcher wirklich aufrichtige Schüler möchte zwischen sich und Gott einen Vermittler haben?

Wahre Gottesgemeinschaft erlangt man nicht auf dem Wege des menschlichen Verstandes, noch durch Gefühlserregung; sie ist die lebendige Vergegenwärtigung, das Sichbewußtwerden der Unzertrennbarkeit des Menschen und seines Schöpfers. Mrs. Eddy hat beim Ausarbeiten ihres Planes für die Bibellektionen ohne Zweifel weit mehr Weisheit walten lassen, als wir vorderhand noch zu erkennen vermögen. Das Wohlergehen der Christlichen Wissenschafter hängt in hohem Maße von der geistigen Nahrung ab, die sie aus ihrem täglichen Studium dieser Lektionen gewinnen. Wenn wir mutlos sind, wenn wir darüber klagen, daß eine besondere Schwierigkeit noch nicht gelöst ist, oder daß ein Leiden nur langsam weicht, wäre es uns von großem Nutzen, wenn wir feststellen würden, ob wir auch jeden Tag die unsrer harrende geistige Nahrung zu uns nehmen. Gibt es in Wirklichkeit eine Entschuldigung für Mangel an Fortschritt oder für Stillstand? Paulus sagte: „Wieviel nun unser vollkommen sind, die lasset uns also gesinnet sein. Und solltet ihr sonst etwas halten, das lasse euch Gott offenbaren.”

Glücklich fürwahr ist, wer in stiller Morgenstunde die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit öffnen und mit den Worten des Psalmisten andachtsvoll sagen kann: „Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir.” Nachdem er an jedem der sechs Tage himmelwärts gestrebt hat, ist er am siebenten Tag in der richtigen Verfassung, so daß er seinen Schatz an Liebe, Freude und Frieden, „die Frucht des Geistes,” zum Gottesdienst mitbringen und sich im Bewußtsein wohlgetaner Arbeit wahrhaft der Sonntagsruhe hingeben kann.

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