Es ist kaum möglich, die Bedeutung der Bibellektionen im Studium des Christlichen Wissenschafters zu überschätzen, denn gleichviel in welcher Abteilung der christlich-wissenschaftlichen Bewegung wir mitarbeiten mögen, sei es als Sonntagsschullehrer, als Beamte oder als gehorsame Mitglieder: ein jeder von uns muß sich täglich zu seiner geistigen Erfrischung dem Studium der Bibellektionen widmen. Wesentlich ist daher für jeden ernsten Christlichen Wissenschafter die Frage, ob er in dieser Richtung Fortschritte macht.
Wenn man das Studium der Bibellektionen jahrelang betrieben hat, will sich bisweilen ein mechanisches Verfahren einstellen. Man nimmt die Sache als etwas Gewohnheitsmäßiges hin, wohl auch als eine bloße Pflicht, der man sich entledigen muß, ehe man an die Tagesarbeit geht, oder als eine Sache, die mit der eignen Erfahrung in keinem Zusammenhang steht — etwa wie ein Latein- schüler eine Lektion übersetzt und sie dann als etwas zu seinem sittlichen Fortschritt in keinerlei Beziehung Stehendes weglegt. Wenn diese Versuchung an einen herantritt, dann ist es höchste Zeit, der Wahrheit zu gedenken, die folgender Satz aus Wissenschaft und Gesundheit zum Ausdruck bringt: „Jeder Tag fordert von uns höhere Beweise, nicht nur Bekenntnisse der christlichen Kraft” (S. 233).
Nachdem der Schüler eine Lektion mehrere Tage hintereinander gelesen hat, gibt er sich vielleicht mit dem Buchstaben des Textes zufrieden, statt tiefer nach dem geistigen Gehalt zu forschen, der gerade für den Tag seine wesentliche Nahrung bilden sollte. Kann man in solchem Fall nicht von ihm sagen, daß er in gewissem Sinne den Namen der göttlichen Wahrheit mißbraucht? Vielleicht liest er am Ende der Woche die nunmehr bekannten Stellen schnell noch einmal durch. Er sucht vergebens, von dem für den gestrigen Tag erworbenen geistigen Vorrat auch heute Gebrauch zu machen. Durch diese oder jene Geschäftssache abgerufen, durch diese oder jene „wichtige Angelegenheit” in Anspruch genommen, legt er nur zu oft die Lektionspredigt hastig beiseite, der Warnung nicht eingedenk, daß des Lebens Perle oft unter die Füße getreten wird, wie es in einer unsrer Hymnen sehr treffend heißt (siehe Hymnal, S. 12). In eben den Worten, die er liest, liegt die geistige Substanz, und wenn er sie in sich aufnehmen wollte, würde ihm die nötige Erkenntnis zuteil werden, deren er bedarf, um seine mentale Finsternis zu verscheuchen. Er geht an dem richtigen Mittel zur Lösung seiner dringenden Aufgabe vorüber.
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