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Geistige Auslegung

Aus der Februar 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es gibt keine fleißigeren Bibelleser als die Christlichen Wissenschafter. Wenn ihnen jemals Stellen dunkel erscheinen, die in den Lektions-Predigten vorkommen oder denen sie bei ihrem regelmäßigen Forschen in der Bibel begegnen, so ist es nur darum, weil sie in gewissem Grade die Ansichten derer angenommen haben, die gewohnt sind, die Heilige Schrift größtenteils vom Standpunkte der materiellen Sinne aus zu deuten. Zu der geistigen Deutung, der Deutung, die wahren Wert hat, gelangt man naturgemäß in dem Maße des Wachstums in der Erkenntnis Gottes und Seiner Gesetze und durch die Anwendung der Wahrheit auf alle menschliche Angelegenheiten, seien sie individuell oder allgemein.

Zur heutigen Stunde, inmitten eines scheinbaren weltumfassenden Kampfes sind die folgenden Worte des Apostels Paulus von besonders hoher Bedeutung: „Denn es reget sich schon bereits das Geheimnis der Bosheit.“ Religiös gesinnte Menschen der Jetztzeit wie der Vergangenheit haben schon oft versucht, die Äußerungen in dieser Epistel sowie im Buch der Offenbarung vom persönlichen und örtlichen Standpunkt aus zu deuten. Eine solche Deutung kann jedoch nur das Wachsen der Neigung bewirken, den Irrtum wirklich zu machen, ihm Macht zu geben; und das ist es ja gerade, was der Irrtum von uns verlangt.

Die Neigungen des menschlichen Gemüts sind in all den Jahrhunderten gleich gewesen. Der menschliche Verstand hat Werkzeuge gesucht und sie oft gefunden, um seinen sterblichen Begriff von Individualität zu verherrlichen. Und so hat oft ein scheinbarer Engel des Lichts persönliche Herrschaft ausgeübt. Hinsichtlich dieser Verkörperung des Glaubens an ein von Gott getrenntes Gemüt, wie sie im ersten Buch Mose unter dem Namen Adam auftritt, sagt unsre verehrte Führerin: „Er beginnt seine Herrschaft über den Menschen einigermaßen milde, nimmt aber an Falschheit zu, und seine Tage werden kürzer“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 529). Vom menschlichen Gesichtspunkt aus betrachtet verschärfen die aggressiven Arten des Irrtums ihre Ansprüche und erhöhen ihre Forderungen. Diese Tatsache erkennt Paulus, wenn er in dem bereits erwähnten Kapitel erklärt, daß die sterbliche Verkörperung „sich überhebt über alles, das Gott oder Gottesdienst heißet.“ Im weiteren lesen wir aber, daß jede Kundwerdung des Irrtums durch die Wahrheit zerstört werden wird. Die höchst metaphysische Erklärung des Apostels lautet, daß der Irrtum „offenbaret“ oder entlarvt werden wird, worauf dann das Urteil der Wahrheit über den verkörperten Irrtum folgt: „Welchen der Herr umbringen wird mit dem Geist seines Mundes und wird sein ein Ende machen durch die Erscheinung seiner Zukunft.“ Hier wie auch in der Offenbarung wird die Macht des Wortes dargelegt, und der Studierende der Christlichen Wissenschaft erkennt ohne Schwierigkeit, daß die Klarheit der göttlichen „Erscheinung“ alle Finsternis verscheuchen und die Schatten, die sich in ihr verbergen, vernichten wird.

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