Vor kurzem sprach eine Dame, die eine Zeitlang Behandlung im Sinne der Christlichen Wissenschaft erhalten hatte, mit der Verfasserin von den verschiedenen Praktikern, bei denen sie gewesen war, und unter anderm von der Verfahrungsart, die sie verfolgt hatten. Dann fragte sie: „Woran liegt es nun, daß ich noch nicht geheilt bin? Können Sie mir das sagen?“ Die Antwort lautete: „Es scheint mir, Sie betrachten den christlich-wissenschaftlichen Beistand genau wie eine medizinische Behandlung. Wenn Sie Schmerzen haben, wenden Sie sich sofort an einen Praktiker um Hilfe, statt an Gott, die göttliche Wahrheit und Liebe.“ War es nicht das zur Selbstrechtfertigung stets bereite sterbliche Gemüt, welches die Antwort gab: „Ich dachte, dazu seien die Praktiker da!“ Die Verfasserin erinnerte die Dame sodann an den Rat Mrs. Eddys: „Wenn die Illusion von Krankheit oder Sünde dich in Versuchung führt, dann klammere dich fest an Gott und Seine Idee. Laß nichts als Sein Gleichnis in deinen Gedanken weilen“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 495). Dies ist offenbar das erste, was man in irgendeinem Fall tun muß, und wenn man es gewissenhaft und beharrlich tut, so wird sich die Arbeit des Praktikers, falls sie überhaupt nötig ist, weit wirksamer erweisen als bei dem, der sich nicht gleich Gott zugewandt hat.
Obiges Gespräch brachte der Verfasserin die Verantwortung klarer zum Bewußtsein, die auf dem Praktiker der Christlichen Wissenschaft ruht. Viele, vielleicht die Mehrzahl von denen, die sich um Beistand an christlich-wissenschaftliche Praktiker wenden, sind von Kind auf gewöhnt gewesen, einen Arzt zu rufen, sobald sie sich unwohl fühlten. Es ist daher die Aufgabe des Praktikers, zunächst in solchen Suchern das Bewußtsein zu wecken, daß der große Arzt, der Krankheit aller Art heilt, stets gegenwärtig ist und jederzeit auf ihren Ruf antwortet. Sodann hat der Praktiker die Pflicht, seinen Patienten ein „göttliches und gesundes Verständnis“ zu geben, „mit dem sie ihrem irrigen Sinn bekämpfen ... können“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 396). In Liebe und ohne Vorbehalt muß er seinen Patienten die grundlegenden Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft zur Selbsthilfe in Stunden der Anfechtung mitteilen und sie anregen und ermutigen, von diesen Wahrheiten Gebrauch zu machen.
Kein vernünftiger Lehrer wird von einem Kinde im dritten Schuljahr die Lösung einer Aufgabe erwarten, zu der es erst im neunten Schuljahre fähig sein wird; aber er kann erwarten, daß es alle zum Schulplan des dritten Jahres gehörenden Aufgaben löse. Wenn sich im Laufe der Arbeit eine etwas schwierigere Aufgabe bietet, so löst sie der verständige Lehrer nicht für den Schüler, sondern er führt diesen zu einer klareren Erkenntnis des in Betracht kommenden Prinzips; und fast ehe sichs der Schüler versieht, hat er die Aufgabe selber gelöst. Wie mit dem Kinde in der Schule, so verhält es sich mit dem Anfänger im Studium der göttlichen Wissenschaft. Jedesmal wenn er wegen Hilfe bei einem Praktiker gewesen ist, sollte seine scheinbare Schwierigkeit nicht nur gelöst sein, sondern er sollte auch ein höheres Verständnis vom Prinzip und dadurch mehr Mut erlangt haben, täglich von einem höheren Standpunkt aus sein Kreuz auf sich zu nehmen.
Ein jeder muß irgend einmal erkennen — hier oder im Jenseits —, daß, wenn das Gebot: „Schaffet, daß ihr selig werdet,“ für einen Geltung hat, es für alle gelten muß. Die Praktiker können die Patienten bis an die Pforte des Himme s führen, aber den letzten Schritt müssen diese allein mit Gott tun. Als Entschuldigung dafür, daß man nicht zeitig mit der Anwendung dieser Wissenschaft begonnen hat, die so einfach wie wunderbar ist, gibt das sterbliche Gemüt vor, es fehle an der nötigen Erkenntnis. Bedarf es nun eines jahrelangen Wachstums, die Fähigkeit zu zeitigen, sich dem Gott, der die Liebe ist, zu nahen — die Liebe, die so barmherzig ist, daß kein Sperling unbeachtet zur Erde fällt? Diese Liebe beruhigt und tröstet uns, indem sie, wie der Meister, zu uns spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ Es ist die gleiche Liebe, die selbst den Zöllner segnete, als er ausrief: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“
Sollen wir der Entschuldigung des sterblichen Gemüts, daß unsre Erkenntnis so gering sei, ferner Gehör schenken und dies als Grund für unsre geistige Untätigkeit gelten lassen, wo doch unsre Führerin uns versichert hat, daß selbst „ein Körnlein der Christlichen Wissenschaft ... Wunder für die Sterblichen [tut], so allmächtig ist Wahrheit“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 449)? Der Anfänger im Studium der Christlichen Wissenschaft, der die Tatsache bekräftigen kann, daß das Böse keine Macht ist, weil Gott die einzige Macht ist, und der an dieser Wahrheit festhält, wird dadurch die Lösung seiner Probleme erleben. Die Christliche Wissenschaft wird für ihn nicht mehr ein bloßes Heilmittel sein, dem er sich in Zeiten der Not zuwendet, sondern der verheißene „Tröster,“ und die Stimme, die da spricht: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; Ich will euch erquicken,“ wird für ihn eine lebendige Wirklichkeit — seine Hilfe, Stütze und Kraft — und gibt ihm täglich ein klareres Verständnis von dem, der unser Leben, unser Alles ist.